Mikl-Leitner: „Schließe weitere Zelte nicht aus“

KRISENGIPFEL ZUR ASYLPOLITIK: MIKL-LEITNER
KRISENGIPFEL ZUR ASYLPOLITIK: MIKL-LEITNER(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Erste Flüchtlinge beziehen Zeltlager. Nach einem Krisentreffen geht die Suche nach Quartieren weiter: Das Verteidigungsressort prüft die Tauglichkeit von Kasernen. Appell der Innenministerin an die Bundesländer: "Es geht darum, das Tempo zu erhöhen.“

Wien. In drei Städten gibt es sie bereits: Zeltlager als Notquartier für Flüchtlinge. Bis zu 96 Menschen sollen in den kommenden Tagen jeweils in Thalham, Linz und Salzburg untergebracht werden. In Linz und Thalham sollten nach Angaben nach des Innenministeriums noch am Freitagabend je 50 Asylwerber einziehen. Glaubt man Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, könnte es bald sogar noch mehr improvisierte Quartiere geben: „Wenn die Situation so bleibt, wie sie ist, schließe ich nicht aus, dass wir noch mehr Zelte aufstellen müssen“, sagt sie zur „Presse“. Angesichts der „exorbitanten Steigerung an Asylanträgen“ müsse sie an ihrem Notfallplan festhalten. So lange, bis es eine andere, langfristige Lösung gibt.

Eine solche Lösung hätte es am Freitag geben können. Mit Betonung auf können: Drei Stunden lang tagten Innenressort, Verteidigungsministerium, Gemeinde- und Städtebund sowie Hilfsorganisationen und Kirchen in der Wiener Herrengasse. Thema: die rasche Bereitstellung von fixen Quartieren für Flüchtlinge. Doch am Ende der Sitzung blieben die Fronten zwischen den Seiten weiterhin verhärtet. Immerhin: Die Bundesländer nahmen sich vor, in nächster Zeit etwas mehr als 1000 zusätzliche Plätze für Flüchtlinge bereitzustellen. Details gab es allerdings nicht. Lediglich Wien hatte bereits im Vorfeld zugestimmt, ein Notquartier wieder zu öffnen (siehe Artikel rechts).

Auch Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) bot als Übergangslösung Kasernen an: „Ich habe den Auftrag erteilt zu prüfen, welche unserer Liegenschaften dafür infrage kommen. Mit einem Ergebnis ist Anfang kommender Woche zu rechnen“, ließ er der „Presse“ ausrichten. Allerdings: Derzeit gebe es keine leer stehende Kaserne. Daher müsse nun eine etwaige Übersiedlung der Soldaten organisiert werden. Außerdem müsse man auch darauf achten, dass in der Nähe keine Gefechtsübungen stattfinden – oder sich ein Waffenlager befindet.
Und – nicht ganz unerheblich: Werden Flüchtlinge in einer Kaserne untergebracht, muss auch der Bürgermeister zustimmen. Gescheitert ist man bei solch einer Aktion bereits in Linz, wo sich Stadtchef Klaus Luger (SPÖ) gegen die Nutzung der Liegenschaft im Stadtteil Ebelsberg stellte. Er sei gegen Großquartiere, die Stadt setze lieber auf kleinere Unterkünfte für Asylwerber. Zusätzliche Flüchtlinge in der Stadt konnte Luger allerdings nicht vermeiden – nun werden sie eben in dem Zeltlager untergebracht.

Zelte im reichen Österreich „nicht nötig“

Dass solche Quartiere tatsächlich notwendig sind, wird allerdings von vielen Seiten kritisiert: Die derzeitige Flüchtlingswelle aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien sei lange absehbar gewesen, bemängelt die Caritas. Eine bessere Organisation hätte den Quartiermangel mit Sicherheit verhindert.

Als eines der reichsten Länder der Welt habe es Österreich nicht nötig, Flüchtlinge in Zelten unterzubringen, meint das Rote Kreuz. Und laut Diakonie ist der Quartiermangel ein systematisches Problem: Gebe es mehr Mittel für die Betreuung von Flüchtlingen, würden sich auch mehr Quartiere finden. Außerdem war aus den Ländern und seitens einiger Privatpersonen die Kritik zu hören, dass es ohnehin einige leere Plätze in fixen Quartieren gebe. Nur würde der Bund niemanden hinschicken.

Konfrontiert mit dieser Kritik wird Mikl-Leitner etwas lauter: „Wir sind an großen Quartieren interessiert“, meint sie. Die kleineren würden sie, wenn sie von Einzelpersonen angeboten werden, den Ländern weitergeben. Die seien immerhin für die längerfristige Unterbringen von Flüchtlingen zuständig. „Ansonsten gibt es oft zwar einzelne Plätze – aber keine Flüchtlinge, die dazu passen.“ Einerseits könne man Familien nicht trennen, andererseits müsste man auch auf die verschiedenen Ethnien achten. An die Länder gerichtet fügt Mikl-Leitner hinzu: „Sie sollen schauen, dass sie ihre Hausaufgaben machen.“ Bisher hätten die Länder zwar Großartiges geleistet. „Jetzt geht es aber darum, das Tempo zu erhöhen.“

50.000 Anträge in diesem Jahr

Die Lage hat sich in den vergangenen Tagen tatsächlich zugespitzt: Von Montag bis Mittwoch gingen insgesamt rund 900 Asylanträge ein, wobei der Montag mit 314 Ansuchen überhaupt der stärkste Tag seit Beginn der täglichen Zählung im Jahr 2006 war. Die meisten Anträge stellten Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien und Afghanistan. Experten im Innenressort rechnen mit rund 50.000 Asylanträgen in diesem Jahr.

Mikl-Leitner hat zumindest langfristig eine Lösung parat: Ab Juli soll die Reform des Asylwesens umgesetzt werden. Statt nur zwei Erstaufnahmezentren österreichweit soll es in fast jedem Bundesland kleinere „Verteilerzentren“ geben – in denen Flüchtlinge direkt einen Asylantrag stellen sollen. Auch hier sind aber die Länder noch gefordert: Derzeit ist ein solches Zentrum nur in Salzburg fix.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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