Carjacking in Wien-Simmering: Prozess um versuchten Raubmord

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Archivbild(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Ein 53-jähriger Angestellter wurde im Oktober 2016 von vier Rumänen auf dem Weg zur Arbeit überfallen, spitalsreif geschlagen und seines Autos beraubt. Nun steht einer der mutmaßlichen Täter vor Gericht, eine Mitverantwortung bestreitet er aber.

Ein Fall von Carjacking - die gewaltsame Abnahme eines Autos in Gegenwart des Besitzers - ist am Dienstag am Wiener Landesgericht für Strafsachen verhandelt worden. Ein 20-jähriger Rumäne musste sich wegen Raubes und versuchten Mordes vor Geschworenen verantworten. Gemeinsam mit drei Landsmännern hatte er am frühen Morgen des 12. Oktober 2016 in Simmering einen Autofahrer überfallen.

Der 53-jährige Angestellte war mit seinem Opel Astra am Weg zur Arbeit, als er von einem anderen Pkw überholt wurde. Plötzlich stellte sich das vor ihm fahrende Auto quer zur Fahrbahn, der Wiener bremste und brachte seinen Wagen zum Stillstand, um eine Kollision zu vermeiden. Darauf sprangen drei Männer aus dem anderen Auto, liefen auf den Opel zu, rissen die Türen auf und schlugen auf den Fahrzeuglenker ein.

Tritte gegen Kopf und Oberkörper

Laut Anklage wurde der 53-Jährige schließlich aus seinem Pkw gezerrt. Die Kriminellen schlugen und traten weiter auf den am Boden Liegenden ein, in erster Linie gegen Kopf und Oberkörper. Der Überfallene verlor vorübergehend das Bewusstsein, worauf man ihn fesselte und auf den Rücksitz seines Opel warf, mit dem ein Täter davonfuhr. In einer abgelegenen Seitenstraße beförderte man den 53-Jährigen unsanft aus dem Auto und ließ ihn achtlos liegen. Das geraubte Fahrzeug wurde nach Rumänien gebracht. Es hatte einen Gebrauchswert von 220 Euro und fand nicht einmal in Rumänien einen Käufer.

Der malträtierte Wiener wurde erst mehr als drei Stunden nach der Gewalttat bemerkt. Einem Autofahrer fiel um 5.50 Uhr der Mann auf, der blutüberströmt an einem geparkten Pkw lehnte, offensichtlich Schmerzen hatte und einen verwirrten Eindruck machte. Der Schwerverletzte wurde in weiterer Folge ins Spital gebracht, wo er auf der Intensivstation behandelt wurde. Ihm waren mehrere Lendenwirbel und linksseitig fünf, rechts drei Rippen gebrochen worden. Neben Rissquetschwunden und schweren Prellungen im Gesicht-und Brustbereich trug er auch einen doppelten Kieferbruch, einen Nasenbeinbruch und einen Bruch der rechten Augenhöhle davon. Mehr als 14 Wochen war der Mann im Krankenstand, ehe er wieder seinen Beruf ausüben konnte. Bis zum heutigen Tag leidet er an Angstzuständen, Konzentrationsschwäche und motorischen Störungen.

Foto von geraubtem Auto auf Facebook

Auf die Spur der Täter kam man, nachdem einer von ihnen unter seinem Klarnamen auf Facebook ein Foto gepostet hatte, auf dem er gemeinsam mit einem Komplizen vor dem geraubten Fahrzeug posierte. Der Mann wurde nach länderübergreifenden Ermittlungen in Rumänien festgenommen. Er nannte in seiner polizeilichen Einvernahme drei Mittäter, wovon zwei ebenfalls in Rumänien dingfest gemacht wurden.

Ein Vierter wurde in Italien ausgeforscht, wo der 20-Jährige am 4. August 2017 mit internationalem Haftbefehl festgenommen wurde. Am 17. Oktober wurde er an die Wiener Justiz ausgeliefert. "Ich möchte um Verzeihung bitten. Ich fühle mich schuldig, denn ich war mit ihnen mit", erklärte er junge Mann nun einem Schwurgericht.

Einen konkreten Tatbeitrag stellte der Angeklagte in Abrede. Er habe weder vom geplanten Carjacking gewusst noch auf den Überfallenen eingeschlagen: "Ich bin in unserem Auto sitzen geblieben. Warum soll ich da mit hinein geraten? Ich habe nichts gemacht. Ich war ein Beifahrer für sie." Er sei nur deshalb nach Österreich gekommen, weil man ihm Arbeit auf einer Baustelle versprochen hätte, behauptete der klein gewachsene und ausgesprochen schmächtige Bursch.

