Frankreich: Sarkozy will Spitäler verarzten

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Sarkozy(c) REUTERS (VINCENT KESSLER)
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Mehrere tragische Todesfälle in Krankenhäusern haben das Vertrauen in das Gesundheitswesen erschüttert. Präsident Sarkozy kündigte Reformen an.

Paris. Das Vertrauen in Frankreichs Krankenhäuser ist schwer erschüttert: Ursache ist eine Reihe von schweren Zwischenfällen der vergangenen Wochen.

Am 24. Dezember starb in einem Pariser Spital ein Dreijähriger wegen der Verwechslung eines Medikaments, Tage später erlag ein 57-jähriger Mann einem Herzleiden, nachdem die Rettung im Großraum Paris während sechs Stunden vergeblich einen geeigneten Platz in einer Notfallstation gesucht hatte. Zu Jahresbeginn schließlich führte die falsche Dosierung einer Ernährungssonde zum Tod eines fünfmonatigen Babys im Westen der Hauptstadt.

Nicht bezahlte Überstunden

Grund genug für Präsident Nicolas Sarkozy, bei der Einweihung des neuen Krankenhauses von Straßburg kürzlich als eine seiner Prioritäten die Reform des öffentlichen Spitalsystems anzukündigen. Das Straßburger Spital ist mit seinen 2700 Beschäftigten, 715 Betten, 18 Operationssälen und der modernsten Technologie ein Aushängeschild der Gesundheitspolitik. Wie ihr Staatschef sind auch die Franzosen generell sehr stolz auf ihr Krankenhaussystem. Doch die geschilderten Todesfälle haben an diesem Image gekratzt.

Ärzte und Krankenschwestern verweisen auf den enormen Stress, übermäßig lange Einsatzzeiten, sie sagen, das Risiko eines tragischen Fehlers schwebe wie ein „Damoklesschwert“ über jedem von ihnen. Die Häufung der Todesfälle warf auch die Frage auf, ob die wahre Ursache nicht in einem dramatischen Personalmangel, vor allem an den Wochenenden und Feiertagen, zu suchen sei. Die Gewerkschaften reden von obligatorischen und zum Teil nicht bezahlter Überstunden.

Für Präsident Sarkozy ist das Problem nicht finanzieller Natur, da das Budget der öffentlichen Gesundheitsausgaben jedes Jahr um rund drei Prozent steige, sondern eine Frage der Reorganisation. Ohne Geld geht aber auch das nicht: Laut „Le Monde“ sind 29 von 31 Universitätsspitälern in den roten Zahlen und darum zu Einsparungen gezwungen, indem sie abgehendes Pflegepersonal nicht ersetzen.

Ankündigungen ohne Folgen

Skeptisch äußerte sich zum Auftritt von „Doktor“ Sarkozy am Krankenbett des Gesundheitswesens die Vorsitzende der Krankenhausärzte, Rachel Bocher: Es sei bereits das fünfte Mal, dass der heutige Staatspräsident eine weitere Reform in diesem Sektor ankündige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2009)

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