Kritik an Merkel: Angela und die "german angst"

Angela german angst
Angela german angst(c) AP (MICHAEL SOHN)
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Die deutsche Bundeskanzlerin hat für ihre Zögerlichkeit in der Eurokrise viel Kritik geerntet. Ihr Zaudern beruhte teils auf innenpolitischem Kalkül, teils auf einer wirtschaftlichen Fehleinschätzung, sagen Experten

Berlin. Angela Merkel wirkt müde in diesen Tagen. Das Make-up kann die Sorgenfalten kaum überdecken, die Mundwinkel scheinen noch mehr als sonst nach unten zu weisen. Die Abwahl der schwarz-gelben Regierung in Nordrhein-Westfalen wäre an sich schlimm genug, rückt aber angesichts der Eurokrise in den Hintergrund. Die in der Europäischen Union einst so beliebte und geschätzte deutsche Bundeskanzlerin ist zur „Madame Non“ mutiert, zur Eisernen Lady, die in einem Atemzug mit Margaret Thatcher genannt und als kurzsichtig-egoistisch gegeißelt wird.

Der Anfang von Merkels Ende?

Markiert die „german angst“ den Anfang vom Ende der Angela Merkel?, fragt die britische „Times“, und sie steht mit dieser Vorahnung wohl nicht allein da. Eisern verbittet sich die Kanzlerin Kritik aus dem Ausland an ihrer anfangs harten Haltung und Zögerlichkeit; ungeachtet dessen hat das Berliner Lavieren ihrer und Deutschlands Position in der EU geschadet. Außerdem ist Merkels Taktik auch im eigenen Land keineswegs unumstritten. Die Bevölkerung war zwar mehrheitlich gegen Hilfen für Griechenland, deren Notwendigkeit wurde ihr allerdings zunächst gar nicht und später nur unzureichend erklärt. Auf umso weniger Verständnis stoßen die noch viel höheren Summen, die jetzt beschlossen wurden – das Kabinett brachte am Dienstag die deutsche Beteiligung in Höhe von mindestens 123 Mrd. Euro am Rettungsschirm auf den Weg. Währenddessen heizt die „Bild“-Zeitung die Stimmung an: „Wir sind wieder mal Europas Deppen!“

Die Verteidiger von Merkels Linie führen ins Treffen, dass es für so eine Situation kein Drehbuch gebe und die Kanzlerin zu Recht gründlich überlegt habe. Dieser Argumentation steht der Vorwurf entgegen, sie habe durch ihr Zaudern die Krise noch verschärft. Massive Attacken kamen zuletzt von SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Merkel beschuldigt, sie habe Ende vergangener Woche Informationen zum Ausmaß der Eurokrise mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bewusst zurückgehalten. Die Bundeskanzlerin müsse nun den Verdacht ausräumen, „dass sie am Freitag über die Dimension der Krise sehr gut informiert war und trotzdem den deutschen Bundestag über eine relativ kleine Dimension der Krise hat diskutieren lassen“.

Aber waren es wirklich bloß wahltaktische Gründe, innenpolitische Überlegungen und die Rücksicht auf den Widerstand der Bevölkerung, die Merkel so zaudern ließen? Oder hat die Bundeskanzlerin die Lage ökonomisch falsch eingeschätzt? „Es war wohl eine Mischung aus beiden Faktoren, wobei die wirtschaftliche Fehleinschätzung überwiegt“, erklärt der Ökonom Gustav Horn, Wissenschaftlicher Direktor der Hans-Böckler-Stiftung. „Auch die meisten Ökonomen in Deutschland haben eine falsche Sicht von der Funktionsweise des gemeinsamen Marktes, die vorherrschende Meinung ist, dass Länder, die in Schwierigkeiten geraten, sich prinzipiell selbst helfen müssen.“

Zusammenhänge nicht erklärt

Merkel sei entsprechend beraten worden. „Und klarerweise ist die Bevölkerung ohne eine Aufklärung über die Zusammenhänge dagegen. Aber wenn man diese selbst falsch sieht, kann man nicht aufklären.“ Hätte die Bundeskanzlerin Anfang des Jahres festgestellt, dass die Attacken auf Griechenland Attacken auf den Euro sind, „wären die Kosten erheblich geringer gewesen“. Die ablehnende Haltung der Bevölkerung und die Wahlen in Nordrhein-Westfalen mögen eine Rolle gespielt haben, seien aber als Erklärung zu simpel: „Da würde man Merkel eine Leichtfertigkeit unterstellen, an die ich nicht glaube“, so Horn.

AUF EINEN BLICK

Die deutsche Bundeskanzlerin hat für ihre Zögerlichkeit in der Eurokrise in der Europäischen Union, aber auch im Inland viel Kritik geerntet. Einst von den EU-Partnern geschätzt, ist sie zur geschmähten „Madame Non“ mutiert. Ihr Zaudern beruhte teils auf innenpolitischem Kalkül, teils auf einer wirtschaftlichen Fehleinschätzung, sagen Experten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2010)

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