Argentinien: Wie Ermittler im Fall Nisman Spuren verwischten

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Der mysteriöse Tod von Staatsanwalt Nisman, der Anklage gegen Präsidentin Kirchner erheben wollte, wühlt das Land auf. Jetzt tauchte ein Video auf, das zeigt, wie Fahnder noch in der Todesnacht Beweise manipulierten.

Buenos Aires. Die Qualität der Videoaufnahmen ist armselig und die Vorgänge, die darauf festgehalten wurden, sind auch nicht viel erbaulicher. Neulich bekamen die Argentinier vorgeführt, wie ihre Strafverfolger versuchen, einen höchst brisanten Todesfall aufzuklären.

„Policia Federal“ – der Schriftzug in der Bildmitte signalisiert, wer gefilmt hat in den frühen Morgenstunden des 18. Jänner in der Wohnung des argentinischen Sonderstaatsanwaltes Alberto Nisman, der wenige Stunden zuvor erschossen in seinem Badezimmer aufgefunden worden war. Nisman hatte in den Tagen vor seinem Tod Anklage gegen die Präsidentin, Cristina Fernández de Kirchner, ihren Außenminister, Héctor Timerman, und vier andere Regierungsvertreter erhoben, weil diese angeblich hohe iranische Offizielle vor der Strafverfolgung geschützt haben. Bis heute konnte die zuständige Staatsanwältin Viviana Fein nicht herausfinden, ob der 51-Jährige selbst die Pistole abgefeuert oder ob nicht doch jemand anderer abgedrückt hat.

Die Videobilder zeigen, dass die Ermittler in der Tatnacht wichtige Beweisstücke übersahen, kontaminierten und gar manipulierten. Nun spekuliert das ganze Land darüber, ob das aus Unachtsamkeit passiert ist oder vorsätzlich. Zu sehen gab es diesen Mitschnitt im beliebten TV- Programm des regierungskritischen Journalisten Jorge Lanata.

Die Kamerafahrt beginnt im Stiegenhaus, um in der Küche ein Stelldichein von Männern in Straßenkleidung aufzuzeichnen. Zu erkennen sind zwei Polizeifunktionäre sowie der Sicherheitsstaatssekretär Sergio Berni. In allen Räumen des Apartments steigen sich Kriminaler und Offizielle auf die Füße. Angeleitet von der Staatsanwältin räumt eine Polizistin den Tresor aus. Schutzhandschuhe trägt sie nicht. Aufnahmen aus dem Badezimmer zeigen die Sandalen der Ermittlungschefin Fein, die durch die Lache von Nismans Blut stapfen und die Körperflüssigkeit im Bad verteilen.

Waffe mit Klopapier gesäubert

In Nahaufnahme ist die Tatwaffe zu sehen, ein Kriminalpolizist hält sie ins Bild, eine Seite ist stark mit But beschmiert. Als die Staatsanwältin nach dem Hersteller fragt, fährt der Beamte mit dem Zeigefinger über den Pistolenlauf und wischt das Blut weg. Dann ist zu sehen, wie die Polizisten das vorhandene Toilettenpapier abrollen, um damit die Waffe zu säubern. Tatsächlich konnten die Kriminaltechniker später keine fremden DNA-Spuren auf der Tatwaffe finden. Einen triftigen Grund dafür liefert das Polizeivideo: Es zeigt, wie ein Polizist mit blutverschmierten Handschuhen das noch saubere Magazin aus der Pistole holt, und dann drei noch ungebrauchte Projektile aus dem Metallreservoir fischt. Er legt die Kugeln auf dem Bidet ab, deutlich sichtbar ist dabei Nismans Blut, das nun alle drei Projektile verschmutzt. So wurde es unmöglich, herauszufinden, wer die alte Pistole mit den neuen Geschossen bestückt hat. Die Waffe gehörte Nismans IT-Berater Diego Lagomarsino, der nach eigener Aussage von Nisman gebeten worden war, ihm die Schusswaffe zu leihen. Die Rolle des Computerspezialisten mit Vorleben in diversen Sicherheitsdiensten ist Gegenstand vieler Spekulationen.

Ermittlungsleiterin Viviana Fein reagierte alles andere als empört auf die Ausstrahlung des Videos. „Das belastet mich überhaupt nicht“, sagte die Staatsanwältin. Ihre Vorgangsweise wird Feins berufliche Zukunft keinesfalls beeinträchtigen. Die 61-Jährige hat angekündigt, nach dem Abschluss ihrer Ermittlungen in Rente zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

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