Die meisten Kurden wählten AKP

Premier Erdogan hängte im Südosten sogar kurdische Parteien ab.

ISTANBUL (keet). Das interessanteste Resultat der Wahlen am vergangenen Sonntag war das gute Abschneiden von Reçep Tayyip Erdogans AKP in den hauptsächlich von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten und Osten der Türkei. Im Südosten hat die AKP ihren Stimmenanteil gegenüber November 2002 mehr als verdoppelt. Mit 53 Prozent feierte die AKP hier ihren türkeiweit größten Triumph.

Das Resultat ist umso bemerkenswerter, als es für kurdische Wähler eine Alternative gab. Die prokurdische „Partei der demokratischen Gesellschaft“ (DTP) wollte diesmal die hohe Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament umgehen. An dieser Hürde waren prokurdische Parteien in der Vergangenheit regelmäßig gescheitert. Die DTP schickte deshalb „unabhängige“ Kandidaten ins Rennen, die Direktmandate erobern sollten.

Der Trick gelang, die DTP wird 22 Kandidaten aus dem Osten und eine Kandidatin aus Istanbul – die wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft in Untersuchungshaft sitzende Sebahat Tuncel – ins Parlament nach Ankara entsenden. Trotzdem blieb die DTP im Südosten weit hinter den Ergebnissen prokurdischer Parteien bei früheren Wahlen zurück.

Dass die dezidiert türkische Opposition aus Deniz Baykals „Republikanischer Volkspartei“ (CHP) und Devlet Bahçeli „Partei der nationalistischen Bewegung“ (MHP) in den Kurdengebieten keinen Fuß auf den Boden bekommen würde, war abzusehen. Dass die AKP aber auch die DTP weit überrundet hat, gibt zu denken.

Hoffen auf ökonomische Hilfe

Der Erfolg der AKP hat in den meist bettelarmen kurdischen Provinzen wie im ganzen Land auch ökonomische Gründe. Die AKP kann etwas verteilen, die DTP nicht. Doch man kann das Verhalten der Wähler zumindest zum Teil auch als Antwort auf die verschiedenen Ansätze zur „Lösung“ der „Kurdenfrage“ deuten. Der von der MHP und auch von der CHP geschürte türkische Nationalismus kommt im Südosten nicht gut an. Erdogan hingegen steht für die Aufhebung des Ausnahmezustandes, für demokratische Reformen, und er hat dem Drängen der Armee nach einem Einmarsch im kurdischen Nordirak widerstanden. Selbst in den Reihen der DTP hat er damit Anerkennung geerntet. Demgegenüber hat der kurdische Separatismus Früchte nur in der Welt des Traumes zu bieten.

Die Kurden haben jahrzehntelang erst mit Kriegsrecht, dann mit dem Ausnahmezustand gelebt. Die Kämpfe zwischen Armee und kurdischen Rebellen haben dazu beigetragen, dass die Region noch immer nicht den ökonomischen Anschluss an eine boomende Türkei gefunden hat. Bei einer Demonstration vor dem Parteigebäude der DTP am Sonntagabend in Dyarbak?r riefen die Leute auf Kurdisch: „Es lebe der Friede!“ Das Motto gilt sicher auch für die kurdischen AKP-Wähler. Bei den Kurden will man Brot und demokratische Rechte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2007)

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