Balazs: „Slowakei hat sich ein Eigentor geschossen“

(c) EPA (Melanie Frey)
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Ungarns Außenminister Balázs kritisiert das neue slowakische Sprachgesetz und das Einreiseverbot für Ungarns Präsidenten als „politisches Spielchen“ der slowakischen Regierung.

„Die Presse“: Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ungarn und der Slowakei beschreiben?

Péter Balázs: Als äußerst problematisch. Das Verhalten der Slowakei steht zu den ungarischen Absichten in scharfem Gegensatz.

Worin liegen die Differenzen?

Balázs: Ziel der ungarischen Regierung ist es, die Zusammenarbeit mit der Slowakei auszuweiten. Und wie reagiert Bratislava? Es setzt brutale Gegenschritte. Anfang Juni wurde auf Initiative der slowakischen Regierung unter Robert Fico eine ganztägige parlamentarische Debatte über die „ungarische Gefahr“ abgehalten. Von wegen ungarische Gefahr. Das ist doch an den Haaren herbeigezogen.

Oder das neue slowakische Sprachgesetz: Es richtet sich eindeutig gegen die ungarische Minderheit in der Slowakei und den öffentlichen Gebrauch der ungarischen Sprache. Das gegen Ungarns Staatspräsident László Sólyom verhängte Einreiseverbot in die Slowakei am 21. August war schließlich der Gipfel. Es geht nicht an, dass ein Staatsoberhaupt die Grenze zwischen zwei Schengenländern nicht passieren darf.


Die Slowakei hält dem entgegen, dass Sólyom ausgerechnet am Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968, an der auch ungarische Truppen beteiligt waren, an der Einweihung einer Statue des ungarischen Staatsgründers, des Heiligen Stephan, teilnehmen wollte. War das in diplomatischer Hinsicht nicht unklug?

Balázs: Die Invasion der Tschechoslowakei ist 41 Jahre her. Das haben die Slowaken längst vergessen. Außerdem hat sich im vergangenen Jahr gerade Sólyom im Namen Ungarns für die Teilnahme an der Niederschlagung des Prager Frühlings entschuldigt. Die Slowakei hat auf die Absicht Sólyoms, an der Einweihung der Statue teilzunehmen, die schlechtestmögliche Antwort gegeben.

Wie beurteilen Sie die Zurückhaltung der EU nach dem jüngsten Skandal um László Sólyom?

Balázs: Ich wurde mehrfach gefragt, warum die EU nicht energischer aufgetreten sei. Meine Antwort: Für unmögliche, irreale Fälle werden keine Regeln aufgestellt. Das gegen Sólyom verhängte Einreiseverbot gehört in diese Kategorie. Damit, dass die Donau plötzlich in die Gegenrichtung fließt, rechnet auch niemand. Die EU war auf eine derart unwirkliche Situation einfach nicht vorbereitet.

Kann Ungarn mit einer slowakischen Regierung überhaupt ernsthaft kooperieren, in der ungarnfeindliche und nationalistische Parteien wie die Slowakische Nationalpartei sitzen?

Balázs: Der slowakische Regierungschef Fico versucht leider mit billigen Mitteln Popularität zu erlangen. Worauf alles hinausläuft, sind die slowakischen Parlamentswahlen im nächsten Jahr. Das Ausspielen der „ungarischen Karte“ ist Teil eines politischen Spielchens. Was die weitere Kooperation zwischen den beiden Ländern angeht, erwarte ich mir von der Regierung Fico nicht mehr viel.

Das umstrittene slowakische Sprachgesetz ist nun am 1. September in Kraft getreten, allerdings bleiben Verstöße dagegen noch einige Monate ungeahndet.

Balázs: Dass es vorläufig keine Sanktionen bei Verstößen gibt, zeigt, dass die Slowakei bereits auf den internationalen Druck reagiert. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa etwa hat die breite Skala der Bestrafung kritisiert. Die Strafen reichen von 100 bis 5000 Euro, wobei jedoch die Kriterien für die Höhe der Strafen unklar sind. Das ist absurd. Die Mindeststrafe liegt bei 100 Euro, und das in der Slowakei. In Österreich muss man bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung 70 Euro bezahlen.


Wird Ungarn wegen der ständigen Querelen mit der Slowakei international nicht negativ beurteilt?

Balázs: Was das Einreiseverbot für den ungarischen Präsidenten anbelangt, auf keinen Fall. Damit hat sich die Slowakei ein Eigentor geschossen. Aber auch das Sprachgesetz wird international negativ beurteilt. Auf Ungarn fällt vor allem wegen der rechtsextremen Partei Jobbik und deren „Ungarischer Garde“ ein negatives Licht.


Wie kann Ungarn die Beziehungen zur Slowakei verbessern?

Balázs: Die Voraussetzungen für eine gedeihliche Zusammenarbeit waren noch nie so gut wie heute. Beide Länder sind Mitglieder von Nato und EU. Angefangen von den Lokalverwaltungen bis hin zur Wirtschaft ist auf vielen Ebenen eine enge Kooperation zu beobachten. Auf politischer Ebene können wir uns aber nur in kleinen Schritten annähern.

Es ist wichtig, dass die beiden Länder mehr über Kultur und Geschichte des jeweils anderen erfahren. Deshalb habe ich die Schaffung eines Geschichtsbuches initiiert, das von ungarischen und slowakischen Historikern gemeinsam geschrieben wird.

ZUR PERSON

Péter Balázs ist seit April dieses Jahres ungarischer Außenminister. Der Ökonom war zunächst Staatssekretär im ungarischen Außenministerium. 2004 arbeitete er in der EU-Kommission von Romano Prodi als Kommissar für Regionalpolitik.
[EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2009)

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