Frankreich und die EU-Kommission warnen die türkische Führung vor negativen Folgen. Die EU-Verhandlungen mit der Türkei sind de facto seit 2010 eingefroren.
Brüssel/Wien/Ag./Wb. Das brutale Vorgehen der türkischen Polizei gegen Demonstranten und die unnachgiebige Haltung der türkischen Führung droht die Bemühungen um einen Neustart der EU-Beitrittsverhandlungen zunichtezumachen. Frankreich, das zuletzt am deutlichsten für eine Fortsetzung der Gespräche eingetreten war, zeigt sich zunehmend irritiert. Aber auch Deutschland und die EU-Kommission signalisieren Bedenken. Diplomaten in Brüssel warnen davor, dass die Politik der harten Hand von Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan der Türkei auf ihrem Weg nach Europa nicht weiterhelfen werde.
„Keine Demokratie kann auf Repression gegen eine Bevölkerung, die ihre Wünsche auf der Straße äußert, aufgebaut werden“, sagte Frankreichs Europaminister Thierry Repentin. Er erinnerte daran, dass seine Regierung erst zuletzt eine „Geste“ gesetzt habe, indem sie sich für eine Wiederaufnahme der EU-Verhandlungen eingesetzt habe. „Das sollte nicht einseitig bleiben.“
EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, der sich zuletzt dafür ausgesprochen hatte, im Juni ein neues Verhandlungskapitel zu eröffnen, wies offen auf einen Zusammenhang zwischen den jüngsten Ereignissen in der Türkei und der Dynamik in den Beitrittsverhandlungen hin: „Der Neustart des EU-Annäherungsprozesses und die Unterstützung von Demokratie und Grundrechten sind zwei Seiten derselben Medaille.“
Die EU-Verhandlungen mit der Türkei sind de facto seit 2010 eingefroren. Damals war das 13. von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet worden. Im Februar sprach sich Frankreichs Präsident François Hollande für eine Wiederaufnahme der von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy blockierten Verhandlungen aus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)