Drei Räume für 100 Jahre

Die Festreden wurden auf dem Heldenplatz übertragen.
Die Festreden wurden auf dem Heldenplatz übertragen.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Am Samstag wurde das Haus der Geschichte feierlich eröffnet.

Es war von einem Laboratorium die Rede, einem Fundament, teilweise sogar von einem gewissen Kompromiss, als am Samstag das neue Haus der Geschichte Österreich (HDGÖ) feierlich eröffnet wurde. Denn irgendwie fehlt noch das namensgebende Haus des Museums, das derzeit in drei Räumen der Nationalbibliothek in der Hofburg untergebracht ist. Dass es offenbar mehr um Inhalte geht, darum, über die Geschichte der dieser Tage 100 Jahre feiernden Republik nachzudenken, zu diskutieren und mehr Fragen zu stellen, als Antworten zu geben, darüber waren sich die Redner einig. Und, dass es sich um kein Haus „für uns“, also die Vertreter der Wissenschaft, Forschung und Kunst, handle, sondern für die ganze Gesellschaft.

Ab elf Uhr war das neue Museum für die Öffentlichkeit bei freiem Eintritt zugänglich (und ist es noch bis Montag). Recht rasch bildeten sich Schlangen auf der Rampe zur Nationalbibliothek, immerhin hat nur eine gewisse Menge an Besuchern gleichzeitig Platz. Parallel dazu fand ein Festakt im Camineum der Nationalbibliothek statt, der auf einer Bühne auf dem Heldenplatz übertragen wurde (auf der anschließend u. a. Ernst Molden und Sibylle Kefer, Mieze Medusa und Kreisky auftraten).

Moderatorin Ingrid Thurnher verlas Grußworte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der aufgrund seiner Teilnahme an den Gedenkfeiern zum Ende des Ersten Weltkriegs in Paris nicht anwesend sein konnte. Er erinnerte daran, dass die Eröffnung die Einlösung eines Versprechens bedeute, das seit Jahrzehnten in fast allen Regierungsprogrammen enthalten war. Kulturminister Gernot Blümel spannte den Bogen weiter: Die Überlegungen für ein zeitgeschichtliches Museum gehen bis ins Jahr 1919 zurück. „Damals wurde eine Geschichtskammer diskutiert.“ Er bekräftigte, dass das Budget für 2019 und darüber hinaus gesichert sei.

Bundespräsident a. D. Heinz Fischer bekam viel Applaus für das Statement, dass er den Namen Haus der Geschichte (statt des ebenfalls diskutierten „Haus der Republik“) bevorzuge.

Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, nannte das HDGÖ eine Institution, „die sich demokratische Bewusstseinsbildung auf die Fahnen geschrieben hat“. Direktorin Monika Sommer, die besonders langen Applaus erhielt, dankte Blümel und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für ihr klares Bekenntnis zum weiteren Ausbau des HDGÖ. „In Rekordzeit haben wir ein solides Fundament dafür gelegt. Österreich hat jetzt einen Ort, an dem seine jüngste Geschichte zu Hause ist.“

Die Festrede des Neurobiologen und Nobelpreisträgers Eric Kandel wurde aufgrund einer kurzfristigen Erkrankung Kandels vom Historiker Oliver Rathkolb verlesen. Kandel, der als Zehnjähriger mit seiner Familie emigrieren musste, sprach in Anlehnung an Hugo Bettauers Roman „Die Stadt ohne Juden“ über „Austria: A Country without Jews“. Er sei enttäuscht darüber, dass sich Österreich (im Gegensatz zu Deutschland) in seiner Nachkriegspolitik nicht darum kümmerte, vertriebene Juden zur Rückkehr einzuladen, sondern ihnen das Heimkommen schwermachte. Er könne sich noch gut daran erinnern, als er als Achtjähriger die „Anschluss“-Rede Adolf Hitlers auf dem Heldenplatz hörte. Auch deshalb sei es ihm ein Anliegen, dass der berühmte Balkon in die Ausstellung integriert werde. „Ich erinnere mich lebendig daran, wie mein Vater dazu gezwungen wurde, die Straße vor seinem Geschäft mit einer Zahnbürste zu waschen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2018)

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