Ballettakademie: "Erfolglos sein ist auch eine Form von Leiden"

Archivbild: Ballett in der Wiener Staatsoper
Archivbild: Ballett in der Wiener StaatsoperAPA
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In der ORF-Sendung „Im Zentrum“  zu den Vorwürfen von Demütigung in der Ballettakademie der Staatsoper brach Tennistrainer Günter Bresnik eine Lanze für den Drill. Ballerina Karina Sarkissova ebenso. Der Rest sah das anders.

Die Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper, die Gewalt und Demütigung der Schüler umfassen, wurden Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum" diskutiert. Die Runde bei Moderatorin Claudia Reiterer war sich zwar grundsätzlich einig, dass man Kinder behutsam behandeln müsse. Ein Teil warnte aber auch vor blinder Realitätsferne.

So etwa Günter Bresnik. "Für mich ist das Wort 'Drill' nicht negativ besetzt", meinte der langjährige Trainer von Tennisprofi Dominik Thiem. Er sieht diesbezüglich vielmehr "eine Notwendigkeit in allen Bereichen, wenn ich Außergewöhnliches leisten möchte". Dennoch dürfe man nicht übers Ziel hinausschießen. Aber: "Erfolglos sein ist auch eine Form von Leiden." Spitzensport sei grundsätzlich nicht einfach, man müsse auch an den Druck gewöhnt werden - "aber langsam und schrittweise".

"Ballett ist ein sehr körperfeindlicher Beruf"

Sehr ähnlich sah das Ballerina Karina Sarkissova, der die aktuellen Vorwürfe gegen die Ballettakademie zu stark aufgebauscht werden. "Es muss einem bewusst sein, was das für ein Beruf ist. Das Wichtigste ist, dass die Eltern das Kind davor aufklären, dass es nicht nur das hübsche Tanzen im Tutu ist. Ballett ist ein sehr körperfeindlicher Beruf." Sie selbst sei als junges Mädchen von Russland nach Österreich gekommen, habe kein Wort Deutsch gesprochen und sich dennoch durchgesetzt. Tanz auf diesem Niveau verlange einfach "Druck und Disziplin". Ähnlich haben sich auch die Ersten Solisten des Staatsopernballetts Ketevan Papava und Roman Lazik gegenüber der „Presse“ geäußert.

"Demütigung fördert keine Leistung", stellte demgegenüber etwa Olympiasieger Felix Gottwald klar. Der frühere Nordische Kombinierer meinte hinsichtlich intensiver Trainings, die für Spitzenleistungen notwendig seien: "Idealerweise macht man es aus eigenem Antrieb heraus." Talent spiele im Vergleich zum Umfeld keine Rolle: "Wenn das Umfeld genährt und gebettet ist in Respekt und Wertschätzung, man sich auf Augenhöhe begegnet, mit Würde den Weg gemeinsam geht, dann ist man leidensfähig." Gerade Kinder dürfe man nicht "in gut oder schlecht" einteilen. "Die soziale Kompetenz sollte eigentlich der höchste Fokus in jeder Trainerausbildung sein."

"Verpflichtende Ballettpädagogik"

Das Stichwort Ausbildung war auch für Jolantha Seyfried, ehemalige Leiterin der Ballettschule, zentral. "Es muss eine verpflichtende Ballettpädagogenausbildung aufgebaut werden", appellierte sie an die Politik. Ein Kind müsse sich dem Lehrpersonal anvertrauen können. Sie selbst sei beim Versuch, die Strukturen in der Schule zu ändern, gescheitert: "Weil ich kein Gehör gefunden habe." Letztlich plädierte sie für ein Loslösen der Ballettakademie von der Staatsoper. "Die Interessen passen nicht zusammen."

Überrascht vom Ausmaß der Vorwürfe, die nach Recherchen der Wochenzeitung "Falter" bekannt geworden sind und neben Gewalt und Drill sowie dem Propagieren eines ungesunden Körperbilds auch einen möglichen sexuellen Übergriff umfassen, war Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. "Es ist wichtig, dass überall, wo Menschen mit Kindern arbeiten, ein Kinderschutz betrieben wird", forderte sie. Es brauche neue Strukturen, Institutionen müssten sich dezidiert gegen Gewalt an Kindern aussprechen. "Leider hat es in diesem Fall - wie in vielen Fällen - ein Beispiel geben müssen, damit sich etwas ändert. Und ich erwarte mir jetzt auch Änderungen."

(APA/red.)

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