Ukraine: Neue Panzer für den Krieg

Prototyp eines BMP-64
Prototyp eines BMP-64tank-net.com
  • Drucken

Angesichts großer Verluste vor allem der mechanisierten Infanterie sollen zahlreiche eingelagerte Kampfpanzer T-64 zu schweren Schützenpanzern umgebaut werden.

Dieser Tage kam die wenig überraschende Meldung aus der Ukraine, dass im Zuge des Bürgerkriegs im Osten des Landes die Industrieproduktion stark gesunken sei. Viele Fabriken, gerade im umkämpften Donbass, mussten den Betrieb einstellen oder fertigen teils für die prorussischen Rebellen, weshalb der industrielle Output der Ukraine 2014 im Vergleich zum Vorjahr um fast elf Prozent sank - der stärkste Rückgang in den vergangenen Jahren. Allein im Dezember 2014 betrug das Produktionsminus im Vergleich zum Dezember 2013 fast 18 Prozent.

Der Krieg mit seinem Hunger nach Material könnte freilich über zynische Umwege den ukrainischen Industrieoutput in Teilbereichen wieder ausweiten: Der staatliche Rüstungskonzern Ukroboronprom gab bekannt, dass die Panzer- und Fahrzeugschmiede Kharkiv Morozov Machine Building Design Bureau (KMDB) ein altes Projekt zum Umbau von T-64-Kampfpanzern zu schwer gepanzerten und schwer bewaffneten (Kampf-)Schützenpanzern wieder aufnehmen und heuer damit in Serie gehen wird. Damit sollen die heftigen Verluste der mechanisierten ukrainischen Infanterie zumindest teilweise ausgeglichen werden und die Soldaten ein härteres, standfesteres Kampf- und Truppentransportfahrzeug für den Krieg gegen die Separatisten bekommen.

Rauchende Wracks

Diese setzen den schweren Einheiten der Ukrainer nämlich arg zu: Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber seitens des Internationalen Militärfachmagazins "Jane's Defence" geht man von mindestens 350 Schützenpanzern sowie mindestens 150 Kampfpanzern aus, die die Ukrainer im bisherigen Kriegsverlauf verloren - etwa durch Panzerfäuste (RPGs), Panzerabwehrraketen, Minen, Geschützbeschuss und Panzer der Rebellen. Ob darin auch von den Rebellen erbeutete Fahrzeuge enthalten sind, ist nicht bekannt; die vielen zerstörten leicht gepanzerten Truppentransporter sind jedenfalls nicht erfasst.

Zerstörter ukrainischer BMP-2
Zerstörter ukrainischer BMP-2theboresight.blogspot.co.at
Zerstörter ukrainischer BMP-2
Zerstörter ukrainischer BMP-2theboresight.blogspot.co.at

Vor Kriegsbeginn im Frühjahr 2014 wurde das diesbezügliche Inventar der Ukraine mit 750 bis 800 einsatzfähigen Kampfpanzern vorwiegend vom Typ T-64 und 2300 Schützenpanzern angegeben; eine unbekannte Zahl von Panzern bzw. Schützenpanzern (SPZ) wurde seither aus Depots geholt und fit gemacht, die Rede ist von einigen hundert.

Problemfall BMP-2

Der verbreitetste SPZ der Ukraine jedenfalls ist (2012 etwa 1400 Stück) das seit etwa 1980 vor allem in der UdSSR bzw. Russland eingeführte Modell BMP-2. BMP steht für "Bojewaja Maschina Pechoty", „Kampffahrzeug der Infanterie". Dieses Kettenfahrzeug ist zwar sehr mobil, praktisch, einfach zu warten, schnell und gut bewaffnet (30-Millimeter-Maschinenkanone, Raketen, etc.), aber die Panzerung ist in der Regelversion ohne Zusatzpanzerung recht dünn (6 bis etwa 33 mm Panzerstahl) und bietet eigentlich nur hinauf bis zum Kaliber schwerer Maschinengewehre Schutz (12,7 Millimeter).

