Chinas Feldzug gegen Bürgerrechtler

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Ein Jahr nach einer massiven Repressionswelle gegen Regierungskritiker stehen diese Woche vier Aktivisten vor Gericht. Im Fokus: eine berühmte Pekinger Kanzlei.

Wien/Tianjin. 709 wird die Gruppe genannt. Es ist eine Anspielung auf den 9. Juli 2015, als für mehr als 300 Bürgerrechtsanwälte, Kanzleimitarbeiter, Aktivisten und ihre Angehörigen ein Albtraum begann. An diesem Tag holten chinesische Sicherheitskräfte zu einem Rundumschlag gegen Regierungskritiker aus. Nach etwa einem Jahr befinden sich noch immer rund 20 Mitglieder der Gruppe in Haft – abgeschnitten von der Außenwelt, oft ohne Kontakt zu Angehörigen oder Anwälten ihrer Wahl, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Am Dienstag verurteilte nun ein Gericht in Tianjin den Menschenrechtsanwalt Zhai Yanmin wegen „Untergrabung der Staatsgewalt“ zu einer dreijährigen Haftstrafe mit einem vierjährigen Vollzugsaufschub. Für diese vier Jahre sprachen ihm die Richter alle politischen Rechte ab. Dennoch fiel das Urteil ungewöhnlich mild aus: Ursprünglich hieß es, dem 55-Jährigen, der sich bereits bei den Demokratieprotesten am Tian'anmen-Platz 1989 engagiert hatte, drohe lebenslänglich. Der „bezahlte Demonstrant“ und „erwerbslose Bewohner Pekings“, wie ihn die Nachrichtenagentur Xinhua nannte, habe ein Geständnis abgelegt, gegen andere ausgesagt und seine Taten bereut, begründeten die Richter das Urteil.

Erzwungenes Geständnis

Das Gericht beschuldigte Zhai, gemeinsam mit drei weiteren Angeklagten das „nationale Rechtssystem angegriffen und den Hass der Bevölkerung gegen die Regierung provoziert“ zu haben. Der Anwalt wird keine Berufung einlegen. „Ich entschuldige mich bei meinem Land und meiner Familie“, sagte er. „Könnte ich die Zeit zurückdrehen, wäre ich nie ein Unterstützer feindlicher Kräfte geworden.“

Auch drei seiner Kollegen wird diese Woche der Prozess gemacht – darunter Zhou Shifeng, Gründer der Pekinger Anwaltskanzlei Fengrui, die für die Bearbeitung besonders heikler Fälle berühmt ist. Sie stand im Fokus der massiven Verhaftungswelle im vergangenen Jahr. Kurz vor seiner Inhaftierung hatte Zhou eine chinesische Assistentin der deutschen Zeitung „Die Zeit“ vertreten, die Chinas Behörden neun Monate ohne Anklage festgehalten hatten.

Erst am Montag hatte eine weitere Mitarbeiterin der Kanzlei, die Frauenaktivistin Wang Yu, ein öffentliches Geständnis abgelegt. Darin beschuldigte sie „ausländische Kräfte“, die Kanzlei Fengrui untergraben zu haben und schwor Chinas Regierung Treue. Bis zu ihrem Prozess ist die 44-Jährige nun auf Kaution frei. Ihr Ehemann befindet sich allerdings weiter in Haft. Ihr Sohn und ihre Eltern stünden unter strenger Beobachtung, berichtet die NGO China Human Rights Lawyers Concern Group. Damit habe die Regierung ein Druckmittel in der Hand, sollte Wang ihre Meinung ändern und auspacken. Denn das Fernsehinterview, in dem die internationale Preisträgerin sich und die Anwaltsgemeinschaft diskreditiert habe, sei klar erzwungen gewesen. (maka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

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