Analyse zu Golan: Es war einmal eine Außenpolitik ...

Golan Aussenpolitik
Golan Aussenpolitik(c) REUTERS (AMMAR AWAD)
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Verteidigungsminister Klug will den Abzug der Blauhelme von den syrischen Golanhöhen in nur vier Wochen durchpeitschen und ignoriert die Bitten der UNO, länger zu bleiben. Spindelegger hat sich ausgeklinkt.

Wien/New York. Die internationale Gemeinschaft bittet und drängt Österreich, wenigstens noch ein bisschen länger auf den syrischen Golanhöhen auszuharren. Doch Gerald Klug bleibt dabei. In zwei bis vier Wochen soll der Abzug der österreichischen Soldaten abgeschlossen sein, bekräftigte der Sprecher des Verteidigungsministers am Freitag auf Anfrage der „Presse“. Das Außenamt hat sich ausgeklinkt. Der Zeitplan für die Rückkehr der Blauhelme sei allein Klugs Angelegenheit, erklärte ein Diplomat fast schon resignierend.

Noch will die UNO um den Einsatz kämpfen. Die Präsenz am Golan sei essenziell, sagte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, nachdem ihn die Hiobsbotschaft aus Wien erreicht hat. Er werde mit den Mitgliedstaaten in Kontakt treten, um neue Truppen zu finden. Es sei dringend, erklärte der Südkoreaner. Am Freitag trat deshalb der Sicherheitsrat zusammen, eilig einberufen von Großbritannien.

Putin bietet an einzuspringen

Doch der Fall ist fast aussichtslos. Die Offerte des russischen Präsidenten Wladimir Putin, für die Österreicher am Golan einzuspringen, ist vermutlich nur als raffinierte Finte ernst zu nehmen. Russland ist seit Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs der engste Verbündete des Assad-Regimes im Sicherheitsrat. Soll es nun tatsächlich Soldaten nach Syrien schicken?

Nach 39 Jahren steht die Friedensmission der Vereinten Nationen an der Front zwischen Israel und Syrien vor dem Zusammenbruch. Österreich habe seit 1974 das Rückgrat am Golan gebildet, bekannte ein Mitarbeiter Ban Ki-moons freimütig ein. Mit knapp 380 Soldaten stellt das Bundesheer etwas mehr als ein Drittel der UN-Truppe. Das zweitgrößte Kontingent bilden mit rund 350 Mann die Philippinen, die jedoch nach zwei mehrtägigen Entführungen selbst einen Rückzug erwägen. Fix zu rechnen ist derzeit nur mit den Indern, die den Kommandanten und etwa 190 Soldaten stellen. Die 95 Kroaten der Undof-Truppe machten sich schon im März aus dem Staub; nachdem kroatische Waffenlieferungen an syrische Rebellen ruchbar geworden waren.

Beamte im Außen- und Verteidigungsamt beklagten sich damals bitter über den überstürzten Abzug der Kroaten. Jetzt handeln die Österreicher genauso unsolidarisch.

In vier Wochen lässt sich kein Ersatz organisieren. Es war schon mühsam genug, Lückenbüßer für die Kroaten zu finden. Doch eingetroffen ist das kleine Entsatzheer aus der Militärdiktatur der Fidschi-Inseln bis heute nicht am Golan. Geplant war sein Eintreffen für Juni, jetzt wird der Juli ins Auge gefasst. Die UNO hofft, dass die österreichischen Blauhelme zumindest so lange bleiben, bis die Kameraden aus dem Südpazifik Quartier in Syrien bezogen haben. „Es soll noch Gespräche mit Österreich über den Zeitrahmen des Abzugs geben“, bestätigte Josephine Guerrero aus der UN-Abteilung für friedenserhaltende Operationen gegenüber der „Presse“. Auch die USA baten Österreich um Zeit, bis Ersatz für den Golan gefunden ist.

Die internationalen Implikationen sind groß, doch die Entscheidung liegt bei Klug. Österreichs Außenpolitik hat sich aufgegeben.

Israel sprach bei „Krone“ vor

Der Golan-Einsatz war vielleicht das wichtigste außenpolitische Pfund, mit dem Österreich in der Region wuchern konnte. Das war vor zwei Wochen ersichtlich, als Österreich in der EU an vorderster Front gegen eine Aufhebung des Syrien-Waffenembargos plädierte. Gewichtigstes Argument der Republik war die Golan-Mission, die bei Waffenlieferungen gefährdet sein könnte. Man hörte Österreich zu, das zudem Israel aktiviert hatte, in Paris und London zu lobbyieren. Auch die Israelis wollten die Pufferzone an ihrer Grenze zu Syrien aufrechterhalten. Innenpolitisch spielte Israel ebenfalls eine Rolle. Der israelische Botschafter in Wien bat – auf Ersuchen des Außenamts – den Herausgeber der „Kronen Zeitung“, keine Stimmung gegen den Golan-Einsatz zu machen. Zu diesem Zeitpunkt dominierte bereits die Angst vor dem Boulevard im Wahljahr.

Enttäuscht von träger UNO

Zweimal, im vergangenen November und im März, hat die Bundesregierung den UN-Sicherheitsrat brieflich aufgefordert, den Schutz für die Golan-Soldaten zu erhöhen. Die UNO reagierte träge, ließ zu, dass syrische Rebellen und die Armee in der entmilitarisierten Zone operierten. Österreichs Diplomatie focht lange für den Einsatz am Golan. Am Donnerstag kapitulierte sie. In der Pufferzone am Golan hatten syrische Rebellen vorübergehend einen Grenzposten zu Israel erobert. Die Versorgungslinie zu den Blauhelmen war unterbrochen. Die österreichische Militärführung kam zum Schluss, es gehe nicht mehr. Der Außenminister leistete keinen Widerstand und trat das Kommando an den Verteidigungsminister ab. Die Abzugspläne lagen in der Schublade. Klug hatte nur auf den Auslöser gewartet.

Seit 1974 war Österreichs außenpolitisches Atout am Golan nicht mehr so viel wert wie zuletzt. Jetzt ist es für immer verspielt.

Auf einen Blick

Österreichs Regierung beschloss am Donnerstag nach gerade einmal zwei Stunden Bedenkzeit, das seit 1974 bestehende Engagement des Bundesheers auf den syrischen Golanhöhen zu beenden. Die österreichischen Blauhelme sollen in zwei bis vier Wochen abziehen. Die Gefährdung der Soldaten sei inakzeptabel, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2013)

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