Der Kärntner Landeshauptmann Dörfler sieht in der Affäre um angebliche illegale Parteienfinanzierung keinen Handlungsbedarf. Rücktritte werde es erst bei rechtskräftigen Urteilen geben.
Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) glaubt "null" an die Vorwürfe des Steuerberaters Dietrich Birnbacher gegen seine FPK-Landesräte Uwe Scheuch und Harald Dobernig. Das sagte der Landeschef am Donnerstag nach einer außerordentlichen Regierungssitzung in Klagenfurt. Birnbacher hatte am Mittwoch vor Gericht ausgesagt, Scheuch und Dobernig hätten eine Halben Million Euro zur illegalen Parteienfinanzierung von ihm verlangt.
Am Donnerstagnachmittag kursierten dann Gerüchte, dass im Büro von Scheuch Akten geschreddert würden, berichtet kleine.at. Gerhard Herbst, Büroleiter des FPK-Obmanns, dementierte eine mögliche Aktenvernichtung aber umgehend: Es handle sich um "falschen Alarm". Man habe lediglich Siedlungskartons angefordert.
Die Staatsanwaltschaft hatte am Vormittag bekanntgegeben, eine Untersuchung gegen Scheuch und Dobernig wegen versuchter Geldwäsche zu prüfen. Gegen Landesrat Dobernig werde zudem bereits wegen Beitrags zur Untreue ermittelt. Der Beschuldigte wies die Anschuldigungen zurück: "Alle Vorwürfe werden sich als haltos erweisen", teilte er am Donnerstag mit.
Landeshauptmann Dörfler sah in der Pressekonferenz akut keinen Bedarf für Rücktritte vonseiten seiner FPK-Regierungskollegen oder Neuwahlen. Bevor gewählt werde, wolle Dörfler "die Sümpfe trockenlegen". Welche Maßnahmen er dazu setzen werde? "Jetzt müssen wir erst einmal die Justiz arbeiten lassen", so der FPK-Politiker. Handlungsbedarf sehe er erst, wenn es rechtskräftige Urteile gebe. Ermittlungen und auch Anklagen seien keine Verurteilungen. Dörfler: "Diese Menschenhatz ist unerträglich."
Strache: "Volle Aufklärung"
Etwas deutlicher wurde da schon FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Er forderte auf Facebook "volle Aufklärung". Sollten tatsächlich "heutige FPK-Politiker" involviert sein, müsse es "entsprechende Konsequenzen" geben, teilte er auf seiner Facebook-Seite am Donnerstag mit. Strache lenkte die Diskussion dann aber freilich von der FPK weg: Ob die ÖVP nicht doch Zuwendungen von mehr als 100.000 Euro erhalten hat, werde noch zu prüfen sein, so Strache.
Illegale Parteienfinanzierung bei SPÖ?
Bei der heutigen Regierungssitzung in Klagenfurt, die von den SPÖ-Mitgliedern Peter Kaiser und Beate Prettner nicht besucht wurde, beschlossen FPK und ÖVP einstimmig eine Anzeige gegen Kaiser, Ex-Parteichefin Gabriele Schaunig-Kanduth, Ex-Parteichef Reinhard Rohr und Ex-Landesrat Wolfgang Schantl wegen angeblicher illegaler Parteienfinanzierung. Laut FPK hätten diese einer Werbeagentur namens "TopTeam", die im Eigentum der SPÖ gestanden habe, Aufträge des Landes verschafft.
Kaiser wies alle Anschuldigungen zurück. "Ich sehe jeder Untersuchung gelassen entgegen", erklärte Kaiser. Die Anzeige sei ein "leicht durchschaubares Spiel."
Die vergangenen Monate gingen der ÖVP an die Substanz: Affären und Rücktritte brachten die Volkspartei in gehörige Turbulenzen. Welche ÖVP-Politiker vom schwarzen (Personal)-Loch verschluckt wurden.
Angefangen hat alles mit Norbert Kapeller, dem hoffnungsfrohen Wehrsprecher im Nationalrat. Gestoppt wurde er von seiner Ehefrau, die mit dem Behindertenausweis eines Verstorbenen einen Behindertenparkplatz besetzt hatte. Kapeller musste gehen, mittlerweile hat er auch die Partei hinter sich gelassen und ist ausgetreten. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Spektakulärer wurde es ein paar Tage später. Britische Enthüllungsjournalsten filmten den EU-Delegationsleiter Ernst Strasser dabei, wie er sich als Lobbyist bezeichnete und den vermeintlichen Auftraggebern andiente. Seine politischen Ämter ist Strasser los, die Staatsanwaltschaft ermittelt. (c) EPA (BARBARA GINDL)
Josef Pröll hatte nach einem Lungeninfarkt vom Krankenbett aus Strassers Rücktritt erzwungen. Drei Wochen später trat er selbst zurück. Der Gesundheit zu Liebe wurde Pröll lieber Chef vom Raiffeisen-Mischkonzern Leipnik-Lundenburger, als weiter der Politik seine Zeit zu widmen.
