Iran: Die junge grüne Welle gegen Ahmadinejad

(c) EPA (ABEDIN TAHERKENAREH)
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Auf Mir Hussein Moussavi ruhen die Hoffnungen der Reformer. Seine „Geheimwaffe“ ist seine populäre Frau.

Teheran. Dieser Tage gilt auf Teherans Straßen ein neuer Dresscode. Vom Kopftuch bis zum Schuhband dominiert eine Farbe die Stadt: Grün. Wie Komplizen nicken sich die grünen „Fashionistas“ auf den Straßen, in den Geschäften und Bussen zu. Aufgedonnerte Mädchen strecken anderen, die lange Tschadors tragen, ihre grün lackierten Fingernägel entgegen, während jene auf ihre grünen Armbänder zeigen.

Ihre Botschaft: Wir sind für Mir Hussein. Sie nennen den 67-jährigen Präsidentschaftskandidaten der Reformer, Mir Hussein Moussavi, beim Vornamen. Einfach, formlos, als ob er einer der Ihrigen wäre. Bei der Wahl am 12. Juni soll er Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad die Stirn bieten, mit seinen Programmen gegen die Arbeitslosigkeit, seinen Forderungen nach mehr Rechten für Frauen und seiner versöhnlichen Rhetorik in Richtung Westen.

Ein frommer Pragmatiker, der als Premier in den 80er-Jahren das Land durch schwere Zeiten gebracht hat (Krieg gegen den Irak): So erinnern sich die Iraner an Moussavi. „Er ist eine große Persönlichkeit. Er hat doch schon einmal bewiesen, dass er das Land gut führen kann“, tönt Marjane. Gemeinsam mit ihrer Freundin steht die Wirtschaftsstudentin mit dem grünen Lidschatten auf der Revolutionsstraße nahe der Teheraner Hauptuniversität. Jeden Nachmittag verteilt sie Flugblätter und Poster. In der ganzen Stadt sind sie unterwegs, Moussavis Jünger, sie kleben Poster an die Heckscheiben, sprayen seine Parolen mit grüner Farbe an die Wände und versenden sie als SMS. „Mit seiner Frau Zahra Rahnavard an seiner Seite wird Mir Hussein unsere Situation bestimmt verbessern“, ist Marjane überzeugt.

Irans Michelle Obama

Rahnavard ist Moussavis Geheimwaffe. Eine Feministin, Künstlerin und ehemalige Dekanin der Teheraner Frauenuniversität Al Azar, die ihren Mann steht; so sehr, dass man lange Zeit von Moussavi nur als „Ehemann von“ gesprochen hat. Zum ersten Mal seit der islamischen Revolution präsentiert ein iranischer Politiker seine Frau als Kompagnon, dem man auf Augenhöhe zu begegnen hat. Wo Moussavi auftritt, hält Rahnavard die Eingangsrede. Sie ist sein „Running Mate“, seine Michelle Obama, wie einige Anhänger behaupten.

„Rahnavard, wir lieben dich!“, brüllen die Mädchen und Frauen im Bahman-Komplex, einem Kulturzentrum im Süden von Teheran. Knapp 3000 Leute sind hierhergepilgert, um Moussavi und seiner Frau zuzujubeln. Bereits Stunden vor dem Auftritt ist die Halle zum Bersten voll. Mit Bussen hat man sie hergebracht, die Studenten und Wohlstandskinder aus dem Norden Teherans. Nun sitzen sie Seite an Seite mit Hausfrauen und Müttern aus dem Süden der Stadt, die nach vier Jahren Ahmadinejad an ihrem Präsidenten zu zweifeln beginnen.

Pünktlich trifft das Politikerpaar ein. Wie Popstars werden die zwei Senioren empfangen. Etwas deplatziert wirken sie in dem großen Saal, in dem ihnen tausende Studenten, Frauen und Kinder frenetisch zujubeln. Hand in Hand betreten die Mittsechziger die Bühne. Eine Geste, die Iraner von ihren Politikern nicht kennen; noch nie hat ein Staatsmann seiner Frau in der Öffentlichkeit dermaßen seine Zuneigung gezeigt. Energisch winken sie ihrem Publikum zu.

Kein Charisma nötig

„Die Frauen müssen in die Führungsetagen, nur so kann es einen Fortschritt in unserer Gesellschaft geben“, heizt Rahnavard die Menge an. Selbstbewusst sitzt die 64-Jährige auf der Bühne, mit dem langen Tschador, unter dem ihr geblümtes Kopftuch und rosa Kleid zu erkennen sind. Sie ist eloquent, weiß das Publikum mit den richtigen Statements von Freiheit und Gleichheit zu begeistern.

Moussavi dagegen referiert bedächtig und trocken sein Programm, Punkt für Punkt. Höflichkeitshalber klatschen seine Anhänger bei den Schlüsselpassagen. „Wenn ich seine Stimme höre, muss ich an meine Kindheit denken“, erzählt eine 43-jährige Schuldirektorin. „Wie schwer war es damals im Krieg, und er wies uns den Weg. Diesmal sind die Zeiten ähnlich.“

Charisma braucht ihr Kandidat nicht. Seine Anhänger verzeihen ihm das dozierende Gehabe, fehlt ihm doch die Praxis. Schließlich widmete sich der schöngeistige Architekt in den vergangenen 20 Jahren ausschließlich der Kultur. „Wir stehen hinter Mir Hussein“, sagt der Ingenieurstudent Mehrdad, der lauthals in den hinteren Reihen Unterstützungsgesänge anstimmt, bedeutungsschwer.

„Diesmal wollen wir kämpfen“

Der 25-Jährige kann sich an keinen Premierminister Moussavi erinnern, viel eher erinnert ihn der Reformer an den ehemaligen Präsidenten Mohammed Khatami, für den er vor zehn Jahren als Teenager Flugzettel verteilt hat. Noch hat die grüne Bewegung nicht die Intensität jener Tage im Juni 1998 erreicht, als Khatami zum Präsidenten gewählt wurde. „Ihn haben die Geistlichen an seiner Arbeit gehindert“, sagt Mehrdad ernst. „Das soll nicht noch einmal passieren. Dieses Mal wollen wir kämpfen.“

ZUR PERSON

Mir Hussein Moussavi, Maler und Architekt, versucht bei der Präsidentschaftswahl am 12. Juni ein Comeback in der iranischen Politik. Der 67-Jährige war 1981 bis 1989 Premier der Islamischen Republik. Dann wurde die Position abgeschafft. In seine Amtszeit fällt der Großteil des Iran-Irak-Krieges (1980–1988). Moussavi wird vor allem seine geschickte Wirtschaftspolitik während dieser Zeit zugutegehalten. Er bezeichnet sich als „Reformer“, steht aber auf dem Boden der Islamischen Revolution von 1979. Moussavi gilt als Hauptkonkurrent des konservativen Präsidenten Ahmadinejad.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2009)

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