Wie der Iran den Frust der Atomwächter anreichert

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IAEO GOUVERNEURSRAT: AMANOAPA/ROLAND SCHLAGER
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Der neue Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde zu Irans Nuklearprogramm drückt enorme Enttäuschung über Teherans Hinhaltepolitik aus und den starken Verdacht, Iran vertusche Atomwaffenexperimente.

Wien/Teheran. Der Tenor des neuesten Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Wien, der in der Nacht auf Freitag vertraulich an die Mitgliedstaaten verteilt wurde und natürlich sofort durchsickerte, lässt sich in drei Sätze packen: Teheran baut trotz Einsprüchen des UN-Sicherheitsrats seine Urananreicherung weiter aus; in einer Forschungsanlage werden vermutlich Spuren von Atomwaffenexperimenten verwischt; und mit dem Iran zu verhandeln ist sowieso sinnlos.

Der Bericht kommt zu einem Zeitpunkt, da Israel immer klarer mit Krieg gegen den Iran droht; bereits zu Jahresbeginn hatten sich die Andeutungen verdichtet, Jerusalem werde im Herbst, jedenfalls aber noch vor den Wahlen in den USA, zuschlagen, sollte sich der Iran hinsichtlich seines umstrittenen Atomprogramms nicht kooperativ geben, sprich: Die Urananreicherung, wie seit nunmehr fast zehn Jahren von IAEA und UN gefordert, suspendieren und durch Inspektionen den Verdacht ausräumen, dass man im Tarnmantel eines zivilen Nuklearprojekts an der Bombe baue.

In Kürze genug Bombenmaterial

Doch dann geht aus dem Bericht hervor, dass in der Anreicherungsfabrik von Fordo nahe Teheran, sie ging 2011 ans Netz, die Zahl der Zentrifugen seit Mai auf mehr als 2100 verdoppelt wurde. Davon ist nur ein Teil aktiv, aber damit seien schon rund 66 Kilogramm Uran auf einen 20-prozentigen Anteil an spaltbarem U-235 angereichert worden. Rechnet man den Output der Anlage Natanz hinzu, habe der Iran 189 Kilogramm Uran dieser Qualität; von 20 Prozent aber lässt sich der Stoff rasch auf die mindestens 90 Prozent U-235 anreichern, die für Atomwaffen nötig sind – laut französischen Experten dürfte der Iran damit in wenigen Monaten endlich genug Grundmaterial für eine erste Bombe haben.

Heikler noch sind die Vorwürfe der IAEA wegen der Militärbasis Parchin: Dort werde, wie Satellitenfotos zeigten, seit Monaten versucht, durch Umbauten und Erdarbeiten, durch Fluten mit Flüssigkeiten und Abrisse etwas zu vertuschen – man wisse aber ziemlich sicher, dass es dort eine Stahlkammer für Tests mit Zündsystemen für Atomwaffen gebe, zuletzt sei sie mit Planen verdeckt worden, um der Aufklärung zu entgehen.

Man habe seit Ende 2011 und mit dem Mandat des Sicherheitsrats versehen versucht, Parchin zu besuchen, doch seien alle Gespräche dazu mit Teheran gescheitert, die Versuche, die brisantesten Fragen zu klären, fruchtlos geblieben. Es sei weiter nicht auszuschließen, dass Iran an Kernwaffen arbeite.

„Psychologische Kriegsführung“

Dieser wies den Bericht als „politisch motiviert“ zurück. Der Abgeordnete Kazem Jalali, Mitglied des sicherheitspolitischen Ausschusses im Parlament, sprach von „psychologischer Kriegsführung“. Außenminister Ali Akbar Salehi sagte, die Aussagen zu Parchin seien haltlos, ein Stützpunkt lasse sich nicht einfach „säubern“. Die Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Guido Westerwelle und Laurent Fabius, verlangten vom Iran „Klarheit“ und stellten noch härtere Sanktionen in den Raum.

Israels Premier Benjamin Netanjahu will den Iran vor der Vollversammlung der UNO Ende September als „größte Gefahr für den Weltfrieden“ brandmarken. US-Generalstabschef Martin Dempsey warnte die Israelis am Freitag vor einem militärischen Alleingang.

Hintergrund

Der Iran hat seit den 1980ern heimlich ein A-Programm hochgezogen, das aber 2002 aufflog. Vordergründig ist es zivil, es gibt aber massive Hinweise, dass der Iran zumindest an einen Punkt gelangen will, von wo aus er bei Bedarf rasch Atomwaffen bauen kann. Teheran dementiert das, da der Islam Atomwaffen verbiete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2012)

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