Außenminister Michael Spindelegger übernahm das Ruder und baute das Regierungsteam um. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner musste enttäuscht ihr Büro räumen und werkt mittlerweile bei der "International Anti-Corruption Academy" in Laxenburg. (c) ROLAND SCHLAGER / APA / pictured (ROLAND SCHLAGER)
Reinhold Lopatka wurde seiner Funktion als Finanzstaatssekretär entledigt und kehrte in den Nationalrat zurück. (c) APA/photonews.at/Georges Schneid (Photonews.at/Georges Schneider)
Mit der Regierungsumbildung endete auch das wenige Monate dauernde Gastspiel von Verena Remler in der Bundeshauptstadt. Die Tirolerin musste ihren Posten als Familienstaatssekretärin räumen und sitzt jetzt im Landtag ihres Heimatbundeslandes. (c) Clemens Fabry
Im Tiroler Landtag wurde für Remler ein Platz frei, weil Hannes Rauch als VP-Generalsekretär nach Wien wechselte. Diese Funktion hatte Fritz Kaltenegger inne. Er ist mittlerweile wieder in der Privatwirtschaft unterwegs. (c) Clemens Fabry
Zurück ins Europaparlament: Ihrem "Chef" Strasser folgte Hella Ranner. Sie machte zuerst durch die Insolvenz ihres Unternehmens von sich reden. Dann wurde auch noch bekannt, dass sie zur Tilgung privater Schulden das Spesen-Pauschale für EU-Abgeordnete genutzt haben soll. Ranner musste zurücktreten. (c) APA/WWW.HELLARANNER.AT (WWW.HELLARANNER.AT)
Nach einer Verschnaupfause setzte es im September den nächsten ÖVP-Paukenschlag. Als immer mehr Korruptionsaffären aus der schwarz-blauen Regierungszeit auftauchten, trat Altkanzler Wolfgang Schüssel zurück. Er war nach dem Ende von Schwarz-Blau als Europasprecher für die ÖVP im Parlament gesessen. (c) EPA (ROBERT JAEGER)
Fast gleichzeitig verabschiedete sich auch Maria Rauch-Kallat aus dem Nationalrat. Allerdings nicht, ohne noch einmal für Schlagzeilen zu sorgen: Die Ex-VP-Frauenchefin brachte gegen parteiinternen Widerstand die Aufnahme der Töchter in die Bundeshymne auf den Weg. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
Auch Ex-Außenministerin Ursula Plassnik hat das Parlament verlassen. Die Türkei verhinderte zwar ihren Karrieresprung zur OSZE-Generalsekretärin, Plassnik ist nun aber als Botschafterin in Paris tätig.
Durch die vielen Rochaden im Parlamentsklub wurde ein Platz für Christine Marek frei. Die Wienerin räumte nach diversen internen Querelen ihren Platz als ÖVP-Landesparteiobfrau. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
"Mit Christian Switak trat im Februar ein weiterer VP-Landesrat zurück, in diesem Fall aus Tirol. Switak hatte als zuständiger Landesrat in der Wohnung eines Seilbahnbetreibers residiert und jagte auf Telekom-Einladung. Sein Rat zum Abschied: "Nehmen Sie keine Einladungen von Freunden an." APA/Robert Jäger
Im Juli 2012 folgte der nächste schwarze Politiker: der Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz. Er legte in der Causa Birnbacher ein Geständnis ab: "Nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes haben Haider und ich die Idee entwickelt, dass etwas an die Parteien gehen soll."Martinz trat als ÖVP-Obmann zurück und aus der Volkspartei aus. Er hatte bereits im Jänner die Landesregierung verlassen. (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Die schwarze Rücktrittswelle
Verfahren gegen Martinz' Anwältin
Die Kärntner Rechtsanwaltskammer hat indes gegen die in die "Causa Birnbacher" verstrickte Rechtsanwältin Astrid Wutte-Lang ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Verdacht: Geldwäsche.
Wutte-Lang hatte bis Mittwoch den mittlerweile zurückgetretenen Kärntner ÖVP-Chef Josef Martinz im Strafprozess in der Causa verteidigt. Birnbacher belastete die Juristin am Mittwoch jedoch schwer. Er habe - quasi als Parteispende - eine Rechnung Wutte-Langs über 35.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer beglichen, sagte Birnbacher.
Die Anwältin kündigte daraufhin das Mandatsverhältnis zu Martinz, der sich nun eine neue Rechtsvertretung suchen muss. Wutte-Lang erklärte, "dass es zu keinem Zeitpunkt Geldflüsse der Kanzlei an eine politische Partei oder nahestehende Organisationen gegeben hat."
