Polizeivideo: Rufe nach Aufklärung

Screenshot/Twitter
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Ein Video zeigt mutmaßliche Polizeigewalt gegen einen Klimaaktivisten. Die Polizei prüft den Einsatz. Die Politik drängt auf rasche, unabhängige Klärung und Konsequenzen.

Wien. Ein Video, das mutmaßliche Polizeigewalt gegen einen Klimaaktivisten in Wien zeigt, sorgt für Wirbel – auch bei Noch-Innenminister Eckart Ratz: „Ich erwarte mir eine lückenlose und umfassende Aufklärung", sagte er am Sonntagnachmittag. Er habe von Wiens Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl eine Untersuchung und vollste Transparenz eingefordert.

Zu dem Vorfall war es rund um eine Aktion von etwa hundert Klimaaktivisten gekommen, die am Freitagnachmittag den Ring bei der Aspernbrückengasse blockiert hatten. Das Video, das am Samstag per Twitter verbreitet wurde, zeigt einen Mann, der zunächst von drei, dann von fünf Polizisten in Bauchlage auf dem Boden fixiert wird. Ein Beamter versetzt ihm von hinten anscheinend mehrere Faustschläge gegen Oberkörper und Kopf, wobei das genaue Geschehen teilweise durch andere Polizisten verdeckt ist.

Die Polizei kündigte eine Prüfung des Einsatzes an. Inzwischen hat das Referat für besondere Ermittlungen der Polizei die beteiligten Beamten ausgeforscht. Zudem wurde laut einem Sprecher ein erster Anlassbericht an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

In den kommenden Tagen sollen die Zeugen des Vorfalls, das Opfer sowie die beteiligten Polizisten vom Referat für besondere Ermittlungen einvernommen werden, heißt es von der Polizei. Das Videomaterial, das die Polizei bei der Aktion angefertigt hat, muss noch ausgewertet werden. Kontrolliert werde auch die Festnahmemeldung, in der alle ergriffenen Zwangsmittel gemeldet werden müssen.

Laut Polizei könne die Staatsanwaltschaft danach weitere Ermittlungsaufträge erteilen. Die Staatsanwaltschaft werde dann „aufgrund aller Fakten" entscheiden, ob die Maßnahmen verhältnismäßig waren oder nicht und ob Anklage erhoben wird.

Der Aktivist soll sich laut Polizei an der Sitzblockade beteiligt und sich durch Fußtritte dagegen gewehrt haben, von den Polizisten weggetragen zu werden. Daraufhin wurde er festgenommen und auf dem Boden fixiert, wo es dann zu den dokumentierten Szenen kam.

Neos, Grüne und die Liste Jetzt pochten am Sonntag auf unabhängige Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft und die umgehende Suspendierung des Polizisten, der mutmaßlich zugeschlagen hat, bis der Fall geklärt ist.

Zudem kündigen die Neos eine parlamentarische Anfrage an, in der es um die ersten Schritte von Polizei und Justiz in den Stunden seit Bekanntwerden des Videos gehen soll. „Was Ermittlungen gegen Übergriffe der Polizei angeht, liegt in Österreich schon lange vieles im Argen", sagt die pinke Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper.

Die grüne Demokratiesprecherin, Ewa Dziedzic, hat im Bundesrat eine Anfrage zu dem Vorfall verfasst und fordert eine neue, unabhängige Stelle, an die sich Personen wenden können, die von Polizeigewalt betroffen sind. Peter Pilz (Jetzt) appellierte an Ratz' Nachfolger – wie am Sonntag bekannt wurde, Wolfgang Peschorn. „Wir messen ihn an seiner ersten Tat: Die Prügelpolizisten müssen sofort die Uniform ausziehen."

Mehr Vorwürfe von Aktivisten

Von den Organisatoren der Aktion „Ende Geländewagen", die einen radikalen Wandel des Mobilitätssystems forderte, kommen in der Zwischenzeit weitere Vorwürfe: Demnach habe die Einsatzleitung der Polizei schon zu Beginn der Aktion am Freitagnachmittag mit Gewaltanwendung gedroht.

Während der Räumung seien einige Beamte dann mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgegangen. Ein Aktivist habe eine Platzwunde erlitten, als er „von sechs Beamten zu Boden gerissen und fixiert wurde. Dabei schlug der Kopf hart auf dem Asphalt auf."

Bei der Aktion hatten sich zwei Personen von der Aspernbrücke abgeseilt, zwei weitere hingen auf dreibeinigen Türmen über der Straße. Laut Polizei, mit rund 200 Beamten im Einsatz, habe sich die Mehrzahl der rund 100 Demonstranten nicht kooperativ gezeigt und nicht an Identitätsfeststellungen mitgewirkt, weshalb fast alle vorläufig festgenommen wurden. Drei bis vier Aktivisten hätten Widerstand geleistet. (APA/red.)

Auf einen Blick

Am Freitag blockierten rund hundert Klimaaktivisten den Ring bei der Aspernbrücke und forderten einen Wandel des Mobilitätssystems. Zwei seilten sich von der Brücke ab, zwei weitere hingen an dreibeinigen Türmen auf der Straße. Die Aktion führte zu einem längeren Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr. Im Zuge dessen kam es zu der Aktion eines Polizisten, die auf Video aufgenommen und per Twitter verbreitet wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2019)

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