EU gibt Weg frei für Kroatiens Beitritt

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Just zum 20. Jahrestag der kroatischen Unabhängigkeit und damit des Zerfalls von Jugoslawien fixiert Brüssel den Beitritt des Landes zur EU, trotz ungelöster Probleme wie Korruption und Rechtsunsicherheit.

Budapest/Ljubljana/Wien/Ros/Auer. Nach sechs Jahren Verhandlungen stimmten die EU-Regierungschefs am Freitag dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union endgültig zu. Noch im Juni sollen die Verhandlungen beendet werden. Am 1. Juli 2013 wird das Land als 28. EU-Mitglied aufgenommen.

Damit rücken, zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens, einige der einstigen Bruderstaaten wieder näher zusammen. Das EU-Land Slowenien, das Kroatiens Beitritt lange Zeit blockiert hatte, kündigte an, künftig mit dem neuen Mitglied an einem Strang ziehen zu wollen. Folgen Kroatien auch Montenegro, Mazedonien und Serbien nach, könnte sich durchaus eine „informelle Gruppe“ innerhalb der EU bilden, sagte Sloweniens Außenminister Samuel Zbogar am Freitag.

Kommt Beitritt zu früh?

Kroatien muss nach dem gestrigen Beschluss, trotz tief verwurzelter und ungelöster Korruptionsprobleme, keine weitere Verlängerung der Wartezeit mehr fürchten. Dabei hatte die EU noch im Frühjahr ernste Bedenken, ob die von Zagreb eingeleiteten Justizreformen den Anforderungen Brüssels genügen. Skeptiker befürchteten bis zuletzt, dass die Union das Land zu früh aufnehmen und sich die Probleme rund um die EU-Beitritte von Rumänien und Bulgarien wiederholen könnten. In beiden Staaten erlahmte der Reformeifer nach ihrer Aufnahme 2007. Seither mahnt Brüssel ein Ende korrupter und mafioser Strukturen in den Ländern ein – ohne großen Erfolg.

Um diesen Fehler bei Kroatien zu vermeiden, muss das Land nun schon vor dem Beitritt halbjährlich über seine Fortschritte in den Bereichen Justiz und Grundrechte berichten. Kommen die Reformen ins Stocken, droht aber höchstens eine Kürzung der Förderungen. Am Beitrittsdatum wird nicht mehr gerüttelt. Die letzte Hürde Richtung EU müssen die Kroaten im Herbst nehmen, wenn die Bevölkerung über den EU-Beitritt abstimmen wird. Die Skepsis ist groß, weil sich die Verhandlungen stark in die Länge gezogen haben, während Rumänien und Bulgarien mit weit milderen Vorgaben aufgenommen wurden.

Auch wirtschaftlich kommt Kroatien nach der Krise nur schleppend aus der Talsohle heraus. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Investoren machen einen Bogen um das Land. Doch während die konservative Ministerpräsidentin Jadranka Kosor dafür bei den nächsten Parlamentswahlen wohl eine Niederlage kassieren wird, dürften die Kroaten dem EU-Beitritt knapp zustimmen.

Slowenien „in der Pubertät“

Welche Vorteile damit verbunden sein können, zeigt das Beispiel Sloweniens. Als erste frühere Teilrepublik wandte der Unabhängigkeitsvorreiter dem Vielvölkerstaat 1991 den Rücken zu und machte sich auf den Weg Richtung Europa. Zwar verloren Sloweniens Firmen zunächst 54 Prozent ihrer Absatzmärkte im kriegszerrütteten Ex-Jugoslawien. Doch nicht nur der Boom in Westeuropa, sondern auch die Handelssanktionen gegen die einstigen Bruderstaaten kamen dem Staatenneuling zu Hilfe.

„Die EU hatte damals immer noch Importquoten – und Slowenien fiel beinahe die komplette Jugoslawien-Quote zu“, erinnert sich Sloweniens erster Wirtschaftsminister Joze Mencinger. Den exjugoslawischen Nimbus des Klassenbesten konnte sich der Staat auch auf seinem Weg in Europas Wohlstandsbündnis bewahren. Nach dem Beitritt 2004 führte Slowenien 2007 als erstes EU-Neumitglied den Euro ein und trat ein Jahr später der Schengen-Zone bei.

Doch mitten im Höhenflug hat den EU-Musterknaben der Krisen-Knick ereilt. In den letzten drei Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit auf über elf Prozent verdoppelt und die Staatsverschuldung verdreifacht. Der Unmut in der Bevölkerung wächst. Es seien „zwei sehr erfolgreiche Jahrzehnte“ gewesen, sagt Staatschef Danilo Türk, „aber das wird heute nicht entsprechend gewürdigt“. Das Land durchlebe derzeit „seine Pubertät“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2011)

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