Ein Jahr danach: Israel leckt seine Wunden

Am 12. Juli 2006 hatte Israel den Krieg im Libanon gestartet. Premier Olmert ist seither im Umfragetief.

JERUSALEM.Ein Jahr, nachdem israelische Soldaten die ersten Kugeln abgaben, um ihre zwei von der libanesischen Hisbollah entführten Kameraden zu befreien, versuchen Israels Politiker, Armee und Zivilbevölkerung noch immer, ihre Lehren aus dem Libanon-Krieg zu ziehen. Israels hochgerüsteten Streitkräften war es in einem Monat Krieg weder gelungen, ihre gefangenen Soldaten heimzuholen, noch konnten sie den Beschuss israelischer Städte durch Hisbollah-Raketen stoppen.

So sehr dieses Desaster in Israel grundlegende Konsequenzen verlangte, so mühsam erweist sich die Umsetzung der nötigen Maßnahmen. Am Überzeugendsten sind noch die Manöver der israelischen Soldaten, die vergangene Woche erneut auf den Golanhöhen den Kampf gegen syrische oder libanesische Feinde probten. Ziel der Übung war laut einem Armeesprecher die „mentale als auch die aktive“ Vorbereitung für künftige Herausforderungen.

Die mangelnde militärische Vorbereitung der Reservisten, die vergangenen Sommer zum Einsatz kamen, sind das leichter zu behebende Problem. Als deutlich schlimmer hatten die Soldaten die Verwirrung ihrer Kommandanten empfunden, die bis zum Waffenstillstand im August 2006 kein klares Kriegsziel definiert hatten.

Mit der Ablösung des Stabschefs und mehrerer Generäle der Nordfront ist es nicht getan. Auf der Agenda der Winograd-Kommission, die die Fehler im Libanon-Krieg untersucht hatte, stehen organisatorische Reformen. Die für den Spätsommer geplante Veröffentlichung des kompletten Winograd-Berichts wird den Druck auf Premierminister Ehud Olmert verstärken, von seinem Amt endlich zurückzutreten.

Ungeachtet der scharfen Kritik gegen ihn blieb Olmert, dessen Popularitätsrate nach dem Krieg auf 20 Prozent gerutscht war, Premierminister. Die Israelis machen ihm vor allem die Verletzlichkeit der Zivilbevölkerung durch Hisbollah-Raketen zum Vorwurf.

„Auch der nächste Krieg wird mit Raketen geführt werden, die aus dem Libanon, aus Syrien, dem Iran oder den palästinensischen Gebieten abgeschossen werden“, warnte Seew Livni, General der Reserve. Abwehr-Raketen für kurze Strecken sind für Israel zu kostenintensiv. Die einzigen Abwehr-Raketen, die bislang mit relativ hohem Erfolg entwickelt wurden, sind die sogenannten „Arrow“-Raketen, die die Bedrohung aus dem Iran verringern sollen. Gleichzeitig verfügt ein Jahr nach dem Libanonkrieg noch immer fast die Hälfte der israelischen Zivilbevölkerung weder über einen Bunker noch über Gasmasken.

Israel lässt 250 Gefangene frei

Premier Olmert versucht unterdessen, an einer anderen Front Punkte zu sammeln. Um Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas im Kampf gegen die Hamas den Rücken zu stärken, sollen 250 palästinensische Gefangene freigelassen werden. Olmerts Kabinett hat diesem Vorhaben nun zugestimmt. Eine Namensliste der Freizulassenden gebe es aber noch nicht, hieß es in Regierungskreisen.

FAKTEN.

Der französische General Alain Pellegrini kommandierte von 2004 bis Februar 2007 die UN-Truppen im Libanon. In die Zeit seines Kommandos fiel Israels Krieg gegen die Hisbollah 2006.
Beim „Österreichischen Blauhelmforum“
in Graz warPellegrini einer der Vortragenden. Auf Einladung der „Vereinigung Österreichischer Peacekeeper“ diskutierten Experten über Lehren aus Missionen im Libanon, am Golan, in Afghanistan, Irak und Südosteuropa. „Die Presse“ war Kooperationspartner. [Schneider]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2007)

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