Bei einem Türkei-Besuch forderte der britische Premierminister David Cameron vehement einen EU-Beitritt der Türkei. Britische Unternehmen würden davon enorm profitieren. Die EU ist gespalten.
Der britische Premierminister David Cameron hat sich vehement für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union ausgesprochen. Die Gegner einer türkischen EU-Mitgliedschaft seien voreingenommen und ließen sich durch Protektionismus leiten, sagte Cameron am Dienstag bei seinem ersten Türkei-Besuch seit seinem Amtsantritt im Mai. "Dies ist eine Sache, in der ich sehr leidenschaftliche Gefühle hege", sagte er in einer Rede vor der türkischen Handelskammer. "Ich will, dass wir zusammen eine Straße von Ankara nach Brüssel bauen."
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, der am Dienstagabend ebenfalls in der Türkei erwartet wird, hatte zuvor in der "Bild"-Zeitung bekräftigt, die Türkei sei derzeit nicht beitritts- und die EU nicht aufnahmefähig.
EU: Große Vorbehalte gegenüber Beitritt
Die EU ist tief gespalten, was eine Vollmitgliedschaft des muslimisch geprägten Landes betrifft. Insbesondere in Deutschland und Frankreich bestehen große Vorbehalte gegenüber einem EU-Beitritt. Kritiker argumentieren unter anderem, die Türkei würde sich nicht in die christlich geprägte Kultur der EU einfügen.
Nach einem einstimmigen Beschluss der EU-Mitglieder wird seit 2005 über einen türkischen Beitritt verhandelt. Seitdem bemängelt die EU regelmäßig mangelnde Fortschritte bei demokratischen Reformen und bei Menschenrechten in dem Land.
Cameron beschreibt die Türkei als rasant wachsende Wirtschaftsmacht. Von einem Beitritt würden britische Unternehmen enorm profitieren, sagte er. Großbritanniens wichtigste Handelspartner sind derzeit die anderen EU-Länder, die allerdings deutlich geringere Wachstumsraten verbuchen. Das Volumen des britisch-türkischen Handels bezifferte Cameron mit derzeit knapp sieben Milliarden Euro im Jahr. "Ich will, dass sich diese Zahl in fünf Jahren verdoppelt", ergänzte er.
Die EU wächst weiter. Kroatien ist am 1. Juli 2013 als Mitglied Nummer 28 in Europa angekommen. Mit der Türkei gehen die Verhandlungen nach langem Stillstand weiter. Ein nächstes Verhandlungskapitel soll aufgeschlagen werden. Doch welche anderen "Bewerberländer" gibt es, wie stehen ihre Chancen und welche Stolpersteine gibt es am Weg in die Europäische Union noch aus dem Weg zu räumen? Ein Überblick. (c) EPA (Libor Zavoral)
Nach drei Jahren Stillstand in den EU-Beitrittsgesprächen kann die Türkei wieder einen konkreten Fortschritt verbuchen. Die EU-Außen- und Europaminister gaben in Luxemburg grünes Licht für die Eröffnung eines weiteren Verhandlungskapitels. Der Bereich Regionalpolitik sollte bereits im Juni Thema werden. Wegen der gewalttätigen Niederschlagung von Protesten in Ankara hatten die EU-Außenminister das Kapitel aber verschoben. (c) AP (OSMAN ORSAL)
Mazedonien hat gute Chancen auf einen Beitritt. Der Namensstreit mit Griechenland, eine der großen Hürden, ist aber weiter ungelöst. Griechenland fürchtet durch den Namen "Mazedonien" Ansprüche auf seine gleichnamige Provinz. Der Streit blockiert die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen - obwohl Mazedonien bereits den Status eines Beitrittskandidaten hat. (c) EPA (Georgi Licovski)
Islands Ende Mai gewählt Mitte-Rechts-Regierung setzte die Gespräche über eine mögliche EU-Mitgliedschaft aus. Die seit 2010 laufenden Beitrittsgespräche sollen erst wieder aufgenommen werden, falls das Volk in einem Referendum dafür stimmt.
Lange hemmte der Konflikt mit dem Kosovo den Annäherungsprozess mit der EU. Doch zuletzt zeigten Pristina und Belgrad Entschlossenheit, enger zusammenzuarbeiten. Als Belohnung sollen "spätestens im Jänner 2014" Beitrittsverhandlungen mit der EU starten.Bild: Der serbische Ex-Präsident Boris Tadic vor der EU-Flagge. (c) AP (YVES LOGGHE)
Montenegro verhandelt seit dem Sommer 2012 über eine EU-Mitgliedschaft. Vor allem im Bereich Justiz und Korruption sieht die EU aber noch großen Reformbedarf. Im Bild: Präsident Filip Vujanovic (c) EPA (Christophe Karaba)
In Albanien sieht die EU-Kommission die Rechtsstaatlichkeit noch nicht garantiert, und die staatlichen Institutionen funktionieren noch nicht ordnungsgemäß. Bisher verfügt das Land nur über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. Vor einer Entscheidung über den Beitrittskandidatenstatus wollte die EU die im Juni abgehaltenen Parlamentswahlen abwarten. Bild: Der ehemalige Erweiterungskommissar Olli Rehn in Tirana nach der Unterzeichnung des Stabilitäts- und Assoziierungsabkommens. (c) EPA (Armando Babani)
Die EU will mit dem Kosovo "so rasch wie möglich" Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zur Annäherung aufnehmen. "Die EU-Kommission verfügt über ein ehrgeiziges Mandat, mit dem Kosovo etwa über Wirtschafts-, Handels-, Justiz- und Sicherheitsfragen zu reden, erklärte jüngst Erweiterungskommissar Stefan Füle (Bild). (c) REUTERS (HAZIR REKA)
Bosnien-Herzegowina ist weiter "nur" ein potenzieller Anwärter. Im Land sind noch EU-Soldaten zur Verhinderung von Zusammenstößen der unterschiedlichen Volksgruppen sowie zur Ausbildung von Sicherheitskräften eingesetzt. Die Kommission sieht erhebliche Mängel, deshalb wird es keine raschen Verhandlungen über einen EU-Beitritt geben.