Darf's ein Zerstörer mehr sein?

MADE IN EUROPE. Waffenexporte von Firmen in Europa übertrafen zuletzt jene der USA.

WIEN. In Wahrheit ist's peinlich: Die Aufregung, die in Österreich wegen des Kaufs der Eurofighter herrscht,sorgt im globalen Militärbusiness und bei Analysten für amüsiertes Schmunzeln. Eine pazifistische Posse wegen (nun) 15 Jets, bei denen man (angeblich aus Kostengründen) auf wichtige Systeme verzichtete, und die jetzt eh „nur“ gut 1,6 Milliarden Euro kosten. Man könnte es „Peanuts“ nennen: Immerhin bestellten die Saudis 72 Eurofighter; das kostet sie wenigstens 15 Mrd. Euro. London und Berlin nehmen gleich 232 bzw. 180 – bei wesentlich weniger Aufhebens.

Im Meer des europäischen Rüstungsgeschäfts geht das Gezeter auf der „Insel der Seligen“, das bei jedem Ankauf fürs Bundesheer ausbricht, solange es sich nicht um Gulaschkanonen handelt, jedenfalls unter: Laut EU-Industriekommissar Günther Verheugen betrug der Umsatz der Militärindustrie in der EU 2006 etwa 70 Mrd. Euro, rund 800.000 Menschen sind in Firmen beschäftigt, die Panzer, Raketen, Gewehre oder Gefechtsfeld-Überwachungssysteme herstellen.

Dabei ist die Zahl der Arbeitsplätze, die vom Militärwesen abhängen, noch größer: Kriegsgerät wird vermehrt unter Nutzung gewöhnlicher ziviler Komponenten gefertigt, deren Hersteller sich nie als Teil der Rüstungsindustrie sehen würden. Und die Kosten etwa für Uniformen, Treibstoff und Verpflegung sind in keiner Statistik übers Militär-Business enthalten.

Europas Rüstungsfirmen sind dick im Geschäft. Schlagzeilen macht der Verkauf von „Milan“-Panzerabwehrraketen des Herstellers MBDA (eine EADS-Tochter) durch Frankreich an Libyen. Wert: 168 Mio. Euro (die in den 70ern eingeführte „Milan“ ist nicht mehr taufrisch, wird aber weltweit genutzt, so in Indien, Brasilien, Kenia). Das ist billig gegen den Deal, den Spaniens Schiffbauer „Navantia“ jüngst abschloss: Australien kauft drei moderne Zerstörer der „Álvaro de Bazán“-Klasse und zwei amphibische Angriffsschiffe um 6,5 Mrd. €. Bemerkenswert: Die Spanier schlugen die Konkurrenz der US-Werft „Gibbs and Cox“.

Kleinvieh macht Mist

In Wahrheit machen aber vor allem die vielen kleinen Geschäfte Mist, von denen man nur in Fachblättern wie „Jane's Defence“ oder „Military Technology“ liest. So erfährt man, dass Deutschland Prototypen des gepanzerten Kommandofahrzeugs „Grizzly“ vom Münchner Panzerbauer „Krauss-Maffei Wegmann“ orderte; dass Belgiens Militär acht „NH 90“-Hubschrauber von Eurocopter bestellte und diese EADS-Tochter eben 20 Stück davon an Schweden lieferte; oder dass die Türkei die Beschaffung von 800 Panzerabwehrraketen öffentlich ausgeschrieben hat.

Zwar ist die US-Rüstungsindustrie die weltgrößte: 2005 stammten laut Friedensforschungsinstitut „Sipri“ in Stockholm 63% der Militärverkäufe (gut 210 Mrd. €) von 40 US-Firmen, während 32 europäische Firmen 29% des Geschäftswerts hatten. Doch bauen US-Firmen großteils für den Heimbedarf, daher liegt bisweilen die viel kleinere Militärindustrie Russlands exportmäßig auf Rang eins. Und 2003 tat sich Bedeutendes: Da übertrafen Europas Rüstungsexporte erstmals die der USA. 2001-2006 hatte Europa überhaupt weltweit die größten Exportumsätze (den innereuropäischen Handel inklusive).

Die Struktur von Europas Kriegsindustrie wandelte sich in den 90ern, vor allem durch Konzernbildung. Das war ein globaler Prozess: 1989 hatten die weltweit größten fünf Rüstungsfirmen 22% Marktanteil, jetzt 43%. „Pure“ Waffenschmieden wie Frankreichs Panzer- und Artillerie-Hersteller „GIAT“ sind selten: Das Militärgeschäft ist meist nur ein Teil des Ganzen. So kommt ein Drittel des Umsatzes des britischen Triebwerksbauers Rolls-Royce aus dem Militärsektor, drei bis fünf Prozent sind es beim deutschen Lkw-Erzeuger MAN.

Vier europäische Waffenriesen

Führend in Europa sind heute vier Konzerne, die unter den Top-10 der Welt-Rüstungsindustrie sind. 2005 lukrierte die Rüstungssparte der britischen „BAE Systems“ (100.000 Beschäftigte) 16 Mrd. Euro. BAE baut etwa die neuen britischen Atom-U-Boote der „Astute“-Klasse und macht beim Eurofighter mit. „Finmeccanica“ (Italien, 60.000 Beschäftigte, 2005 gut 7 Mrd. € Rüstungsumsatz) baut Luftfahrzeuge.

Der deutsch-französisch-spanische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS (2006 gut 117.000 Beschäftigte) erzielte 2006 ein Viertel des 40 Mrd. €-Umsatzes im Militärsektor, etwa mit Eurofighter, Eurocopter und der Luft-Luft-Rakete „Iris-T“. „Thales“ in Frankreich (einst „Thomson-CSF“) hat 70.000 Beschäftigte und machte 2005 Deals über 6,5 Mrd. €. Thales baut unter anderem „Mirage“-Jets und Fregatten und wird mit BAE die britischen Flugzeugträger der „Queen Elizabeth“-Klasse konstruieren.

Doch wie gesagt, es muss nicht immer „Großvieh“ sein. So ist die norwegische Firma „Kongsberg“ (1400 Beschäftigte) für ihre Anti-Schiff-Rakete „Penguin“ bekannt. Und die belgische „Fabrique Nationale“ in Herstal landete mit ihren Schusswaffen Volltreffer in den USA: So ist seit 1982 die FN „Minimi“ als „M 249“ das leichte Standard-MG der US-Infanterie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2007)

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