Mordprozess: Die Chronik eines angekündigten Todes

Der Iraker K. (40) versuchte in Österreich Asyl zu erhalten – nun musste er sich wegen Mordes vor Gericht verantworten.
Der Iraker K. (40) versuchte in Österreich Asyl zu erhalten – nun musste er sich wegen Mordes vor Gericht verantworten.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Der Fall fügt sich in die Serie der Frauenmorde: Ein 40-Jähriger erstach seine Freundin. Dem Täter war zuvor Asyl verweigert worden. Er kehrte aber nicht in den Irak zurück – und „sammelte“ in Österreich Vorstrafen.

Wien. Das traurige Geschehen wirkt wie eine unabwendbare Chronologie: Ein 40-jähriger Iraker, den die Asylbehörden nicht in sein Heimatland abschieben konnten, wurde in Österreich dreimal rechtskräftig verurteilt. Zu einer Zeit, zu der K. eigentlich in Haft sein sollte, erstach dieser in Wien seine 50-jährige irakische Freundin, eine siebenfache Mutter. Dafür bekam er nun „Lebenslang“.

Mit düsterem Unterton hält am Dienstag Staatsanwältin Julia Koffler-Pock im Grauen Haus ihren Eröffnungsvortrag und erinnert dabei an eine blutige Serie: Seit Jahresbeginn wurden in Österreich bereits zehn Frauen ermordet. Die Anklägerin: „Wieder einmal wollte sich die Frau trennen. Wieder einmal hat der Mann zum Messer gegriffen. Wieder einmal wurde die Frau brutal hingerichtet.“

Typische Beziehungstat

Der Fall, der nun ein Geschworenengericht befasst, hat sich am 8. September des Vorjahres zugetragen. Der Iraker K. tötete seine Freundin in deren Wohnung in Wien-Leopoldstadt. Es handelte sich also – ganz so wie bei der jüngsten Mordserie – um eine typische Beziehungstat. Und noch etwas zeigt der Fall geradezu exemplarisch – die Ohnmacht der Behörden im Umgang mit Personen, die einerseits nicht abgeschoben werden können und andererseits wiederholt, quasi vor aller Augen, straffällig werden.

Die eingangs angesprochene Chronologie sah im Fall von K. so aus: 2004 war K. mit seinen Eltern nach Österreich gekommen. Er stellte einen Asylantrag. Der wurde 2005 abgewiesen. Doch die Asylbehörde stellte fest, dass eine Abschiebung menschenrechtswidrig sei. K. erhielt ein bis 2011 befristetes Aufenthaltsrecht. Bereits 2010 wurde der von Schwarzarbeiten lebende Mann, der nach eigenen Angaben seit Jahren wöchentlich zehn Gramm Cannabis konsumiert, wegen versuchter schwerer Erpressung zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.

Nach Haftverbüßung verlor er seinen subsidiären Schutz. Und wurde ausgewiesen. Wo sich K. bis 2014 aufhielt, ist nicht lückenlos belegt. Feststeht, dass er im August 2014 beim Bundesamt für Asylwesen einen neuen Asylantrag einbrachte und dabei erklärte, er sei gar nicht in den Irak gefahren. Denn er fürchte dort um sein Leben. Außerdem sei er depressiv. Der Asylantrag wurde abgewiesen.

Im April 2016 wurde K. (nach seinem Einkommen befragt, gibt er „300 Euro Sozialhilfe“ an) wegen Schlepperei zu einem Jahr teilbedingter Haft verurteilt. Im Mai 2017 wurde ihm erneut auch das Aufenthaltsrecht entzogen. Diesen Bescheid bekämpfte er beim Bundesverwaltungsgericht. Dieser erkannte der Beschwerde des Irakers aufschiebende Wirkung zu.

Drei Monate später wurde K. erneut strafgerichtlich verurteilt. Er bekam wegen schwerer Körperverletzung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und Sachbeschädigung neun Monate Haft. Dagegen berief er. Ohne Erfolg. Absitzen wollte er die Haft trotzdem nicht: Er habe Panikattacken, sei daher nicht vollzugstauglich. Der Antrag auf Strafaufschub wurde abgewiesen. Einsitzen wollte K. immer noch nicht. Sein Anwalt brachte Beschwerde gegen die Aufforderung zum Haftantritt ein. Die wurde abgewiesen. Dann tauchte K. unter – er zog unangemeldet in die Wohnung des späteren Opfers.

Was er den Geschworenen erzählt, darf wohl als eher spezielle Version betrachtet werden: Nachdem er am Tattag zum Frühstück drei kleine Wodka-Fläschchen getrunken habe (nein, betrunken war er abends, als die Tat geschah, nicht mehr), sei er vor dem offenen Fenster in der Wohnung seiner Freundin gestanden. Und dann: „Sie hat versucht, mich aus dem Fenster zu stoßen.“ Danach sei sie mit einem Küchenmesser auf ihn losgegangen. Und danach habe er das Messer zu fassen bekommen. „Dann war ich blind. Alles war schwarz.“

An das Zustechen in Hals und Brust will sich K. nicht erinnern. Ein Nachbar schon. Die Wohnungstür war offen, als der 40-Jährige auf die Frau einstach. Das Opfer schrie: „Rettet mich, er will mich abschlachten.“ Staatsanwältin: „Genau das hat er getan.“

„Eine sehr, sehr gute Frau“

Wie erwähnt: Die Attacke kam nicht aus heiterem Himmel. Ein paar Tage zuvor war die Frau zu einem Nachbarn geflüchtet, weil K. ihr mit einem Küchenmesser nachlief. Nun sagt K.: „Sie war eine sehr, sehr gute Frau.“ Allerdings habe er sich einmal veranlasst gesehen der 50-Jährigen folgendes mitzuteilen: „Wenn Du nicht Sex haben willst, werde ich Dich umbringen.“ Die Tat gibt K. zu. Doch: „Ich wollte sie nicht umbringen.“

Den Geschworenen erklärt der Iraker: „Ich habe schon verschiedene Frauen geliebt – österreichische, deutsche, italienische, bisher ist alles gut gegangen.“ Danach wird das vorerst letzte Kapitel der Chronologie geschrieben. K. erhält lebenslange Haft. Er will Rechtsmittel einbringen. Sein Schlusssatz: „Die Strafe ist zu hoch.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2019)

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