Separates Verfahren in Rumänien

Gegenüber der Polizei hatte er unmittelbar nach seiner Überstellung nach Österreich dagegen noch Mitverantwortung übernommen. Da gab der 20-Jährige zu, zugeschlagen zu haben. Er habe sogar angenommen, dass der Mann tot war, weil er sich am Ende nicht mehr bewegte, so die damalige Darstellung des Angeklagten.

Die drei Mittäter befinden sich weiter in Rumänien in Haft, wo gegen sie ein separates Verfahren anhängig ist, weil sie auch in ihrer Heimat Raubüberfälle begangen haben sollen. Im Wiener Verfahren gegen ihren bisher unbescholtenen Landsmann sollen sie im Weg einer Videokonferenz als Zeugen aussagen. Ob und wann sie von Rumänien zwecks Strafverfolgung an Österreich ausliefert werden, wird nach der rechtskräftigen Erledigung des rumänischen Verfahrens entschieden.

19-Jährigen in Niederösterreich überfallen

Vier Tage vor dem inkriminierten Raub hatte die rumänische Bande, der zumindest sieben Männer angehört haben dürften, in Niederösterreich einem 19-Jährigen auf ähnlich brutale Weise seinen Pkw abgenommen. Am 8. Oktober 2016 hielten in den frühen Morgenstunden fünf Männer den Burschen seinem Mercedes 180 C an einer Kreuzung in Deutsch-Wagram (Bezirk Gänserndorf) an.

Die Kriminellen - der Angeklagte im Wiener Verfahren war nicht darunter, allerdings jedenfalls zwei seiner Mittäter, darunter der mit ihm verwandte mutmaßliche Boss der Gruppierung - zwangen den 19-Jährigen zunächst, mit ihnen Richtung Gerasdorf zu fahren. Nach kurzer Zeit wurde das Opfer aus dem Wagen gezerrt, niedergeschlagen und in den Kofferraum gesperrt, um schließlich auf einem Feldweg aus dem Wagen geworfen zu werden. Der Bursch, der Todesangst ausstand, irrte stundenlang durch die Finsternis, ehe er Hilfe fand.

Die Chancen stehen gut, dass dieses Faktum, das in die Zuständigkeit des Landesgerichts Korneuburg fällt, noch heuer verhandelt werden kann. Zwei Beteiligte - 29 und 22 Jahre alt - befinden sich in Rumänien wegen Raubes in Strafhaft. Sie waren laut Staatsanwaltschaft Wien auch in den Wiener Fall involviert. Gemeinsam mit einem ebenfalls inhaftierten dritten Täter, der ebenfalls in Wien dabei gewesen sein soll, dürften sie demnächst an Österreich ausgeliefert werden, womit die Verdächtigen noch heuer in Korneuburg bzw. Wien vor Gericht gestellt werden könnten.

Das Verfahren gegen den 22 Jahre alten Burschen, dem ausschließlich der Raubüberfall auf einen 53-jährigen Autofahrer in Simmering angekreidet wird, wird morgen, Donnerstag, abgeschlossen. Nachdem seine drei mutmaßlichen Komplizen im Weg einer Videokonferenz mit Rumänien als Zeugen befragt wurden, vertagte Richter Norbert Gerstberger die Verhandlung. Die Männer behaupteten im Unterschied zum Angeklagten, der Raub wäre nicht geplant gewesen. Der 53-Jährige habe sie vielmehr mit seiner Fahrweise provoziert, indem er ihnen den Vorrang nahm und den Mittelfinger zeigte. Er soll sie auch leicht touchiert haben. Nach dem Anhalten hätte man den Mann geschlagen und ihm "spontan" das Auto abgenommen.

"Es war alles eine Reaktion, weil wir genervt waren", meinte der mutmaßliche Boss der Männer - ein Cousin des Angeklagten - in seiner Videobefragung. Der 29-Jährige betonte, das Auto des Wieners hätte ihn gar nicht interessiert: "Ich hätte schon ein Auto gestohlen, das 100.000 Euro kostet. Nicht eines, das 500 Euro kostet."

Das Verfahren gegen den 20 Jahre alten Burschen, der ausschließlich den Raubüberfall in Wien zu verantworten hat, wird am Donnerstag abgeschlossen

(APA)

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