Das Merkel-Glossar: Eine Kanzlerin von A bis Z

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Merke lGlossar Eine Kanzlerin(c) EPA (MICHAEL KAPPELER)
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Wer ist diese Frau, die sich anschickt, für weitere vier Jahre zu regieren? Sie zeigt sich in Bayreuth ebenso gerne wie im Fußballstadion. Nur nach Wolfratshausen würde sie vermutlich nicht mehr frühstücken gehen.

Alternativlos. Eines von Angela Merkels Lieblingswörtern, etwa bei der Eurorettung. Es ist die freundlichere Version von Gerhard Schröders „Basta“, läuft aber auf dasselbe hinaus. Angela locuta, causa finita. Denn wenn es angeblich keine Alternativen gibt, braucht man ja nicht weiterdiskutieren. Die Gesellschaft für Deutsche Sprache hat „alternativlos“ 2010 zum Unwort des Jahres gekürt. Wieder eine gewonnene Wahl Merkels also.

Bundespräsident, der. Person, die aus Merkels Sicht vor allem Scherereien einbringt. Horst Köhler, ihr erster, warf 2010 entnervt das Handtuch, die Kanzlerin musste Ersatz suchen. Der war in Christian Wulff rasch gefunden, ein Thronprätendent damit ins Schloss Bellevue abgeschoben. Doch Wulff musste infolge von Ermittlungen gegen ihn ebenfalls zurücktreten, was der FDP die seltene Gelegenheit gab, Merkel ihren Willen aufzuzwingen. Der lautete auf den Namen Gauck.


Christlich. Offizieller Bestandteil des Parteinamens von CDU und CSU, was heute – vom Sonderfall Bayern abgesehen – im politischen Alltag aber keine große Rolle spielt. Wenn Angela Merkel im Wahlkampf an ihren persönlichen Veggie-Day erinnerte (den Freitag im Pastorenhaushalt, in dem sie aufwuchs), fällt das in die Kategorie Humor.


Demokratie, marktkonforme. Auch ein Kandidat für das Unwort des Jahres, doch nach Recherchen der „FAZ“ hat Merkel das so nie gesagt. Und wenn, dann eigentlich das Gegenteil gemeint. Wie auch immer, als Schlagwort, mit dem die Opposition der Kanzlerin vorwerfen konnte, Märkte über Menschen zu stellen und die Demokratie an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten, eignete es sich prächtig.


Energie, mit oder ohne Wende. Jenes Thema, bei dem Merkel zeigte, wie weit ihre Flexibilität geht. Wollte Schwarz-Gelb zunächst die Laufzeiten für Atomkraftwerke eigentlich länger gestalten, als von Rot-Grün festgeschrieben, so konnte es der Kanzlerin nach Fukushima nicht schnell genug gehen. Und plötzlich war sie statt den Grünen das Gesicht des Atomausstiegs.

Festspiele, Bayreuther: Angela Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer sind seit Jahren Stammgäste auf dem Grünen Hügel, eine der raren Gelegenheiten, bei denen sich das Paar öffentlich zeigt. Es dürfte sich nicht um eine lästige Repräsentationspflicht handeln oder Markieren des bürgerlichen Milieus sein, sondern eine tatsächliche Leidenschaft für das Werk Richard Wagners, zumal Merkels die Vorstellungen gerne öfter besuchen.

Wahlwanderung
Wahlwanderung(C) DiePresse


Hinten. Entscheidend ist, was dort rauskommt. Einer von Angela Merkels legendären Sätzen. Er steht für ihre auch dem Hintergrund als Naturwissenschaftlerin zugeschriebene Angewohnheit, politische Prozesse von ihrem (gewünschten) Ergebnis her zu denken.


Jenachdemerin, die. Das Copyright für dieses Wort liegt bei der „Zeit“, der „Opportunistin“ zu unfreundlich schien für den Umstand, dass Merkel keine 180-Grad-Wende zu waghalsig ist. „Jenachdemerin“ trifft es tatsächlich besser, da es den Aspekt des Abwägens einschließt. Und um Begründungen dafür, dass die Linie vor Kurzem noch so war, jetzt aber trotzdem ganz anders sein müsse, war die Kanzlerin noch nie verlegen. Je nachdem.

