EU: Bulgarien und Rumänien waren nicht beitrittsreif

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Die Kommission hat 2006 Einwände gegen einen Beitritt von Rumänien und Bulgarien ignoriert. Beitrittswillige werden jetzt genauer geprüft.

Luxemburg/Brüssel. Vermutet hat man es schon immer, jetzt hat es ein führender EU-Vertreter bestätigt: Rumänien und Bulgarien waren bei ihrem EU-Beitritt am 1. Jänner 2007 nicht reif dafür. Der Europäische Rechnungshof (ECA) hat sich schon im Juli 2006 in seinen Berichten sehr kritisch über die beiden Staaten geäußert und erklärt, dass Bukarest und Sofia mehr Vorbereitungszeit für einen Beitritt brauchten. Vonseiten der EU-Kommission seien diese Einwände aber ignoriert worden.

Diese Vorwürfe äußerte nunmehr der ECA-Vertreter Szabolcs Fazakas bei der Präsentation eines umfassenden aktuellen Prüfberichts („Meta audit“) über die beitrittswilligen Westbalkanstaaten. Am Rande sprach Fazakas, er war damals Chef von Cocobu (Komitee für Budgetkontrolle im Europäischen Parlament), auch über seine persönlichen Erfahrungen aus dem Jahr 2006. Er habe den einstigen Erweiterungskommissar, Olli Rehn, auf die Defizite der beiden Beitrittswilligen angesprochen, Rehn habe geantwortet: „Es ist zu spät, meine Hände sind gebunden.“ Die politische Entscheidung für einen raschen Beitritt sei nämlich aufgrund einer Empfehlung der Kommission schon längst gefallen.

„Muss über die Bühne gehen“

Wie das EU-Portal EurActiv weiter berichtet, habe Rehn damals auf die Vorwürfe gesagt. „Wahrscheinlich haben Sie recht.“ Aber seine einzige Aufgabe sei sicherzustellen, dass der Beitritt wie geplant am 1. Jänner über die Bühne geht, so Rehn nach Angaben von Fazakas,.

Um ähnliche Probleme in Hinkunft zu vermeiden, würden nunmehr ECA-Berichte zwei Jahre vor der Bekanntgabe eines Beitrittstermins präsentiert. Da es eine Erweiterung aber vor 2020 ohnehin nicht geben werde, sei das Problem derzeit nicht so akut, sagte Fazekas. Der Rechnungshof hat jedenfalls als Konsequenz beschlossen, die Situation der Beitrittskandidaten künftig noch genauer unter die Lupe zu nehmen; daher habe der ECA diese Metaprüfung für den Westbalkan als Ergänzung zu den Länderreports ins Leben gerufen, sagte Fazekas.

In dem jetzt veröffentlichten Metabericht des Europäischen Rechnungshofes wird deutliche Kritik an den Regierungen der Westbalkanländer – Albanien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien, – geübt. In den einzelnen Ländern mit Beitrittswunsch sei ein „erheblicher Mangel“ im Bemühen um institutionelle Reformen festgestellt worden, heißt es im Prüfbericht.

Westbalkan: Reformwille fehlt

Die sechs Staaten haben in den Jahren 2007 bis 2014 insgesamt rund 5,1 Milliarden Euro „Heranführungshilfe“ an die EU erhalten. Laut dem ECA-Bericht seien die Finanzmittel zwar grundsätzlich effizient eingesetzt worden, zugleich gebe es aber „schwache Verwaltungsfähigkeiten“ und einen „Mangel an politischem Reformwillen“. Es gebe weiters zu geringe Fortschritte in den Bereichen Justizreform, Freiheit der Medien, Kampf gegen die Korruption und gegen organisierte Kriminalität.

Die EU soll künftig vor der Aufnahme neuer Mitglieder unter anderem auch stärker auf Pressefreiheit und den Kampf gegen Korruption bestehen, heißt es. Die EU-Kommission solle außerdem „systematisch strenge Bedingungen“ stellen, empfahl Rechnungshofexperte Fazakas. Allgemein bemängelten die Prüfer, der Kampf gegen Korruption sei „bloße Augenwischerei“, wenn er nicht von unabhängigen Experten betrieben werde.

Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Montenegro haben begonnen, ein Verhandlungsstart mit Albanien und Mazedonien steht noch aus. Bosnien und dem Kosovo wurde eine Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, einen Beitrittstermin gibt es für sie nicht. Die EU will bis 2020 auf keinen Fall neue Mitgliedstaaten aufnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2016)

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