Unterwegs im ersten Bus ohne Fahrer

Elf Sitze hat der Navya-Minibus, der ab Herbst 2018 ohne Fahrer in der Seestadt Aspern auf Testfahrt gehen soll.
Elf Sitze hat der Navya-Minibus, der ab Herbst 2018 ohne Fahrer in der Seestadt Aspern auf Testfahrt gehen soll.(c) Stanislav Jenis
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Ab Herbst 2018 ist ein selbstfahrender Bus in der Seestadt Aspern im Testbetrieb unterwegs – als Shuttle, der Bewohner zur U2 bringen soll. Nun wurde das Fahrzeug präsentiert – ein erster Testbericht aus der Garage Leopoldau.

Wien. So sieht er also aus, Wiens erster Bus ohne Busfahrer. Am Mittwoch wurde das Gefährt, ein Fahrzeug des französischen Herstellers Navya, erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt – gebrandet im charakteristischen Rot der Wiener Linien. Und noch nicht im Echtbetrieb, sondern in der Garage Leopoldau der Wiener Linien. Dort wurde ein Parcours aus Bussen aufgebaut, zwischen denen der Minibus sich durchschlängeln konnte.

Das Fahrgefühl

Die erste Assoziation liegt irgendwo zwischen Böhmischem Prater (der Bus gibt vor dem Wegfahren und wenn ein Hindernis ihn blockiert ein Klingeln wie ein Ringelspiel ab) und Seilbahngondel (die Sitze sind an drei Seiten platziert und in die Mitte ausgerichtet). Der Elektromotor bringt den 4,75 Meter langen und 2,65 Meter hohen Minibus ruckelfrei zum Laufen – die Geschwindigkeit bleibt dabei so moderat, dass man nie auf die Idee kommt, die Sicherheitsgurte an Bord tatsächlich anzulegen – 20 km/h sind erlaubt, im Testbetrieb in Leopoldau sind es derzeit gerade einmal zehn bis zwölf km/h. Aber Sitzen ist Pflicht, Stehplätze sind in dem elf Personen fassenden Gefährt nicht vorgesehen.

Dabei ist auch ein sogenannter Operator – das ist im Bus ohne Fahrer der, nun ja, Aufpasser. Er achtet in der Testphase darauf, dass bei der Abfertigung der Passagiere alles klappt, und kann eingreifen, wenn es Schwierigkeiten gibt. Das muss auch so sein – gesetzlich ist das in Österreich noch gar nicht anders möglich.

Die Sicherheit

Ein Zusammenstoß mit einem Bus ist unangenehm, auch wenn er nur sehr langsam unterwegs ist. Damit das gar nicht erst passiert, ist der Bus mit Sensoren ausgestattet, die Hindernisse erkennen und stehen bleiben. Ein Mensch, der dem Bus zu nahe kommt, bringt ihn zum Anhalten – den Bus, nicht den Menschen. Wie sensibel die Erkennung von Hindernissen sein soll, wird der Testbetrieb zeigen. Ob also etwa eine auf die Straße geworfene Bananenschale zum unüberwindbaren Hindernis wird, oder ob der Bus über sie fährt.

Ausweichen kann der Bus dem Hindernis beim derzeitigen technischen Stand übrigens nicht. Denn er fährt eine fix programmierte Strecke – zunächst wird der Bus dazu händisch genau über den Kurs geführt (gesteuert übrigens mit dem Controller der X-Box-Spielkonsole). Die Daten werden dann aufbereitet und in den Rechner des Busses gespeist. Und nur diese Strecke kann er fahren – laut Hersteller darf sie derzeit nicht länger als drei Kilometer sein.

Die Zukunft

Beim ersten Einsatz abseits der Garage wird der Minibus (zwei davon werden in Betrieb gehen) eine Strecke von etwa zwei Kilometern rund um die U2-Station Seestadt in Aspern befahren. Ab Herbst 2018 sollen die Busse dort unterwegs sein. Passagiere werden aber erst ab Frühjahr 2019 mitfahren können. Gedacht ist ein Betrieb als Shuttle, der die Menschen zur U2 bringen soll. Dabei soll es einen Fahrplan geben sowie auch Haltestellen. Eine Linienbezeichnung wird der Bus aber nicht haben – weil es kein echter Betrieb im Rahmen der Wiener Linien ist, sondern ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology, dem Kuratorium für Verkehrssicherheit, TÜV Austria, Siemens und Navya, gefördert vom Infrastrukturministerium. Das bedeutet auch, dass die Fahrten nicht kommerziell verwertet werden dürfen – wer mitfahren will, braucht keinen Fahrschein.

Das Projekt soll bis Sommer 2020 laufen. Bis dahin will man herausgefunden haben, wie der Bus technisch mit der Situation zurechtkommt, wie es aussieht, wenn es Gegenverkehr oder unaufmerksame Passanten gibt und nicht zuletzt auch, wie die Menschen mit dem fahrerlosen Vehikel zurechtkommen. Dazu sind Informationsveranstaltungen in Aspern geplant. Am Ende soll klar sein, ob sich der Bus für den Dienst als Shuttle eignet oder sich andere Nutzungen anbieten – etwa als Ersatz für die Anrufsammeltaxis (Astax), die in weniger frequentierten Gegenden bei Bedarf bestellt werden können. Dass die gesamte Busflotte der Wiener Linien einmal fahrerlos unterwegs sein könnte, ist derzeit in weiter Ferne. Wenn auch klar ist, dass selbstfahrende Fahrzeuge sukzessive wichtiger werden – ab 2024 etwa die fahrerlose U5. Und auch bei den Straßenbahnen, sagt Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer, gebe es schon Projekte. Aber die seien noch ein Geheimnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2018)

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