Schweiz: Blocher-Partei in Regierung

(c) Reuters (Stephan Wermuth)
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Das Parlament wählt den SVP-Mann Ueli Maurer in den Bundesrat. Maurer gilt als Kopie des vor einem Jahr vom Parlament abgewählten Bundesrats und Volkstribuns Christoph Blocher.

BERN. Das Schweizer Regierungssystem ist gerettet. Das Parlament in Bern wählte Ueli Maurer, den offiziellen Kandidaten der rechtsbürgerlichen SVP, am Mittwoch in den Bundesrat (Regierung). Damit ist die Blocher-Partei als stärkste politische Kraft nach einem Jahr der unfreiwilligen Opposition wieder an der Macht beteiligt.

Der 58-jährige Maurer schaffte den Sprung in den Bundesrat im dritten Wahlgang mit nur einer Stimme Mehrheit. Er erhielt die Unterstützung der bürgerlichen Parteien. Die Sozialdemokraten und die Grünen wählten ihn nicht. Maurer gilt als Kopie des vor einem Jahr vom Parlament abgewählten Bundesrats und Volkstribuns Christoph Blocher. Der Zürcher Maurer machte an der Seite von Blocher die SVP mit harten Worten zur stärksten Partei der Schweiz. Daher haftet dem Parteisoldaten die Etikette „Ueli der Knecht“ an, in Anspielung auf einen Schweizer Heimatroman.

Dem sechsfachen Vater wird jedoch zugetraut, dass er sich anders als Blocher an die Gepflogenheiten der Konkordanzregierung halten kann: Ein Bundesrat ist nicht in erster Linie ein Parteipolitiker, sondern er muss mit den Ministerkollegen Kompromisse erarbeiten und diese auch gegen seine Überzeugung vertreten. Nach der „Zauberformel“ sind nun wieder alle wichtigen Kräfte in der Schweiz an der Macht beteiligt. „Meine Wahl ist ein Ja zur Konkordanz“, sagt Maurer. Die Partei sei in der Verantwortung, betont auch SVP-Chef Toni Brunner: „Das Ziel ist, zwei Minister zu stellen.“

Seit der Abwahl ihres Übervaters Blocher sah sich die SVP nicht mehr im Bundesrat vertreten. Das Parlament hatte den Polit-Haudegen im Dezember 2007 nach vier Amtsjahren in die Wüste geschickt, weil er sich nicht einbinden ließ und trotz seines Ministeramts wie ein Parteichef agierte. Gewählt wurde stattdessen die konsensfähige SVP-Politikerin Eveline Widmer-Schlumpf. Sie nahm die Wahl gegen den Willen ihrer Partei an. Aus Verärgerung warf die Blocher-Partei die zierliche Ministerin und ihre Kantonalpartei Graubünden aus der SVP Schweiz. Parteiinterne Kritiker wurden zum Schweigen verdonnert.

In der Folge gründete der liberale Flügel der SVP in sieben Kantonen die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP). Neben Widmer-Schlumpf wechselte der Verteidigungsminister der SVP, Samuel Schmid, in die BDP. Nach einer Affäre bei der Berufung des neuen Armeechefs und einer Schlammschlacht verlor Schmid den Rückhalt im Parlament und reichte seinen Rücktritt ein. Maurer ersetzt ihn als Verteidigungsminister.

Blocher weg vom Bundesfenster

Die SVP hat ein Jahr lang auf Fundamentalopposition gesetzt. Nach Rundumschlägen geriet der Kurs ins Stocken. Denn auch die mit 29 Prozent Wähleranteil stärkste Partei ist letztlich nur eine Minderheit. Die SVP blitzte mit Maximalforderungen im Parlament ab und verlor Volksabstimmungen.

Gleichzeitig entpuppte sich der 68-jährige Blocher als Hypothek. In den eigenen Reihen wuchsen die Bedenken, aber die Partei vermochte sich nicht von ihm zu lösen. Daher hatte die SVP neben dem letztlich gewählten Maurer auch Blocher als Bundesrat vorgeschlagen. Er erhielt im ersten Wahlgang sehr wenig Stimmen und zog sich zurück. Blocher ist nun in der Bundespolitik endgültig weg vom Fenster.

Die erste Bewährungsprobe für die SVP in Regierungsverantwortung steht am 8. Februar auf dem Programm. Die Eidgenossen entscheiden in einer Volksabstimmung darüber, ob die Personenfreizügigkeit mit der EU fortgesetzt und auf Bulgarien und Rumänen ausgeweitet werden soll. Die SVP lehnt die Vorlage ab, die drei anderen Regierungsparteien warnen vor einem Nein. Die EU könnte die gesamten bilateralen Abkommen mit der Schweiz aufkündigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2008)

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