Anti-G8-Demo: Steine, Scherben, Schlagstöcke

(c) AP (Michael Probst)
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Vor dem Gipfel. Ratlosigkeit bei Polizei und Organisatoren nach Straßenschlachten.

Rostock. Zurück blieben Steine, Scherben, Holzlatten, umgestürzte Müllcontainer, ausgebrannte Autowracks – und Bilder der Gewalt. Am Sonntag, nachdem sich die Rauch- und Tränengasschwaden auf dem Rostocker Hafenareal verzogen hatten, waren alle ratlos, wie es nur so weit kommen konnte: die Polizei, die trotz Überzahl nicht mehr Herr der Lage war; und auch die Veranstalter der groß angekündigten Anti-G8-Demonstration in der Ostseestadt, die wohl ein wenig zu blauäugig an die Sache herangegangen waren.

Autonome schlugen los

Nach den Ausschreitungen ist nun nicht mehr die Rede von den Anliegen und Forderungen der Globalisierungskritiker, sondern von den Gewalttätern in ihren Reihen, die die Demo für ihre Zwecke gekapert haben. Und auch die Verfechter schärferer Sicherheitsmaßnahmen wie Bayerns Innenminister Günter Beckstein sehen sich bestätigt. Dabei hatte auf dem „Platz der Freundschaft“ hinter dem Bahnhof und abseits einer völlig verbarrikadierten Innenstadt alles ganz friedlich begonnen – abgesehen von verbalen Kraftmeiereien mancher Redner. Der Demonstrationszug trug bunte und karnevaleske Züge. Bush- und Putin-Masken mischten sich unters protestierende Volk, in schillernden Regenbogenfarben wehten die Friedensfahnen.

Nur der schwarze Block, die Autonomen-Armee der linksextremen Szene, marschierte in dunklen Kapuzenjacken, vermummt oder mit Sonnenbrillen, ganz vorne. Das Spruchband, das sie hielten, sollte in holprigem Reim eine Vorahnung geben: „Ob friedlich oder militant: Wichtig ist der Widerstand.“ Im Hafen schlugen sie los. Vermummte droschen auf ein Polizeiauto ein, deckten die Polizeieinheiten mit einem Steinhagel, Feuerwerkskörpern und Molotow-Cocktails ein. Bisher hatte sich die Polizei, um Deeskalation bemüht, demonstrativ im Hintergrund gehalten. Doch nun stürmte sie los in ihren gepanzerten olivgrünen Overalls und Vollvisierhelmen. Knüppel flogen, Schlagstöcke wirbelten, Wasserwerfer fuhren vor, Pfefferspray lag in der Luft, und über der Szenerie knatterte ein Hubschrauber. Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich das Hafengelände in ein Schlachtfeld.

Allgemeine Desillusion

Auf beiden Seiten trugen Hunderte Blessuren davon, Unbeteiligte liefen mit Kopfverband und blutigem Gesicht herum. Am Ende sang Judith Holofernes von der Band „Wir sind Helden“ ihr Lied „Gekommen, um zu bleiben.“

Nur wenige der an die 50.000 Teilnehmer hatten bis dahin noch ausgeharrt. Die meisten waren bereits desillusioniert abgezogen. Manche hatte der Hunger sogar zu McDonald's getrieben – an sich ein Feindbild der Globalisierungskritiker. Die Scheiben der Fast-Food-Filiale blieben dann übrigens unversehrt.

EXPLOSIVE MISCHUNG

Vor dem G8-Gipfel am 6. und 7.Juni sind zahlreiche weitere Proteste geplant. Bei der wilden Großdemo am Samstag waren etwa 1000 Menschen verletzt und mehr als 125 Personen festgenommen worden.

Ausgelöst hatte die Krawalle der sogenannte „schwarze Block“ der Autonomen, von denen sich die friedlichen Globalisierungskritiker klar distanzieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2007)


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