Schwank um Terrormauer: Kern stoppt Bauarbeiten

Austria´s Chancellor Christian Kern of the SPOe attends his party´s official start of the election campaign in Graz, Austria
Austria´s Chancellor Christian Kern of the SPOe attends his party´s official start of the election campaign in Graz, Austria(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Das Kanzleramt will ein neues Anti-Terror-Konzept vom Innenressort. Der Konter: Die Mauer sei Idee des Kanzleramts gewesen.

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Wien. So ernst der Hintergrund der für das Regierungsviertel gedachten Anti-Terror-Maßnahmen auch ist – deren Verwirklichung wird zum politischen Schwank: Die heftig umstrittene 80 Zentimeter hohe, einen Meter breite Mauer vor dem Kanzleramt (Ballhausplatz, siehe Grafik) kommt nun doch nicht. Kanzleramtsminister Thomas Drozda ließ am Donnerstag auf Anordnung von Bundeskanzler Christian Kern (beide SPÖ) die Errichtung stoppen.

Die in Bau befindliche Mauer hatte für Proteste gesorgt („Die Presse“ berichtete): Von Verschandelung der historischen Altstadt war die Rede. Und von einem Einbunkern der „Privilegierten“. Nun ist alles anders: Die Mauer – eigentlich war ein Aneinanderreihen von fünf verschiedenen, jeweils acht Meter langen Teilstücken geplant – soll nun einem neuen Sicherheitskonzept Platz machen. Und zwar sowohl für das Regierungsviertel als auch für andere „neuralgische Punkte in der Stadt“, hieß es im Kanzleramt.

Er habe von der Mauer auf Twitter erfahren, ursprünglich sei nur von einer Verbreiterung der Gehsteige die Rede gewesen, sagte Drozda der Zeitung „Österreich“. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) habe ihm „versichert, dass er es selbst nicht gewusst hat“. Daher: „Das war Kakanien in Reinkultur. Es gab keine einzige politische Entscheidung, die haben jetzt wir getroffen (durch den Baustopp, Anm.).“

Völlig anders die Darstellung des Innenressorts: „Eine saubere Lösung hätte man auch früher schon haben können. Wir stellen dem Kanzler aber gern nochmals die ursprünglichen Pläne des Innenministeriums für ein Sicherheitskonzept zum Regierungsviertel zur Verfügung. Unser Vorschlag war immer eine Kombination aus Verkehrsberuhigung und Pollern“, so Sobotkas Konter. Vor allem aber: „Es waren das Bundeskanzleramt und die Stadt Wien, die eine Mauer haben wollten. Auch der endgültige Auftrag zum Bau der Mauer kam ja aus dem Bundeskanzleramt.“ Der Schwenk des Kanzlers sei eine „Posse“.

Sicherheitskonzepte für Wien gebe es mehrere – in den Schubladen der Landespolizeidirektion. Sobotka: „Dass ich hier lieber heute als morgen eine Umsetzung sehen würde, steht wohl außer Zweifel. Die letzte Entscheidung liegt aber bei der Stadt Wien. Als Sicherheitsbehörde können wir lediglich unsere Expertise anbieten.“ Was die Posse den Steuerzahler kostet, ist unklar. Sobotka: „Der Frage, wie viel Steuergeld bisher sprichwörtlich im Boden versenkt wurde, müssen sich die Stadt Wien und das Bundeskanzleramt stellen.“

Verlässliche Zahlen zu nennen, scheint schwierig. Auch weil ja der Mauerbau nicht isoliert betrachtet werden kann. Dieser, wie es offiziell heißt, „Anprallschutz“ gegen möglicherweise von Terroristen gelenkte Lkw hätte nämlich im Rahmen einer Sanierung der Verkehrsflächen im Bereich Ballhausplatz entstehen sollen. Zuletzt waren die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Kanzleramt laut dem Büro von Bundeskanzler Christian Kern mit ungefähr 325.000 Euro beziffert worden.

Sehenswürdigkeiten als Ziel

Zudem war aber auch geplant, vor der Präsidentschaftskanzlei eine – allerdings weniger lange – Mauer zu errichten. Auch diese wird nun wohl nicht gebaut werden. Darüber wollte man in der Burghauptmannschaft zuletzt keine Angaben machen. Es war weiters geplant, die Zufahrten zum Verteidigungsministerium, Roßauer Kaserne, besser zu sichern.

Inwieweit sich nun das wienweite Sicherheitskonzept ändert, bleibt abzuwarten. Immer wieder werden Einwände laut, dass in anderen Städten stark frequentierte Orte bzw. Sehenswürdigkeiten und nicht Einrichtungen der Regierungen zu Anschlagszielen geworden seien. Diesbezüglich hieß es zuletzt seitens der Wiener Polizei, dass an keine neuen Barrieren (etwa Kärntner Straße) gedacht sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2017)

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