Alijew-Tod: "Kein Hinweis auf Fremdverschulden"

Rachat Alijew auf einem undatierten Archivbild
Rachat Alijew auf einem undatierten ArchivbildREUTERS
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Nach dem Tod des kasachischen Ex-Botschafters Rachat Alijew in einer Wiener Gefängniszelle liegen erste Ermittlungsergebnisse vor. Alles deute auf Suizid hin, sagt der Staatsanwalt.

Nach dem Tod von Rachat Alijew deutet alles auf einen Suizid hin. "Aufgrund des vorläufigen Obduktionsergebnisses gibt es keinen Hinweis auf Fremdverschulden", teilte Gerhard Jarosch, stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Wien, am Mittwoch mit. Alijew wurde am Dienstag erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Josefstadt aufgefunden.

Der Tote wurde von einem Gerichtsmediziner obduziert, er fand keine Anzeichen für eine äußere Gewalteinwirkung. Aus der Untersuchung der Zelle durch die Tatortgruppe des Wiener Landeskriminalamts sowie der Auswertung der Videobänder in der Justizanstalt hätten sich ebenfalls keine Anzeichen ergeben, dass Alijew von fremder Hand zu Tode gebracht worden wäre, gab Jarosch bekannt.

Offen ist noch das Ergebnis eines toxikologischen Gutachtens, das grundsätzlich fixer Bestandteil justizieller Obduktionsgutachten ist. Mit der Untersuchung des Blutes wäre nachweisbar, ob Alijew neben den Medikamenten gegen seine Herzerkrankung, die er verschrieben bekommen hatte, zum Zeitpunkt seines Ablebens sonstige giftige Substanzen in sich hatte. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung soll "in einigen Tagen" vorliegen, sagte Gerhard Jarosch, stellvertretender Leiter der Staatsanwaltschaft Wien.

Wer besuchte Alijew im Gefängnis?

Keinen Hinweis gibt es vorerst auf ein Tagebuch, das Alijew in seiner Zelle geführt haben soll. Den Angaben eines Chefinspektors der Polizei zufolge, der rund um eine angebliche Erpressung des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien ermittelt hatte, soll dieser dort ihm im Gefängnis widerfahrene Einschüchterungen festgehalten haben. "Von einem Tagebuch wissen wir nichts", sagt Jarosch. Das habe für die Klärung der Todesursache aber auch nicht erste Priorität.

Unterdessen nahm sich Mittwochmittag das Wiener Landeskriminalamt das "Häftlingsbuch" in der Justizanstalt Josefstadt vor. Dort werden sämtliche Besuche, die ein Häftling erhält - egal, ob von Verwandten, Freunden, Anwälten oder Sozialarbeitern - festgehalten. Die Kriminalisten wollen klären, welche Besucher Alijew zuletzt empfangen hatte. Diese sollen dann als Zeugen zu allfälligen Wahrnehmungen über suizidale Tendenzen beim 52-Jährigen oder ein mögliches Bedrohungsszenario vernommen werden, das Alijew zur Sprache gebracht haben könnte.

Die Leiterin der Justizanstalt Josefsstadt, Helene Pigl, sieht sich durch das Obduktionsergebnis bestätigt: "Für mich war es eindeutig Selbstmord", sagt Pigl. Auch die sogenannten Türstandsanzeigen, die jegliche Bewegungen des Zelleneingangs regiestrieren würden dies untermauern. Demnach habe sich die Tür zur Einzelzelle Aliyevs zuletzt am Montag (23.2.) um etwa 17.30 Uhr geschlossen, erklärte Pigl. Der Ex-Diplomat wurde beim nächsten Öffenen am Dienstagfrüh (24.2.) um 7.20 Uhr in seiner Zelle tot gefunden. Es sei also "eindeutig, dass er in dieser Zeit alleine war".

Zweifel an Selbstmord-Theorie

Alijew wurde am Dienstag in der früh erhängt in der Nasszelle seines Haftraums gefunden. Seine Rechtsvertreter haben daraufhin einen Suizid bezeifelt. Zuletzt hatten sich Berichte über angebliche Drohungen gegen Alijew gehäuft, nur Stunden nach seinem Tod hätte der Ex-Diplomat vor Gericht gegen zwei ehemalige Mithäftlinge aussagen sollen, die ihn erpresst haben sollen.

Der Fall Alijew beschäftigt Justiz und Politik seit Jahren: Alijew ist der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, bei dem er wegen eines angeblichen Putschversuches in Ungnade fiel. In einem Fall um zwei ermordete Banker wurde Alijew (zwischenzeitlich: Shoraz) 2008 in Kasachstan in Abwesenheit bereits zu 20 Jahren Haft verurteilt. Ein Militärgericht verhängte zudem gegen ihn und den ehemaligen Chef des kasachischen Geheimdienstes, Alnur Mussajew, wegen Planung eines Staatsstreichs ebenfalls eine Strafe von 20 Jahren.

Anklage in Österreich

Eine Auslieferung nach Kasachstan wurde wegen der dortigen Menschenrechtslage abgelehnt. In Österreich ermittelt die Justiz seit 2011 in dem Fall, nachdem auf dem Gelände der ehemaligen Firma Alijews in Kasachstan die Leichen der beiden verschwundenen Nurbank-Manager gefunden wurden. Seiner Verhaftung in Österreich entging Alijew zeitweilig durch Flucht nach Malta, erst im Juni vergangenen Jahres stellte er sich. Ende Dezember wurde gegen Alijew Anklage wegen Doppelmordes erhoben.

(APA/Red.)

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