Ukrainischer BMP-2 unter besseren Umständen in Kiew
Ukrainischer BMP-2 unter besseren Umständen in KiewVitali/Wikipedia

Gegenüber Panzerfäusten ist man ziemlich hilflos und die Verluste der Besatzungen (drei Mann Crew, sieben Infanteristen) waren im bisherigen Kriegsverlauf schwer. Man kann sie bei erwähnten 350 verlorenen SPZ in etwa Daumen-mal-Pi-mäßig schätzen. Der zweithäufigste SPZ der Ukrainer, BMP-1, ist noch älter und bei Kampfwert und Schutz der Crew das Gegenteil von besser.

Ein technischer Meilenstein der 1960er

Der Umbau ukrainischer T-64 zu Schützenpanzern soll eine Abhilfe schaffen. Mindestens 1000 T-64 sind in ukrainischen Depots eingelagert, Panzer dieses Modells haben drei Mann Besatzung und eine 125-Millimeter-Kanone als Hauptwaffe, sie wurden 1963 bis 1987 gebaut.

Der T-64 war einst ein gewaltiger, den Westen fordernder technischer Wurf. Etwa, weil er der erste Kampfpanzer mit Verbundpanzerung war: Das ist eine Panzerung, die aus verschiedenen Schichten und Materialen besteht, neben klassischem Panzerstahl etwa aus Aluminium, anderen Metallen und Legierungen, Keramik, Glas, Glasfaser, Schäumen, sogar aus Hohlräumen. Verbundpanzerungen sind viel widerstandsfähiger als die alten Panzerungen aus homogenem Stahl - vor allem auch gegen Hohlladungsgeschosse etwa von Panzerfäusten, die mit extrem druckvollen Strahlen aus flüssigem Metall noch durch hauswanddicke Platten aus normalem Panzerstahl schneiden können und einzelnen Soldaten, Rebellen (und, etwa in Syrien, Terroristen) ein leichtes und wirksames Panzerbekämpfungsmittel in die Hand geben. (Siehe zu diesem Komplex folgende Geschichte.)

Sowjetischer T-64 in der DDR, etwa 1980
Sowjetischer T-64 in der DDR, etwa 1980Ashot Pogosyants/Wikipedia

Der rund 42 Tonnen schwere T-64 war lange nur in den besten Verbänden der Roten Armee, vor allem in der DDR als Stoßkeil gegen die NATO. Er wurde in der Ukraine entworfen, unter anderem dort in Kharkiv (Charkow) unweit der russischen Grenze gebaut, zu Sowjetzeiten nie exportiert und erst 1985 erstmals bei einer Parade auf dem Roten Platz in Moskau so richtig öffentlich gezeigt.

Nach Ende der UdSSR verblieben die T-64 in mehreren Nachfolgestaaten, allein in Russland waren es noch 1995 etwa 4000. Sie wurden mittlerweile entweder modernisiert und kampfwertgesteigert (das geschah speziell in der Ukraine, siehe T-64U/T-64BM) oder weitgehend durch neuere Panzer (T-72, T-80, T-90) abgelöst.

T-64 auf dem Marsch nahe Donetsk
T-64 auf dem Marsch nahe DonetskAPA/EPA/OLGA IVASHCHENKO

Und wie sieht ein SPZ auf T-64-Basis aus? Das bereits in den 2000er-Jahren von den ukrainischen Panzerschmieden entwickelte Projekt läuft unter mehreren Namen wie BMP-64, BMPV-64 oder UMR-64 und besteht im Kern darin, den Geschütztum eines T-64 zu entfernen, die Oberseite der Wanne anzuheben und so den Kampfraum zu vergrößern. Der Motor wird an die Vorderseite verschoben, das schafft nach hinten mehr Raum für die drei Mann Besatzung plus zehn bis zwölf Soldaten und bildet gleichzeitig sozusagen eine zusätzliche Schutzmasse nach vorne hin für die Leute an Bord. Der BMP-64 könnte mehr Infanteristen befördern als etwa der US-amerikanische "Bradley" (sechs bis neun), der britische "Warrior" (7) oder der österreichische "Ulan" (8).

