Die Asylwerber zeigen sich von der Caritas enttäuscht und kritisieren auch die Regierung. Sie wollen Verhandlungen mit Politikern künftig nur mehr in der Kirche führen, ihr Hungerstreik bleibt weiter aufrecht.
Wien/cim. Das Gespräch zwischen den Asylwerbern, die in der Votivkirche protestieren und teilweise in Hungerstreik getreten sind, und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Mittwoch hat offenbar nicht die erwünschte Entspannung gebracht. Im Gegenteil. Die Politiker sollen „ihre Krawatten und Jacketts ausziehen, in die Kirche kommen und hier übernachten – damit sie wissen, wie es sich anfühlt, Asylwerber in Österreich zu sein“, fordert einer der Asylwerber.
Am Donnerstag haben die Asylwerber eine Pressekonferenz in der bitterkalten Kirche angesetzt. Dort wollen sie weiter ausharren, bis ihre Forderungen – unter anderem nach einem Zugang zum Arbeitsmarkt während der Asylverfahren oder danach, nicht mehr an abgelegenen Orten untergebracht zu werden – Gehör finden. Aus den 13 Tagen, die der Hungerstreik bisher dauert, könnten Monate werden, kündigt Muhammad Numan, einer der Asylwerber, auf dem Podium unmittelbar neben dem Matratzenlager an. Auf diesem schlafen derzeit etwa 100 Asylwerber, wie Marissa Lobo, eine der Unterstützerinnen, erklärt, 35 davon befänden sich in Hungerstreik. Drei sind derzeit im Spital. Ein Asylwerber kündigt an, dass der Protest verschärft werden könnte, etwa indem auch Wasser verweigert wird – was bereits vor einigen Tagen angekündigt wurde.
Politiker, so heißt es – speziell angesprochen wird Bundespräsident Heinz Fischer – seien eingeladen, zu Verhandlungen in die Kirche zu kommen. Nur dort werde man weiter verhandeln, nicht in einem Büro. Auch kritisieren die Betroffenen, dass sie von dem Gespräch mit der Ministerin erst zehn Minuten zuvor erfahren haben. Und auch die Caritas wird kritisiert. „Am Anfang waren sie noch mehr auf unserer Seite, nun wollen sie uns eher aus der Kirche hinaushaben“, sagt einer der Betroffenen.
An Caritas-Direktor Michael Landau appelliert er, seine Standpunkte klarzumachen. Caritas-Sprecher Klaus Schwertner weist diese Kritik zurück. Das Asylwesen in Österreich sei verbesserungswürdig. Man wünsche sich aber, dass der Hungerstreik beendet werde, um langfristige Schäden zu verhindern. Das Quartier in der eiskalten Kirche sei „nicht menschenwürdig“, man wäre froh, würden die Asylwerber in ein warmes Quartier übersiedeln. Auch das Flüchtlingshochkommissariat der UN (UNHCR) rät den Asylsuchenden, den Hungerstreik zu beenden und ihre Gesundheit nicht weiter zu gefährden. Die Wiener Freiheitlichen orten indes Delikte der Asylwerber wie eine Herabwürdigung religiöser Lehren und kündigen Anzeigen an.
Deutschkurs in der eisigen Kirche
Andere unterstützen die Asylwerber in ihrem Protest, etwa acht Deutschlehrer. Die Protestierenden hätten nach Deutschkursen gefragt, sagt Doris Hana, eine diplomierte Lehrerin für Deutsch als Zweitsprache. Und so sitzt – nach der Pressekonferenz – gut ein Dutzend Asylwerber mit den Lehrerinnen zum Kennenlernen auf den kalten Matratzen. Hana erzählt von Erfahrungen mit hoch motivierten Asylwerbern, auch wenn es lange dauere, jemanden die Sprache zu lehren – und vor allem erst einmal zu alphabetisieren. Dann nämlich, wenn der Unterricht mitunter damit beginnt, wie man einen Stift hält.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2013)