Kohl, Helmut. Die erste Trophäe auf Angela Merkels Abschussliste, und gleich ihre größte. Zu Beginn als „Kohls Mädchen“ verhöhnt, zögerte sie keine Sekunde, ihn kalt abzuservieren, als der Ehrenvorsitzende für die CDU durch sein Trapisten-Schweigen in der Parteispendenaffäre untragbar geworden war. Merkel schrieb einen Brief. Aber nicht an Kohl, sondern an die „FAZ“. Kohl habe der Partei „schweren Schaden“ zugefügt, er dürfe sich nicht über Recht und Gesetz stellen, schrieb die Generalsekretärin.

Mutti. Wer genau es war, der in der Unionsfraktion diese Bezeichnung für Angela Merkel erfunden hat, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Sicher ist nur: Es war nicht wirklich nett gemeint. Für Merkel war es freilich ein Geschenk, denn eine gütige Mutti, die umsichtig über ihre Kinder – die Deutschen – wacht, eine „Kümmerin“, das ist genau das Bild, das sie transportieren will – und mit dem sie seit Jahren so erfolgreich ist.

Niederlage, die. Wort, für das Angela Merkel kaum Erfahrungswerte besitzt, und wenn überhaupt, dann in Verbindung mit dem Wort Wolfratshausen (siehe dort). Eine Niederlage ist aber mutmaßlich etwas, das zwingend den Koalitionspartnern der Kanzlerin widerfährt.


Plagiat, das. Kommt gelegentlich in Doktorarbeiten von Unionsministern vor. Angela Merkel verlor qua Plagiat zuerst ihren Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg, der für ihren Geschmack ohnehin zu oft als möglicher Nachfolger genannt worden war, und später – ausgerechnet – Bildungsministerin Annette Schavan. Das Plagiat in seiner politischen Ausprägung ist aber etwas, das Merkel selbst zur höchsten Kunstform entwickelt. Indem sie sich Themen anderer Parteien aneignet, wenn ihr dies opportun erscheint, Stichwort Atomkraft oder Wehrpflicht.


Republik, Deutsche Demokratische. Fernes Land, in dem Angela Merkel aufgewachsen ist. Versuche der Opposition, ihr aus der Mitgliedschaft in der kommunistischen Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend einen Strick zu drehen, fruchteten mangels Substanz nicht.


Schweinsteiger, Bastian. Angeblich Angela Merkels Lieblingsfußballspieler. Die Kanzlerin ist nicht nur am Grünen Hügel in Bayreuth sondern auch am grünen Rasen bei Länderspielen gern zu Gast – und hat gar nichts gegen Bilder einzuwenden, die sie als First Fan in der Kabine der Nationalelf zeigen.


Tigerente, die. Das Wappentier der soeben abgewählten schwarz-gelben Koalition. Geht auf eine so beliebte wie legendäre Figur aus den Kinderbüchern des Autors Janosch zurück und wurde 2009 von TV-Polit-Talkerin Maybritt Illner erstmals auf Schwarz-Gelb angewendet.


Wolfratshausen. Ort in Bayern, in dem man gut frühstücken kann. Beim berühmten Morgenmahl in seinem Hause zu Wolfratshausen schwatzte im Jänner 2002 CSU-Chef Edmund Stoiber der damals schon sehr ambitionierten Angela Merkel die Kanzlerkandidatur ab. Nach Stoibers Niederlage bei der folgenden Bundestagswahl lief die Kandidatur 2005 aber umso sicherer auf Merkel hinaus – die ihre Chance zu nutzen wusste.


Ziel, das. Bis heute umstritten, ob es zu Angela Merkels Wortschatz gehört. Acht Jahre sitzt sie nun im Berliner Kanzleramt, und noch immer stellen sich viele die Frage: Was will diese Frau eigentlich?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2013)

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