Ausgerechnet Dallas: Die Stadt mag ihre Polizisten

Polizeichef David Brown muss den Tod seiner Kollegen in Dallas betrauern.
Polizeichef David Brown muss den Tod seiner Kollegen in Dallas betrauern.APA/AFP/LAURA BUCKMAN
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Polizeichef David Brown hat viel für den guten Ruf der Polizei in der Stadt getan und aus Fehlern der Kollegen etwa in Ferguson gelernt.

Panzerwagen und Kampfmontur? Oder Dialog und Zurückhaltung? Die rund 18.000 Polizeibehörden der USA haben beim Umgang mit der Bevölkerung die Wahl. Dallas gilt als Paradebeispiel. Umso tragischer ist, dass der tödliche Angriff ausgerechnet die texanische Großstadt trifft.

Bis zwei Minuten vor Neun war alles friedlich. "Die Polizei war sehr zugänglich", erinnert sich Dominique Torres an den abendlichen Protestmarsch in Dallas. Rund 800 Menschen waren auf die Straße gegangen, um gegen Polizeigewalt zu demonstrieren. "Die Situation war definitiv nicht kurz davor, zu eskalieren. Es gab ein allgemeines Gefühl der Solidarität", sagt Torres, deren Organisation "Next Generation Action Network" den Protest auf die Beine gestellt hatte. Dann, um 20.58 Uhr texanischer Zeit, fielen die ersten Schüsse.

Ausgerechnet Dallas

Dass ausgerechnet die Polizisten in Dallas Opfer eines tödlichen Anschlags wurden, verleiht der Geschichte eine besonders tragische Wendung. Denn die Beamten der neuntgrößten Stadt der USA zählen landesweit zu Vorreitern, was den Umgang mit der Bevölkerung angeht. Die Behörde sei "Vorbild für bürgernahe Polizeiarbeit", schrieb Jerry Abramson, Direktor für zwischenstaatliche Angelegenheiten im Weißen Haus, nach dem Vorfall auf Twitter.

"Diese Beamten gehen an der Seite der Demonstranten in normalen Uniformen, reden, machen Fotos", sagt Chuck Wexler, Direktor am Police Executive Research Forum in Washington, der Deutschen Presse-Agentur. Sein Institut gilt als führende Forschungseinrichtung zu Polizeiarbeit in den USA. Von Feindseligkeiten sei keine Spur, sagt Wexler. "In Sachen Engagement mit Minderheiten lässt diese Behörde auf Worte Taten folgen." Umso erschütternder, dass die Attacke eines Einzeltäters ausgerechnet Dallas trifft.

Polizeichef David Brown

Zu verdanken hat die 1,3 Millionen Einwohner zählende Stadt das gut beleumundete Werk ihrer Gesetzeshüter vor allem David Brown. Der Polizeichef hat eine bewegende Biographie. Die "Dallas Morning News" schreibt, dass Brown erst wenige Wochen im Amt war, als sein einziger Sohn zunächst einen Mann erschoss - und dann einen zur Hilfe gerufenen Polizisten. Das war im Juni 2010. "Meine 30 Jahre als Cop in Dallas waren voller Lächeln und Tränen", zog Brown 2013 in einer Kolumne Bilanz. 

Der Polizeichef agierte umsichtig und habe seine Lektion aus Ferguson gelernt, sagt Wexler. Dort hatten sich die Beamte nach dem Tod des unbewaffneten Teenagers Michael Brown in voller Kampfmontur vor den Demonstranten aufgebaut. TV-Sender zeigten Bilder von Wasserwerfern, Blendgranaten und gepanzerten Fahrzeugen. Aus Polizei wurde Militär, die Lage blieb über Nächte angespannt.

Brown, der seit Mai 2010 an der Spitze der etwa 4000 Mitarbeiter zählenden Behörde steht, wählt einen anderen Weg: Kontakt suchen, in kritischen Fällen schnell und offen kommunizieren, sich zurückhalten, Spannung abbauen. So habe er neue Regeln für die Krisenintervention eingeführt und auch zur Debatte gestellt, ob Straftäter bei kleinen Vergehen nicht eher zu Fuß statt per Auto, oder ob sie überhaupt verfolgt werden sollten. Gewalttätige, bewaffnete Straftäter würden natürlich sofort verfolgt, sagt Wexler. "Aber ist es Vandalismus wirklich wert, hinter jemandem herzurennen?"

23 Fälle, in denen Polizisten schossen, zählte Dallas im Jahr 2012. In den folgenden Jahren sank die Zahl auf 22, dann 20, dann 11. Im laufenden Jahr gab es bisher nur einen einzigen Fall. Auch Dallas ist nicht perfekt, wie die Todesschüsse im Jahr 2014 auf einen geistig Verwirrten zeigen, der einen Schraubenzieher in der Hand hielt. Und dennoch: Vieles scheint dort auf Vertrauen zurückzugehen. "Die Polizei in Dallas hat in den vergangenen Monaten einen sehr guten Job gemacht, in der Gemeinde zu Fuß auf Patrouille zu gehen, in Geschäfte zu gehen und mit den Menschen zu reden", sagt Dominique Torres.

Dallas als Vorbild

Und es gibt weitere Polizeibehörden in den USA, die dem Beispiel von Dallas folgen. Las Vegas, Seattle und Oakland in Kalifornien seien solche Orte, sagt Wexler, oder der Kreis Camden in New Jersey. Auch Baltimore, wo der Afroamerikaner Freddie Gray in Polizeigewahrsam starb, habe einige dieser Reformen eingeführt. Die paramilitärischen Einheiten von Ferguson wählten im Fall Michael Brown andere Mittel.

Und auch dieser Tage kommt es zu neuer Gewalt gegen Polizisten. In der Stadt Saint Paul im Bundesstaat Minnesota kam es in der Nacht auf Sonntag zu Krawallen und Festnahmen am Rande einer Bürgerrechtler-Demonstration. Nach Angaben der örtlichen Polizei auf Twitter wurden mindestens drei Beamte verletzt. Die Polizisten seien mit Steinen, Flaschen und Böllern beworfen worden, hieß es. In der Metropole San Antonio wurden anscheinend mehrere Schüsse auf das Polizeihauptquartier im Stadtzentrum abgefeuert. 

(APA/dpa)

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