Pflege: „Auch wir brauchen ein Upgrading“

(c) APA (Barbara Gindl)
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Im Schatten der Laien kämpft auch die Fachpfleger-Zunft mit Problemen. Es mangelt an diplomiertem Personal. Und: Sie fühlt sich politisch vernachlässigt.

WIEN. Nicht, dass der Pfleger-Schwarzmarkt ein gänzlich neues Phänomen wäre. Doch erst im Vorjahr hat er es zu zweifelhafter Berühmtheit gebracht, als nämlich hierzulande der Pflegenotstand ausgerufen wurde. Die Folgen sind bekannt: Ein neues Gesetz, das die 24-Stunden-Betreuung regelt, wurde geschaffen. Samt Amnestie und deren Verlängerung, nachdem der Rechtspassus per 2008 in Kraft getreten war.

Fast eineinhalb Jahre sind zwischenzeitlich verstrichen, und fast jeder spricht über die Laien-Pfleger und ihre Befindlichkeiten. Aber kaum jemand spricht über die Fachpflegerschaft. Dabei hat auch die mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wie ein „Presse“-Rundruf bei Volkshilfe, Caritas, Hilfswerk und dem Krankenpflegerverband deutlich machte.

Problem Nummer eins: Der Diplomierten-Mangel. In der Pflege-Hierarchie stehen sie ganz oben, die diplomierten Krankenpfleger. Sie haben eine dreijährige Ausbildung hinter sich (Anfangsgehalt: 1500 Euro brutto) und damit mehr Fachkenntnis als die Altenfachbetreuer (1600 Stunden) und Heimhelfer (400). Aber sie bleiben meist im Krankenhaus, wo sie ausgebildet werden – und gehen dann in der mobilen Pflege ab. „Bei Heimhilfen und Altenfachbetreuern haben wir keinen Engpass“, erzählt Robert Hartmann aus der Praxis der Volkshilfe. Und spricht dann der ganzen Branche aus der Seele: „Wir brauchen mehr Diplomierte. Ihr Anteil liegt unter 20 Prozent.“

BHS für Krankenpfleger?

Woran das liegt? „Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze, der stationäre Bereich ist lukrativer, und die Lücke zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn (erst mit 17 Jahren, Anm.) ist problematisch.“ Hartmanns Lösungsansatz: „Eine Art BHS für Krankenpfleger, gekoppelt an eine berufsbegleitende Variante für Umsteiger.“

Problem Nummer zwei: Das geplante Upgrading der 24-Stunden-Betreuer. Gesundheitsministern Andrea Kdolsky (ÖVP) will die Kompetenzen der Laien-Pfleger erweitern, sie sollen künftig auch Injektionen setzen, Nahrung verabreichen und bei der Körperpflege behilflich sein dürfen. Vorausgesetzt, ein Arzt oder eine Fachkraft hat den jeweiligen Personenbetreuer dazu legitimiert. „Rechtssicherheit“ will die Ministerin mit dieser Neuregelung schaffen – und die Laien, die ohnehin (illegale) Pflegeleistungen erbringen, sozusagen aus dem Graubereich holen.

Kritik an Gesetzesentwurf

Die Begutachtungsfrist der Novelle endete am vergangenen Freitag. Davor war noch einiges an Kritik laut geworden, obwohl der Versuch, die Gesetzeslage der Realität anzupassen, grundsätzlich begrüßt wird. Experten stoßen sich vor allem an der Übertragung medizinischer Tätigkeiten, etwa dem Anlegen von Verbänden oder dem Verabreichen subcutaner Injektionen (in die Unterhaut). Während der Hauptverband der Sozialversicherungsträger zumindest eine schriftliche Anordnung durch einen Arzt oder eine diplomierte Fachkraft fordert, lehnen Gewerkschafts- und Samariterbund diesen Schritt kategorisch ab.

Die Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegerverbandes (ÖGKV) stimmt in den Kritiker-Chor mit ein: Kdolskys Plan provoziere eine „Negativentwicklung, weil die Kompetenzen verwässert werden“, behauptet Ursula Frohner. Weder Zuständigkeit noch die Haftungsfrage, wenn der Patient stirbt, seien hinreichend geklärt. Also appelliert die Verbandschefin an die Ministerin, „den nächsten Schritt zu gehen“. Und zwar hin zu einem „Case- und Care-Management“, das so viel bedeutet wie: Beratung und Kontrolle der Laien in die Hände des Fachpersonals zu legen.

Von Existenzängsten im Zuge der Personenbetreuer-Invasion wird die ganze Pflegerzunft aber nicht geplagt, im Gegenteil: Die Politik werde früher oder später erkennen, dass auch Fachkräfte im Fahrwasser der Demografie mehr denn je gebraucht werden. Laut Frohner fehlt dem ganzen Berufsstand jetzt bloß noch eines: „Auch ein rechtliches Upgrading.“

DIE GESETZESNOVELLE

Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) will die Kompetenzen der Laien-Pfleger im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung erweitern. Sie sollen auch Injektionen setzen, Nahrung verabreichen und bei der Körperpflege helfen dürfen. Kritiker befürchten eine „Verwässerung der Kompetenzen“ und orten Gefahren bei der Übertragung medizinischer Tätigkeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2008)

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