Die "Costa Concordia" erinnert an ein ähnliches Schicksal: Vor der Insel Fuerteventura lief 1994 die "American Star" auf Grund. Das Wrack zog Touristen und Plünderer an - bis es erst kürzlich völlig versank.
Madrid/Giglio/Rs/Ag. Das havarierte Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ hält die italienischen Behörden weiterhin auf Trab: Der Zivilschutz erklärte am Dienstag die Suche in jenem Teil des Wracks für beendet, der unter Wasser steht, weil diese zu gefährlich sei. Im restlichen Teil des Schiffs wird die Suche nach den noch 16Vermissten fortgesetzt. Zudem trafen Schiffe an der Unglücksstelle ein, die sich um das Einsammeln von Müll und das Abpumpen von Chemikalien kümmern sollen.
Die Bilder der gesunkenen „Costa Concordia“ erinnerten viele Bewohner der spanischen Kanareninsel Fuerteventura an ein ähnliches Ereignis, das sich vor knapp 20Jahren direkt vor ihrer Haustür abgespielt hat: Das Kreuzfahrtschiff „American Star“ war 1994 an der Westküste Fuerteventuras gestrandet. Das Geisterwrack widerstand lange der Brandung, war Touristenattraktion, bis das Meer jüngst seine letzten Reste verschluckte.
Das Wetter war stürmisch, als der Schleppverband am 15.Jänner 1994 im Atlantik vor den Kanarischen Inseln in Not geriet. Die Stahltrossen, mit denen der ukrainische Schlepper die gut 200 Meter lange und schon mehr als 50 Jahre alte „American Star“ zog, rissen plötzlich. Der ausgemusterte Kreuzfahrtriese, der – ohne Passagiere – nach Thailand überführt und dort zum schwimmenden Hotel umgebaut werden sollte, trieb langsam aber sicher auf die Urlaubsinsel Fuerteventura zu, wo er sich zwei Tage später in einen einsamen Sandstrand bohrte. Vier Besatzungsmitglieder waren zuvor per Hubschrauber gerettet worden.
Als sich das Wetter wieder halbwegs beruhigt hatte, fackelten die Insulaner nicht lange: Souvenirjäger begannen, das Wrack auszuräumen und schraubten alles ab, was sich noch irgendwie verwenden ließ. Messingtürklinken, Bullaugen, Schiffslampen, sogar die Klobrillen verschwanden und schmücken heute die stillen Örtchen mancher Häuser auf der Insel. Die Bar „El Naufragio“ (Der Schiffbruch) in der Stadt Puerto del Rosario hat sich mit Fundstücken der „American Star“ eingerichtet.
Findige Touristenführer organisierten „American-Star-Touren“ und karrten Schaulustige an den Unglücksort. Die heftige Brandung sorgte dafür, dass das Geisterschiff bald auseinanderbrach. Das Heck wurde schon binnen weniger Jahre komplett weggefressen, die letzten Reste des Buges versanken erst vor Kurzem in den Fluten.
Langer Streit um Versicherung
Auch wenn der Schiffbruch 1994 zunächst keine Opfer forderte, lockte das Wrack in Strandnähe doch mindestens sieben Menschen in den Tod. Einige starben durch Unfälle in der löchrigen Ruine, beim Klettern an der Bordwand, andere in den gefährlichen Strömungen, die sich zwischen Strand und Bootsrumpf gebildet hatten. Regelmäßig mussten Einsatzhubschrauber ausrücken und übermütige Touristen retten.
Nach dem Schiffbruch stritten monatelang die Behörden, der Reeder und die Versicherung um das Schicksal des Wracks. Der Eigner wollte seinen fahruntüchtigen Kahn nicht mehr und lieber die Versicherungssumme kassieren. Im Fall der „Costa Concordia“ dürfte dieser Streit noch bevorstehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2012)