EU beschließt Sanktionen gegen Gaddafi

EU beschließt Sanktionen gegen Gaddafi
EU beschließt Sanktionen gegen Gaddafi(c) AP (Richard Drew)
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Die EU-Staaten verhängen einstimmig Reiseverbote und Kontosperrungen gegen die libysche Führung. Die Regimegegner erwarten neue Kämpfe.

Nach den USA und den Vereinten Nationen hat jetzt auch die EU Sanktionen gegen das Regime des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi beschlossen. Die Mitgliedsstaaten vereinbarten am Montag einstimmig ein Einreiseverbot für 16 Personen des Gaddafi-Clans.

Außerdem wurde das Vermögen von Gaddafi und fünf weiteren Mitgliedern seiner Familie eingefroren und das Vermögen von 25 weiteren Libyern beschlagnahmt, die für die Gewaltakte gegen die Demonstranten verantwortlich sind. Die EU verhängte auch ein Waffenembargo, das auch ein Verbot des Handels mit Rüstungsgütern beinhaltet.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf: "Die massive Gewalt gegen Demonstranten hat unser Bewusstsein geschockt und sollte uns zum Handeln bringen. Menschenrechte sind universal."

1,2 Milliarden Euro in Österreich?

Laut "Wiener Zeitung" wurden auf Konten bei österreichischen Banken 1,2 Milliarden Euro festgestellt, die den 26 von den EU-Sanktionen betroffenen Libyern gehören. Dabei soll es sich ausschließlich um Barmittel handeln. Über Immobilienbesitz, Firmenbeteiligungen und Stiftungen der Betroffenen gebe es noch keinen Überblick, so die "Wiener Zeitung" weiter. "Die jetzt am Tisch liegende Summe wird sich vermutlich noch deutlich erhöhen", sagte ein Banker, der namentlich nicht genannt werden wollte, zu der Zeitung.

Rebellen erwarten Gegenangriff

Die Rebellen in Libyen bereiten sich unterdessen auf einen Gegenangriff von Gaddafis Truppen vor. Schauplatz der erwarteten Kämpfe ist die von Aufständischen eroberte Stadt Sawija, die nur rund 50 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis liegt. Nach Angaben der Regierungsgegner versammelten sich am Montag rund 2000 Gaddafi-treue Soldaten rund um die Stadt. "Wenn wir für die Freiheit kämpfen, sind wir bereit, dafür zu sterben", sagte ein früherer Polizeimajor, der auf die Seite der Opposition gewechselt ist.

In der Nähe von Misrata haben die Aufständischen am Montag ein Flugzeug der libyschen Luftwaffe abgeschossen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Augenzeugen. In Misrata gebe es immer noch Kämpfe zwischen Gegnern und Unterstützern des Gaddafi-Regimes.

Experten gehen davon aus, dass sich die Aufständischen langsam vorarbeiten und letztlich auch Tripolis unter ihre Kontrolle bringen werden. Die Opposition soll bereits die Kontrolle über den gesamten Osten des Landes innehaben. Auch im Westen haben die Regimegegner nach eigenen Angaben inzwischen mehrere Städte unter ihre Kontrolle gebracht.

Gaddafi selbst soll sich im Viertel Bab al-Azizia in Tripolis verschanzt haben. Sein Aufenthaltsort sei mit Panzern und Raketenwerfern gesichert. In einem am Sonntagabend von dem serbischen Privatsender "Pink TV" ausgestrahlten Telefoninterview bezeichnete der Diktator die gegen sein Land verhängten UN-Sanktionen sowie die geplanten Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes als "wertlos". Er bestritt, dass es in seinem Land Proteste gibt: "Es gibt derzeit keine Zwischenfälle, in Libyen herrscht vollständige Ruhe".

Nur noch sechs Österreicher wollen ausreisen

29 Österreicher befinden sich derzeit noch in Libyen, wie das Außenministerium am Montag mitteilte. Davon wollen sechs ausreisen.

Insgesamt wurden seit Beginn der Unruhen damit 172 ausreisewillige Österreicher aus dem nordafrikanischen Land evakuiert. Auch für die sechs noch Ausreisewilligen seien bereits Evakuierungswege geplant, sagte Außenministeriums-Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal.

Luftraumkontrolle zusammengebrochen

Die Flughafenkontrolle in der libyschen Hauptstadt Tripolis ist allem Anschein nach zusammengebrochen. Das geht aus Angaben der schwedischen Botschafterin in Malta, Ulla Gudmundson, hervor. Derzeit würden Flugzeuge auf eigene Faust in Tripolis starten und landen. Erlaubnisse würden vom libyschen Flughafen aus nur mehr gelegentlich und anscheinend nach Gutdünken erteilt, sagte Gudmundson der schwedischen Nachrichtenagentur TT am Montag.

100.000 Flüchtlinge: "Humanitäre Krise"

Laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind in der vergangenen Woche fast 100.000 Menschen aus Libyen in die Nachbarländer geflüchtet. Die meisten sind Tunesier und Ägypter. Die Organisation Roter Halbmond sprach angesichts der vielen Flüchtlinge von einer "humanitären Krise". Allein am Samstag seien mehr als 10.000 Menschen aus Libyen über den zentralen Grenzposten Ras Jedir nach Tunesien geflohen. Binnen einer Woche hätten 40.000 Menschen in Ras Jedir die Grenze überquert, 15.000 von ihnen Ägypter.

Krise in Libyen - Überblick

Seit fast zwei Wochen protestieren in Libyen Menschen gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi. Die Demonstranten sind Beobachtern zufolge überwiegend nicht religiös motiviert, sondern lehnen sich gegen Unterdrückung und Armut auf.

Nach offiziellen Angaben sind seit Beginn der Proteste mindestens 300 Menschen getötet worden. Hilfsorganisationen schätzen die Zahl der Toten auf mehrere tausend. Das brutale Vorgehen gegen die Demonstranten sorgt weltweit für Kritik.

Gaddafi hat die Kontrolle über weite Teile des Landes bereits verloren. Im östlichen Bengasi wurde ein Gegenregierung gebildet. Einen Rücktritt lehnt er aber strikt ab.

Die UNO, die USA und einzelne EU-Staaten haben Sanktionen verhängt, um den angeschlagenen Machthaber in die Knie zu zwingen.

(Ag./Red.)

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