Die Causa Birnbacher hat Josef Martinz das Ende seiner Tätigkeit als Kärntner VP-Obmann beschert - und eine (nicht rechtskräftige) Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren. Der Ex-Politiker legte Berufung gegen das Urteil ein, er sieht sich als "Bauernopfer" der Volkspartei. Am 11. März verurteilte der Oberste Gerichtshof den Ex-Politiker rechtskräftig zu 4,5 Jahren Haft. Ein Rückblick auf den Aufstieg und den Fall des schwarzen Betriebswirts. (c) APA/Gert Eggenberger
Martinz wurde am 14. Februar 1959 geboren und absolvierte nach der Mittelschule das Studium der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, das er mit einem Doktorat abschloss. Politisch tätig ist er seit den frühen 80er-Jahren, 1991 wurde er in Ossiach (Bezirk Villach Land) Gemeinderat. (c) APA (GERT EGGENBERGER)
1997 kandidierte er für das Bürgermeisteramt und setzte sich in der Stichwahl deutlich durch. Sechs Jahre später, am 9. März 2003, schaffte Martinz mit 60,8 Prozent souverän die Wiederwahl. Im Bild: Martinz und der mittlerweile verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. (c) AP (GERT EGGENBERGER)
Nach seiner Kür zum Parteiobmann legte er die Funktion des Bürgermeisters zurück und wurde Agrarlandesrat in der Regierung. Dazu hatte er die Europaagenden über und war bis zu seinem Rückzug aus der Landesregierung Aufsichtsratsvorsitzender der Kärntner Landesholding, welche die Millionen aus dem Hypo-Verkauf verwaltet. Im Bild: Vorstand der LB Bayern Werner Schmidt und Martinz. (c) APA (Gert Eggenberger)
Als sein politisches Credo nannte Martinz stets "Zusammenarbeit, um Probleme für die Bürger zu lösen". Nicht müde wurde er, seine Wirtschaftskompetenz zu betonen. Der Unternehmer betreibt in Ossiach die Terrassen Camping KG mit Campingplatz, Restaurant, Geschäft und Tennisplatz. Im Bild: Martinz und Ex-ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein.
Nach der Wahl 2009 einigte sich der zweifache Familienvater und Ehemann Martinz relativ rasch mit den Freiheitlichen auf eine Koalition, was nicht alle Schwarzen goutierten. Doch angesichts des "Superressorts", das er für sich herausschlagen konnte - Martinz wurde für Wirtschaft, Gemeinden, Land-und Forstwirtschaft sowie EU-Agenden und Tourismus verantwortlich - blieb die Kritik leise. (c) APA (GERLIND ROBITSCH)
Laut wurde sie erst im vergangenen Jahr, als Uwe Scheuch - nicht rechtskräftig - wegen des Verbrechens der Geschenkannahme verurteilt wurde (das Urteil wurde später aufgehoben, Scheuch aber erneut verurteilt). Martinz legte die Koalition "auf Eis", de facto blieb sie aber aufrecht, viele Beschlüsse gingen in koalitionärer Eintracht über die Bühne.Im Bild: Martinz und FPK-Chef Uwe Scheuch. (c) APA (GERT EGGENBERGER)
Im Frühling 2012 wurde es dann ernst: Noch vor der Anklageerhebung im März trat Martinz im Jänner als Landesrat zurück, Parteichef blieb er aber vorerst. Im Juli wurde dann Scheuch erneut - nicht rechtskräftig - verurteilt. Bisher trat er nicht zurück. ÖVP-Obmann Michael Spindelegger betonte aber: "In der ÖVP gibt es keinen Fall Uwe Scheuch. Die Vorgangsweise für uns ist glasklar: Wer verurteilt wird, der muss sofort zurücktreten." (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Danach wurde Martinz nur mehr selten in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Er zeigte sich zunächst weiter von seiner Unschuld überzeugt und hatte angekündigt, im Falle eines Freispruchs wieder in die Regierung zurückkehren zu wollen. Am Bild: Einer der raren Auftritte des ÖVP-Chefs bei den Kärnten Golf Open 2012. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Wolfgang Jannach)
Am 25. Juli dann die Wende: Der Kärntner ÖVP-Chef legte ein Geständnis ab: "Nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes haben Haider und ich die Idee entwickelt, dass etwas an die Parteien gehen soll." Damit war Martinz' politisches Schicksal besiegelt: Er gab die Abmachung zu und trat auch als ÖVP-Obmann zurück. Am 1. Oktober folgte das (nicht rechtskräftige) Urteil: Fünfeinhalb Jahre unbedingte Haft. (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Martinz fühlt sich aber ungerecht behandelt, sein Anwalt legte daher umgehend Berufung ein. "Ich kann mir beim Rasieren jeden Tag in die Augen schauen und mit dem kommunizieren, der mir da aus dem Spiegel entgegenblickt", so Martinz. "Überdrüssig war und bin ich nicht. Aber ich muss jetzt kämpfen, weil ich nicht für immer als Prügelknabe der Nation dastehen will." (c) Dapd (Gert Eggenberger)
Am 11. März 2013 folgt der nächste Schlag für Martinz: Der Oberste Gerichtshof bestätigt den Schuldspruch der ersten Instanz. Allerdings wird das Strafausmaß verringert: Der Ex-Politiker wird rechtskräftig zu 4,5 Jahren Haft verurteilt. APA/ROLAND SCHLAGER