US-Rüstungsindustrie: Das große Geld mit dem Krieg

(c) AP (Mark Farmer)
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"Die Kriege und die Angst vor neuen Anschlägen sind der Motor unserer Wirtschaft". Rekordumsätze von 1000 Milliarden Dollar, 5,7 Millionen Beschäftigte.

Washington. Normalerweise sind es Zahlen, die Firmen gerne und lautstark verkünden. Doch die vier US-Gesellschaften, die vergangene Woche ihre Bilanzzahlen bekanntgaben, taten es fast verschämt. Denn Northrop Grumman, General Dynamics, Lockheed Martin und Raytheon verdienen ihr Geld in erster Linie mit dem Leiden anderer Menschen: mit den Kriegen in Irak und Afghanistan. Und an denen verdienen sie nicht schlecht.

Northrop konnte den Umsatz bei Wehr- und Informationstechnik in den ersten beiden Quartalen 2007 um 15 Prozent erhöhen; General Dynamics, Hersteller von Panzern und Militärfahrzeugen, verzeichnete bisher eine Gewinnsteigerung von 23 Prozent, Lockheed Martin (Kampfjets, Kriegsschiffe, Raketen) gar um 34 Prozent (die Firma erhöhte ihre Umsatzerwartung für 2007 auf 41,75 Milliarden Dollar).

Rekordbudget fürs Militär

Die Rüstungsindustrie in den USA blüht und gedeiht wie nicht mehr seit den eisigsten Tagen des Kalten Krieges. Nicht nur wegen der Kriege in Irak und Afghanistan, die zu führen die USA bisher 742 Milliarden Dollar gekostet hat. Sondern wegen der generellen Spendierfreudigkeit der US-Administration, wenn es um den Schutz der Heimat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und um die Unterstützung von Alliierten geht.

Die Rüstungshilfe für die US-freundlichen Länder am Persischen Golf, die Verteidigungsminister Robert Gates und Außenministerin Condoleezza Rice jetzt bekannt gaben, sprengt alle Rekorde: 60 Milliarden Dollar gehen an Israel, Ägypten, Saudiarabien und weitere Verbündete. Damit ist die US-Rüstungsindustrie auf Jahre ausgelastet. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 exportierten die Vereinigten Staaten Waffen im Wert von gerade einmal elf Milliarden Dollar, 45 Prozent des weltweiten Umsatzes mit Rüstungsmaterial.

Auch zu Hause spart man nicht. Das Verteidigungsbudget hat 2007 ein neues Rekordhoch erreicht: 533 Milliarden Dollar lassen sich die USA heuer ihr Militär kosten – fast die Hälfte der weltweiten Militärausgaben. „Rechnet man hinzu, was andere Ressorts für Sicherheit und Verteidigung ausgeben, beispielsweise das Heimatschutzministerium oder das Energieministerium, kommt man auf 987 Milliarden Dollar“, erklärt Robert Higgs, Mitarbeiter beim Think-Tank „Independent Institute“.

Fast eine Billion Dollar pro Jahr halten die amerikanische Wirtschaft am Laufen und sichern Millionen von Arbeitsplätzen. Allein das Verteidigungsministerium beschäftigt 2,1 Millionen Menschen. In Rüstungsbereich arbeiten weitere 3,6 Millionen Menschen. Insgesamt sind damit 3,8 Prozent aller Beschäftigten in den USA für die Verteidigungsindustrie tätig.

Eisenhowers Warnung

Das bedeutet enorme politische Macht. Als US-Präsident Dwight Eisenhower bei seiner Abschiedsrede 1961 vor dem Einfluss der Rüstungsindustrie warnte, wollte er ursprünglich von dem „militärisch-industriellen-parlamentarischen Komplex“ sprechen. Doch die Kongressabgeordneten protestierten, also strich Eisenhower den Zusatz „parlamentarisch“ wieder.

Dabei ist es gerade der US-Kongress, der am engsten mit der Rüstungsindustrie verflochten ist und die Militärmaschinerie am Laufen hält. Denn die Firmen haben ihre Betriebe über die ganze USA und über viele Wahlkreise verteilt. Wird bei den Militärausgaben gekürzt oder ein Forschungsprogramm eingestellt, bedeutet das Entlassungen und Arbeitslose. Kein Senator oder Mitglied des Repräsentantenhauses will zu Hause vor einer Wahl erklären müssen, warum tausende Menschen ohne Job dastehen.

Welche Folgen diese Verflechtung hat, zeigt die Entwicklung der „V-22-Osprey“, ein Flugzeug, das wie ein Hubschrauber startet und landet. Budgetiert war die Entwicklung 1986 mit zwei Mrd. Dollar. Doch das Programm uferte aus, die Kosten explodierten auf 25 Mrd. Dollar im Jahr 1988. Begleitet war die Entwicklung von einer Reihe von Problemen.

1989 wollte der damalige Verteidigungsminister und heutige US-Vizepräsident, Dick Cheney, das „Osprey“-Programm kippen. Doch im Kongress wollte man davon nichts wissen: Die Abgeordneten stellten sicher, dass es weiter ein Budget dafür gibt. Heuer im September – 21 Jahre nach dem offiziellen Startschuss für das Projekt und nach 30 Toten bei Testflügen – sollen die US Marines die Osprey endlich offiziell in den Betrieb übernehmen.

Millionenspenden für Politiker

Die Rüstungsindustrie revanchiert sich bei der Politik auf entsprechende Weise. 16,5 Millionen Dollar spendeten die Firmen 2006 für Politiker und Parteien. Zehn Millionen Dollar gingen an Republikaner, sechs Millionen an Demokraten. Die Tabakindustrie spendete gerade einmal 3,5 Millionen Dollar; aus der Ölindustrie gingen 19 Millionen Dollar an Kongressabgeordnete.

„Die Kriege und die Angst vor neuen Anschlägen sind der Motor unserer Wirtschaft“, sagt Winslow Wheeler vom „Center for Defense Information“ in Washington. Frieden könnten sich die USA gar nicht leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2007)

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