War Schwede Vorbild der NSU-Täter?

NSU-Mitglied Beate Zschäpe.
NSU-Mitglied Beate Zschäpe.(c) APA/AFP/POOL/MICHAEL DALDER
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Berlin ersucht Stockholm um die Auslieferung des Rechtsextremen John Ausonius. Er hatte in Schweden auf Migranten geschossen und wurde in rechtsextremen Foren dafür gefeiert.

Stockholm. Er soll dem rechtsradikalen Netzwerk NSU in Deutschland als Vorbild gedient haben: Der deutschstämmige Schwede John Ausonius hat zwischen August 1991 und Jänner 1992 aus Fremdenhass willkürlich auf zehn Migranten in Stockholm und Uppsala geschossen. Einen Iraner ermordete er mit einem Kopfschuss. Weil er teilweise ein Gewehr mit einem Laserzielfernrohr benutzte, gaben ihm die Medien den Spitznamen „Lasermann“.

Nun hat Deutschland seine Auslieferung für eine mögliche Anklageerhebung in einem zurückliegenden Mordfall an einer Jüdin in Frankfurt 1992 beantragt, wie schwedische Medien berichten. Schon rund ein Jahr nach seiner Festnahme in Stockholm im Juni 1992 zog der „Lasermann“ das Interesse deutscher Ermittler auf sich. Blanka Zmigrod, die in einem Restaurant in der Garderobe gearbeitet hat, wurde in der Nacht zum 23. Februar 1992 in Frankfurt ebenfalls durch einen Kopfschuss ermordet. Sie war nach ihrer Schicht auf dem Weg nach Hause. Ihre Handtasche war ihr dabei entwendet worden.

Mord an Jüdin in Frankfurt

Die Polizei fand später heraus, dass die 68-Jährige wenige Tage zuvor einen heftigen Streit in der Garderobe mit dem rechtsradikalen Ausonius hatte. Er beschuldigte Zmigrod, sein elektronisches Casio-Notizbuch aus seinem Mantel gestohlen zu haben. Er drohte ihr laut Zeugen damit, wiederzukommen, um sie erneut zur Rede zu stellen. Das Fehlen von Zmigrods Handtasche am Tatort könnte damit zu tun haben, dass Ausonius damals seinen elektronischen Kalender in ihr vermutete.

Am Tatort wurde auch eine Patronenhülse aus einer 6,35-Millimeter-Waffe gefunden. Ausonius gibt laut „Aftonbladet“ zu, dass er damals in Deutschland eine Waffe mit diesem Kaliber hatte. Er beteuert aber, dass er sie vor der Mordnacht in Frankfurt verkauft habe.
Die Ermittlungen wurden damals zunächst vorläufig eingestellt, was für Kritik sorgte. Immer wieder wurde gefordert, den Fall erneut aufzurollen, auch aufgrund der heute viel aufschlussreicheren DNA-Spurenanalysemethoden.

2015 verhörten deutsche Beamte Ausonius dann erneut in Schweden. „Die Deutschen werden nun analysieren, ob sie genügend Beweise haben, um Ausonius anzuklagen“, kommentierte der schwedische Staatsanwalt Krister Petersson im „Radio Schweden“. Nun ist es so weit. Der deutsche Auslieferungsantrag dürfte wieder Bewegung in den Fall bringen.

„Ich bezweifle, dass sie wirklich das Recht dazu haben, nach all diesen Jahren noch mit einer Anklage zu kommen“, sagte John Ausonius der Zeitung „Aftonbladet“. Der heute 63-Jährige wurde 1992 zwar zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt und sitzt seit gut 24 Jahren hinter Gittern; auch ist es seinem Anwalt bislang nicht gelungen, die Strafe in zeitbegrenzte Haft umzuwandeln. Allerdings bekommt Ausonius inzwischen regelmäßig Ausgang. Entsprechend der schwedischen Rechtspraxis müsste er eigentlich relativ bald entlassen werden, schätzen Rechtsexperten. Eine Auslieferung nach Deutschland und eine mögliche Verurteilung könnten stattdessen einen Gefängnisaufenthalt bis zu seinem Ableben bedeuten.

Parallelen zu NSU-Mitgliedern

Auch die NSU-Ermittler haben Interesse an Ausonius. Laut einer BKA-Analyse von 2012 könnte er als „Schablone“ für die NSU-Mordanschläge gedient haben. In rechtsextremen Foren wurde er demnach als Vorbild dargestellt und sein Vorgehen detailliert geschildert. So wie die NSU-Terroristen lebte auch Ausonius im Untergrund. Auch er raubte Banken aus, um sein Treiben zu finanzieren, und floh teils mit einem Fahrrad von den Tatorten. Und auch er hatte es ausschließlich auf südländisch aussehende Menschen abgesehen. Teilweise nutzte er eine Waffe mit Schalldämpfer.

John Ausonius wurde erst mit 27 Jahren schwedischer Staatsbürger. Im wohlhabenden Stockholmer Vorort Lidingö wuchs er unter dem Namen Wolfgang Zaugg mit einer deutschen Mutter und einem Schweizer Vater auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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