Der ehemalige Kärntner ÖVP-Obmann wurde wegen Untreue verurteilt. Der geständige Steuerberater Birnbacher erhielt drei Jahre teilbedingt, auch die Vorstände der Kärntner Landesholding wurden verurteilt.
[KLAGENFURT] Nach 13 Verhandlungstagen ist am Montag am Klagenfurter Landesgericht der „Birnbacher-Prozess" mit einer überraschend harten Strafe für Josef Martinz zu Ende gegangen. Der ehemalige Chef der ÖVP Kärnten wurde wegen Untreue zu einer Haftstrafe zu 5,5 Jahren verurteilt. Erschwerend sei die „hohe kriminelle Energie bei einem der schmutzigen Geschäfte Kärntens" gewesen, so der Richter. Dietrich Birnbacher, als Steuerberater Empfänger des Millionenhonorars, erhielt drei Jahre, zwei davon bedingt. Hans-Jörg Megymorez und Gert Xander, die Vorstände der Kärntner Landesholding wurden zu drei bzw. zwei Jahren Haft verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Die Angeklagten wurden im Zusammenhang mit der Zahlung eines Honorars in der Höhe von sechs Millionen Euro an Birnbacher für dessen Rolle im Verkauf der Hypo-Landesanteile an die BayernLB verurteilt. Der deutsche Gutachter Frank Schäfer hatte den Wert der Arbeit Birnbachers mit maximal 300.000 Euro beziffert. Auch Birnbacher selbst schätze seine Leistung nicht höher ein.
Der Betrag von 5,7 Millionen Euro sei „rechtsgrundlos" anerkannt worden, so das Gericht. Die Bestellung von sechs Gutachtern sei erfolgt, um diese Tathandlung zu verschleiern, Martinz und der „nicht mehr verfolgbare Dr. Jörg Haider" hätten Megymorez und Xander zur Zahlung des Geldes an Birnbacher und damit zur Ausführung der Straftat bestimmt.
"Ein Primat der Politik"
Richter Manfred Herrnhofer sprach in seiner Urteilsbegründung vom System Haider in Kärnten. „Hier gab es ein Primat der Politik. Haider war derjenige, der politisch bestimmt hat." Die beiden Vorstände der Landesholding wären zwar außen vor gelassen worden, hätten die Leistungen Birnbachers aber dennoch hinterfragen müssen. „Es war der ausgesprochene Befehl: Das Honorar ist zu übernehmen." Überwiesen wurde das Honorar in zwei Tranchen „nach wiederholter Aufforderung von Martinz".
Birnbacher hatte im Laufe des Prozesses ein Geständnis abgelegt. Er habe einen Beitrag zur Aufklärung leisten wollen, so der 71-Jährige. „Aus der damaligen Sicht habe ich mich nicht als Werkzeug gesehen. Aus der heutigen Sicht weiß ich, dass ich sehr wohl als Werkzeug missbraucht wurde. Ich bereue es, bei diesem Spiel mitgespielt habe." Sein Anwalt Richard Soyer forderte im Hinblick auf Strafmilderung die Anwendung jener Paragrafen, welche die so genannte „kleine Kronzeugenregelung" betreffen. „Mein Mandant ist ein großer Kronzeuge, ohne ihn wäre eine Aufklärung nicht möglich gewesen." Richter Herrnhofer verneinte, dass hier ein Fall für die Kronzeugenregelung vorliege.
Die Causa Birnbacher hat Josef Martinz das Ende seiner Tätigkeit als Kärntner VP-Obmann beschert - und eine (nicht rechtskräftige) Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren. Der Ex-Politiker legte Berufung gegen das Urteil ein, er sieht sich als "Bauernopfer" der Volkspartei. Am 11. März verurteilte der Oberste Gerichtshof den Ex-Politiker rechtskräftig zu 4,5 Jahren Haft. Ein Rückblick auf den Aufstieg und den Fall des schwarzen Betriebswirts. (c) APA/Gert Eggenberger
Martinz wurde am 14. Februar 1959 geboren und absolvierte nach der Mittelschule das Studium der Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, das er mit einem Doktorat abschloss. Politisch tätig ist er seit den frühen 80er-Jahren, 1991 wurde er in Ossiach (Bezirk Villach Land) Gemeinderat. (c) APA (GERT EGGENBERGER)
1997 kandidierte er für das Bürgermeisteramt und setzte sich in der Stichwahl deutlich durch. Sechs Jahre später, am 9. März 2003, schaffte Martinz mit 60,8 Prozent souverän die Wiederwahl. Im Bild: Martinz und der mittlerweile verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider. (c) AP (GERT EGGENBERGER)
Nach seiner Kür zum Parteiobmann legte er die Funktion des Bürgermeisters zurück und wurde Agrarlandesrat in der Regierung. Dazu hatte er die Europaagenden über und war bis zu seinem Rückzug aus der Landesregierung Aufsichtsratsvorsitzender der Kärntner Landesholding, welche die Millionen aus dem Hypo-Verkauf verwaltet. Im Bild: Vorstand der LB Bayern Werner Schmidt und Martinz. (c) APA (Gert Eggenberger)
Als sein politisches Credo nannte Martinz stets "Zusammenarbeit, um Probleme für die Bürger zu lösen". Nicht müde wurde er, seine Wirtschaftskompetenz zu betonen. Der Unternehmer betreibt in Ossiach die Terrassen Camping KG mit Campingplatz, Restaurant, Geschäft und Tennisplatz. Im Bild: Martinz und Ex-ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein.
