Britischer Agent hatte die „Sex-Lizenz“

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Ein Undercover-Agent, der mit der "Lizenz zur Promiskuität" alternative Gruppen unterwanderte, bringt in England einen Prozess zum Platzen.

London. Mit Ausgaben von mehr als einer Million Pfund während der Beweisaufnahme hatte der Staat keine Kosten gescheut. Angesichts des Anlasses schien dies aber ziemlich unverhältnismäßig: Denn den sechs Angeklagten wurde eine Verschwörung zur Besetzung eines der größten britischen Kohlekraftwerke vorgeworfen. Diese hatte freilich nie stattgefunden – und auch zum Prozess kam es nicht: Wenige Stunden vor Beginn stellte ausgerechnet ein ehemaliger Undercover-Agent der Verteidigung Entlastungsmaterial zur Verfügung. Die Anklage kapitulierte und zog den Fall zurück.

Die Geschichte: Mehr als sieben Jahre lang hatte Mark Kennedy britische Alternativgruppen im Auftrag der Polizei unterwandert. Dafür bekam er nach seinen Berichten eine neue Identität und zu seinem Jahresgehalt von 50.000 Pfund ein Spesenkonto von 200.000 Pfund sowie angeblich eine „Lizenz zur Promiskuität“. Eine der Frauen will ihn nun klagen: „Wenn ich damals gewusst hätte, dass er Polizist war, hätte ich es als Gewaltanwendung gefunden, mit ihm zu schlafen.“

Kennedy hingegen meint, es sei natürlich nur im Dienst der guten Sache geschehen, und sagt bescheiden: „Meine Berichte waren so wichtig, dass sie direkt auf dem Schreibtisch von Tony Blair (Ex-Premier, Anm.) landeten.“ Er sei bei allen großen Auseinandersetzungen der letzten Jahren wie den G8-Protesten 2005 oder den Anti-G20-Kundgebungen 2009 dabei gewesen. Gespräche seiner „Freunde“ nahm er mit einer Spezialuhr auf. Kennedys Tarnung flog auf, als seine damalige Freundin im Juni 2009 seinen echten Reisepass mit richtigem Namen fand. Die Polizei jedoch wollte den Agenten nicht zurück: „Nach 22 Jahren im Dienst teilten sie mir mit, dass sie keine angemessene Verwendung mehr für mich haben.“ Die Umweltfreunde drohten dem Verräter mit dem Tod. Seither versteckt sich Kennedy in den USA und fürchtet sich: „Mein Leben ist zu einem Alptraum geworden.“

Als Alptraum für den Steuerzahler sehen Kritiker die Operation, der zuständige Staatssekretär Nick Herbert verfügte eine Neuordnung für Geheimoperationen. Nach letzten verfügbaren Angaben hatte die britische Polizei von April 2009 bis März 2010 „5320 geheime menschliche Quellen“ in aktivem Einsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2011)

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