Die Moslembrüder preschten mit radikalen Forderungen vor,und wollte etwa Kinos, Theater und Menschen darstellende Skulpturen verbieten. Befürchtungen vor den Islamisten waren offenbar nicht ganz unbegründet.
Wien/Tripolis/Hd. Den Arabischen Frühling begleitete von Beginn an die Angst des Westens, Islamisten könnten in den Nachrevolutions-ordnungen eine große, wenn nicht entscheidende Rolle spielen.
Für Libyen waren die Befürchtungen offenbar nicht ganz unbegründet. Islamisten von unterschiedlichem Radikalisierungsgrad drängen derzeit massiv in den Vordergrund. „Sie werden von Tag zu Tag stärker. In einem künftigen Parlament werden sie die Mehrheit haben“, warnt etwa der Schriftsteller Youssef M. Sherif gegenüber der „New York Times“.
Den Islamisten spielen dabei zwei Dinge in die Hände: Sie sind, nicht zuletzt durch die Moscheen, am besten organisiert und können daher im Chaos und Vakuum nach dem Sturz von Muammar Gaddafi effizienter agieren als andere politische Gruppen, so sich diese überhaupt schon formiert haben. Mit Abel al-Rajazk Abu Hajar führt ein Vertreter der Muslimbrüder etwa den interimistischen Stadtrat in der Hauptstadt Tripolis.
Disziplinierte Kämpfer
Und die trainierten und disziplinierten Kämpfer der zumindest bis 2009 mit al-Qaida verbundenen „Libysch-Islamischen Kampfgruppe“ (LIFG) mischten schon früh bei den Kämpfen gegen das Regime mit. Ihr Chef Abdel Hakim Belhaj spielt in der Militärführung der Rebellen eine Hauptrolle. Noch unter Gaddafi will sich die Gruppe von al-Qaida losgesagt haben, was schwer überprüfbar ist.
Doch man muss gar nicht bis zur LIFG gehen, um radikale Ansätze zu finden: Der libysche Zweig der Moslembruderschaft preschte mit talibanähnlichen Ansinnen vor und wollte etwa Kinos, Theater und Menschen darstellende Skulpturen verbieten. Stellt sich die Frage, ob sich die moderate Mehrheit im Land Derartiges gefallen lässt.
Jedenfalls kommt die instabile Situation in dem zentral gelegenen nordafrikanischen Staat „al-Qaida im islamischen Maghreb“ entgegen. Die Gruppe kann sich bei den reichlich zirkulierenden Waffen bedienen und nach Belieben die schon zu Friedenszeiten schwer zu überwachenden Grenzen queren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2011)