Nach der Wahl 2009 einigte sich der zweifache Familienvater und Ehemann Martinz relativ rasch mit den Freiheitlichen auf eine Koalition, was nicht alle Schwarzen goutierten. Doch angesichts des "Superressorts", das er für sich herausschlagen konnte - Martinz wurde für Wirtschaft, Gemeinden, Land-und Forstwirtschaft sowie EU-Agenden und Tourismus verantwortlich - blieb die Kritik leise. (c) APA (GERLIND ROBITSCH)
Laut wurde sie erst im vergangenen Jahr, als Uwe Scheuch - nicht rechtskräftig - wegen des Verbrechens der Geschenkannahme verurteilt wurde (das Urteil wurde später aufgehoben, Scheuch aber erneut verurteilt). Martinz legte die Koalition "auf Eis", de facto blieb sie aber aufrecht, viele Beschlüsse gingen in koalitionärer Eintracht über die Bühne.Im Bild: Martinz und FPK-Chef Uwe Scheuch. (c) APA (GERT EGGENBERGER)
Im Frühling 2012 wurde es dann ernst: Noch vor der Anklageerhebung im März trat Martinz im Jänner als Landesrat zurück, Parteichef blieb er aber vorerst. Im Juli wurde dann Scheuch erneut - nicht rechtskräftig - verurteilt. Bisher trat er nicht zurück. ÖVP-Obmann Michael Spindelegger betonte aber: "In der ÖVP gibt es keinen Fall Uwe Scheuch. Die Vorgangsweise für uns ist glasklar: Wer verurteilt wird, der muss sofort zurücktreten." (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Danach wurde Martinz nur mehr selten in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Er zeigte sich zunächst weiter von seiner Unschuld überzeugt und hatte angekündigt, im Falle eines Freispruchs wieder in die Regierung zurückkehren zu wollen. Am Bild: Einer der raren Auftritte des ÖVP-Chefs bei den Kärnten Golf Open 2012. (c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Wolfgang Jannach)
Am 25. Juli dann die Wende: Der Kärntner ÖVP-Chef legte ein Geständnis ab: "Nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes haben Haider und ich die Idee entwickelt, dass etwas an die Parteien gehen soll." Damit war Martinz' politisches Schicksal besiegelt: Er gab die Abmachung zu und trat auch als ÖVP-Obmann zurück. Am 1. Oktober folgte das (nicht rechtskräftige) Urteil: Fünfeinhalb Jahre unbedingte Haft. (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
Martinz fühlt sich aber ungerecht behandelt, sein Anwalt legte daher umgehend Berufung ein. "Ich kann mir beim Rasieren jeden Tag in die Augen schauen und mit dem kommunizieren, der mir da aus dem Spiegel entgegenblickt", so Martinz. "Überdrüssig war und bin ich nicht. Aber ich muss jetzt kämpfen, weil ich nicht für immer als Prügelknabe der Nation dastehen will." (c) Dapd (Gert Eggenberger)
Am 11. März 2013 folgt der nächste Schlag für Martinz: Der Oberste Gerichtshof bestätigt den Schuldspruch der ersten Instanz. Allerdings wird das Strafausmaß verringert: Der Ex-Politiker wird rechtskräftig zu 4,5 Jahren Haft verurteilt. APA/ROLAND SCHLAGER
Der Fall des schwarzen Betriebswirts
Die Verteidiger der drei Mitangeklagten versuchten den Villacher Steuerberater als alleinigen Schuldigen darzustellen. „Er hat mit keinem Sterbenswörtchen gesagt, dass 300.000 Euro angemessen gewesen wären", sagte Martin Nemec, Anwalt von Megymorez. Birnbacher sei kein „Saubermann und Aufdecker", er habe Haider und Martinz getäuscht, sagte der Anwalt von Josef Martinz, Alexander Todor-Kostic. Zum Honorar Birnbachers sagte er: „Exorbitant hohe Transaktionssummen verursachen exorbitant hohe Erfolgshonorare." Und weiter: „Es ist nicht strafbar, wenn man danach Parteien nutznießen lässt. Das ist politisch unappetitlich, aber nicht strafbar."
Martinz: „Grauslich für mich"
Martinz selbst sagte in seinem emotionalen Schlusswort, er könne auch heute nicht anders handeln: „Von Anfang an stand das Geschäft für Kärnten im Mittelpunkt. Es ist geglückt, es war in Summe gesehen für Kärnten ein absoluter Glücksfall." Er musste aber auch sich selbst eingestehen: „Es war ein Fehler bei Birnbacher anzufragen. Es war grauslich für mich, und hat ein Erdbeben in Kärnten ausgelöst."
Nach Straches Ansicht hat der Steuerberater Dietrich Birnbacher in dem Verfahren versucht, sich am "System Haider" abzuputzen. Der FPÖ-Obmann zieht seine eigenen Lehren aus den Urteilen im Kärntner Birnbacher-Prozess.
Ein Jahr Haft pro veruntreuter Million. Diese Faustregel könnte das Verhalten in den Graubereichen heimischer Politik schlagartig und nachhaltig verändern.
Experte Helmut Fuchs hält fünfeinhalb Jahre Haft für vertretbar. Josef Martinz ortet hingegen einen „Schauprozess“ und einen „Alptraum“. Als Strafmaß kamen zwischen vier und sechs Jahre Haft in Betracht.
Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.