Waffenstarrender Turm

Vor allem wird ein völlig neuer Turm auf das Chassis gesetzt, der in Prototypen mit einer enorm vielfältigen und feuerspeienden Bewaffnung bestückt ist: nämlich einer 30-mm-Maschinenkanone, einem MG Kaliber 7,62 mm, zwei Panzerabwehrraketenstartern und sechs Granatwerfern. Dem nicht genug, kann der Kommandant von einer kleinen Kuppel aus zusätzlich einen automatischen Granatwerfer Kaliber 30 Millimeter und eine doppelläufige 23-mm-Maschinenkanone Grjasew-Schipunow, die eigentlich für Flugzeuge und Hubschrauber konstruiert wurde, bedienen. Dermaßen gewaltig bestückt ist kein anderer aktueller Schützenpanzer.

Aus T-64 (re.) wird BMP-64 (li.)
Aus T-64 (re.) wird BMP-64 (li.)tank-net.com
BMP-64-Prototyp
BMP-64-Prototypforum.militis.pl

Da auch die im Vergleich zum BMP und zu anderen SPZ sowieso ungleich mächtigere Panzerung (sie ist natürlich nicht unverwundbar, das zeigen die Verluste an T-64) verstärkt wird - etwa mit "reaktiven" Modulen, die einem einschlagenden Geschoss eine Explosion "entgegenschleudern" und die Geschosswirkung dämpfen, ja neutralisieren können - ergibt sich in Summe ein ungewöhnlich massiv gepanzerter und bewaffneter SPZ. Er wiegt rund 34 Tonnen (BMP-2: 14,5 Tonnen, Ulan: 28, Bradley: 33) mit Raum für sehr viele absitzende Soldaten.

Die Kampfkraft der ukrainischen Infanterie würde also durch den Umbau größerer Zahlen von T-64 in die neuen SPZ gestärkt, auch im urbanen Raum. Die Soldaten in diesen schweren Schützenpanzern könnten sich sicherer fühlen als in den nicht selten "fahrende Särge" genannten BMP-Typen, was die Moral heben würde. Nebenher ergäbe sich ein potentielles Exportprodukt.

Interessant wird die Reaktion der prorussischen Rebellen sein. Weniger grausam wird der Krieg nicht werden.

(Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Teilnehmer der Gespräche in Minsk
Außenpolitik

Ukraine: Neuer Rückschlag im Ringen um Frieden

Ein Treffen der Kontaktgruppe in Minsk ging nach wenigen Stunden ohne Lösung zu Ende.
Einst Putins Judo-Partner, jetzt Oligarch: Arkadi Rotenberg
Außenpolitik

Putin-naher Oligarch soll Brücke auf die Krim bauen

Der Unternehmer Arkadi Rotenberg ist ein Judo-Partner des russischen Präsidenten und steht auf der EU-Sanktionsliste. Die Fertigstellung der Brücke ist für 2018 geplant.
BELARUS UKRAINE PEACE TALKS
Außenpolitik

Ukraine-Krise: Treffen der Kontaktgruppe abgesagt

Die Vertreter aus Kiew hätten eine Teilnahme an den Verhandlungen in Minsk abgesagt, behauptet Separatistenanführer Puschilin.
Ukrainische Soldaten üben schießen
Außenpolitik

Heftige Kämpfe im Donbass

Fünf Soldaten starben. Für Freitag ist ein Krisentreffen in Minsk mit Vertretern der Ukraine, der Separatisten, OSZE und Russland geplant.
Andris Bērziņš
Außenpolitik

Baltische Ängste vor Separatismus

Mit Sorge beobachtet Riga die Propaganda für eine „Volksrepublik“ im russisch dominierten Landesteil Lettgallen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.