Wahlvierter könnte neuer Premier werden

SERBIA KOSOVO
SERBIA KOSOVO(c) EPA
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Kosovo: Thaçi droht Ablöse. Dialog mit Belgrad in Gefahr.

Belgrad/Pristina. Gerade einmal 9,6 Prozent haben bei der Parlamentswahl für die viertplatzierte AAK des Ex-Rebellenchefs Ramush Haradinaj gestimmt. Dennoch hat Haradinaj, der schon 2004/05 für 100 Tage die Regierungsgeschäfte führte, im Poker um das Amt des Premierministers die besten Karten: Die Oppositionsparteien LDK, Nisma und eben AAK nominierten den Bauernsohn überraschend zu ihrem gemeinsamen Anwärter auf das Amt. Das Trio kommt auf bis zu 49 der 120 Mandate. Für eine Mehrheit brauchte es noch die (zu erwartende) Unterstützung der Minderheiten (20 Mandate) oder die Duldung durch die radikale Vetevendosje („Selbstbestimmung“).

Völlig perplex von seiner drohenden Ausbootung zeigt sich der Regierungschef, Hashim Thaçi: Der Wählerwille könne nicht durch ein „verfassungswidriges“ Abkommen geändert werden, so Thaçi. Der Regierungsauftrag müsse dem Führer der größten Partei zufallen – also Thaçi, dessen PDK auf 30,71 Prozent der Stimmen kam.

In trockenen Tüchern ist der Machtwechsel noch nicht. Spekulationen, dass Washington und Brüssel ihren Einfluss spielen lassen könnten, werden durch ein nicht näher erläutertes Telefonat der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton mit Premier Thaçi genährt. EU-Offizielle in Pristina dementieren jedoch nach Kräften. Es sei an der Zeit, dass Kosovo „ohne Intervention von außen“ selbst eine Regierung bilde, heißt es.

Freispruch im Zweifel

Zugleich besteht die Befürchtung, dass ein Machtwechsel den ohnehin ins Stocken geratenen Nachbarschaftsdialog mit Belgrad erheblich kompliziert. Die Kriegsvergangenheit der früheren UÇK-Kommandeure Haradinaj und Fatmir Limaj (Nisma) dürften die von der EU forcierten Gespräche mit Belgrad erschweren. Zwar wurden beide vor dem UN-Tribunal bzw. dem Bezirksgericht in Prishtina von den ihnen zur Last gelegten Kriegsverbrechen an serbischen Zivilisten und albanischen „Kollaborateuren“ freigesprochen, allerdings nur aus Mangel an Beweisen: Mehrere Kronzeugen kamen während der Verfahren unter mysteriösen Umständen ums Leben oder zogen ihre Aussage zurück. Und dann ist da noch Vetendosje: Die Partei, die zum Zünglein an der Waage werden könnte, fordert die sofortige Aussetzung der Gespräche mit Belgrad. (ros)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2014)

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