Jugoslawischer Geheimdienst: "Infiltration wie bei der Stasi"

ZWEISPRACHIGE ORTSTAFEL IN KAERNTEN
ZWEISPRACHIGE ORTSTAFEL IN KAERNTENAPA/GERT EGGENBERGER
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Die Vorwürfe gegen Eugen Freund rücken den jugoslawischen Geheimdienst ins Blickfeld. Dieser hat Österreich und vor allem Kärnten mit einem Informantennetz überzogen und bei Sprengstoffanschlägen die Fäden gezogen.

Eugen Freund ist ein Opfer von Dirty Campaigning. Da der EU-Spitzenkandidat der SPÖ im Register des früheren jugoslawischen Geheimdienstes UDBA auftaucht, musste er sich Vorwürfe anhören, er habe spioniert. Beweise gibt es dafür keine, weil die entsprechenden Akten längst vernichtet wurden. Aber im Register tauchen auch jene Personen auf, die vom Geheimdienst ausspioniert wurden – und das ist doch bei Weitem die wahrscheinlichere Variante.

Die Wahlkampfaffäre bringt allerdings ein Stück Zeitgeschichte wieder ins Blickfeld: Der jugoslawische Geheimdienst hat im Österreich der Nachkriegszeit eine nicht unbedeutende Tätigkeit entfaltet. Und das durchaus mit mithilfe von Österreichern, die– teils aus Überzeugung, teils gegen Bezahlung – für den Nachbarstaat spioniert haben.

Seit drei Jahren untersucht eine Historikerkommission im Auftrag der Kärntner Landesregierung diese Verstrickungen. Deren Bericht war schon für 2012 anvisiert, heuer solle es aber tatsächlich so weit sein. Was man jetzt schon weiß: Unter den 15.000 Österreichern, die im Register aufscheinen, dürften mindestens 72 für den UDBA tätig geworden sein, sagt Alfred Elste, der gemeinsam mit Landesarchiv-Direktor Wilhelm Wadl die Historikerkommission leitet. 40 davon hauptberuflich, 32 werden in den Akten als „Quelle“ genannt. „Da sind honorige Personen darunter, alle Berufsschichten waren vertreten“, sagt Elste.

Interessiert war der UDBA vor allem an Kontakten in Richtung Polizei und Militär. „Die Sicherheits- und Polizeidirektionen sind richtiggehend infiltriert worden“, sagt Elste. „Das war wie bei der Stasi in der BRD. Deutschland arbeitet die Sache auf, wir stehen da erst am Anfang.“

Die Historikerkommission weiß beispielsweise, wer die Daten von tausenden Polizeibeamten an den UDBA weitergegeben hat. Und sie kennt einen Mitarbeiter des Heeresnachrichtendienstes HNA, der von 1957 bis zu seiner Pensionierung 1987 tausende Seiten mit Unterlagen nach Jugoslawien geschickt hat. Am Beginn dieser Zusammenarbeit seien „finanzielle Kalamitäten“ gestanden. Die entsprechenden Namen stehen im Bericht, sie werden damit demnächst öffentlich bekannt.

Auf noch höhere Zahlen, nämlich 200 österreichische UDBA-Mitarbeiter, kommt der slowenische Publizist Roman Leljak, der Ende Juni ein Buch mit der Liste veröffentlichen will. Leljak ist allerdings in Slowenien umstritten. Er ist derjenige, der Eugen Freund der Spionage bezichtigt hat, ohne über entsprechende Dokumente zu verfügen. Seine Aussagen sind damit zweifelhaft.

Zentrales Thema für den jugoslawischen Geheimdienst war natürlich Kärnten. Jugoslawien fühlte sich als Schutzmacht der Kärntner Slowenen und stellte auch nach 1945 noch Gebietsansprüche an Österreich. Die Konfliktsituation rief nicht nur den jugoslawischen, sondern auch andere ausländische Geheimdienste auf den Plan. So den deutschen Bundesnachrichtendienst und den amerikanischen Geheimdienst CIC. Letzterer hatte übrigens prominente Mitarbeiter: Leopold Guggenberger, später langjähriger Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt, und Fritz Molden, später Eigentümer und Herausgeber der „Presse“.

In den 1970er-Jahren kam es in Kärnten zu einer Radikalisierung. Auf der einen Seite durch den sogenannten Ortstafelsturm: Deutschnationale Kärntner demontierten in einer konzertierten Aktion zweisprachige Ortstafeln, die Bundeskanzler Bruno Kreisky zuvor aufstellen hatte lassen, um die im Staatsvertrag festgeschriebenen Verpflichtungen gegenüber der slowenischen Minderheit zu erfüllen.

Auf der anderen Seite wandelte sich die slowenische Volksgruppe: Eine neue junge Führungsschicht, ausgebildet im slowenischen Gymnasium in Klagenfurt und angestachelt vom politischen Aktionismus der 1968er-Generation, sorgte für ein wesentlich selbstbewussteres politisches Auftreten. In diese Zeit fielen auch radikalere Entwicklungen: Laut Elste bildete sich eine leninistisch-maoistische Gruppe, die sogar Kontakte zur IRA, zu den Roten Brigaden und zu baskischen Untergrundorganisationen gehabt haben soll.

Nach dem Ortstafelsturm kam es auch zu Sprengstoffanschlägen auf Bahnlinien und Stromleitungen. Dabei zog der jugoslawische Geheimdienst die Fäden – vermutlich unter Mithilfe von Kärntnern. Das behauptet zumindest der frühere slowenische Ministerpräsident Janez Janša unter Berufung auf ein Dossier mit Dokumenten des UDBA.

Offenkundig wurde die Rolle des Geheimdienstes beim letzten und schwersten Anschlag: Zwei UDBA-Agenten sprengten 1979 das Heimatmuseum in Völkermarkt und wurden dabei selbst schwer verletzt. Sie wurden verurteilt und später gegen österreichische Agenten, die in Jugoslawien verhaftet worden waren, ausgetauscht. Danach stellte der Geheimdienst – wohl infolge diplomatischer Aktivitäten – die Anschläge ein.

Neben Kärnten hatte der Geheimdienst ein weiteres Betätigungsfeld: Er beobachtete die Tätigkeit jugoslawischer Exilanten und agierte teilweise mit brutalen Methoden. Zwischen 1970 und 1989 wurden allein in Deutschland 22 Exilkroaten liquidiert – die meisten Opfer waren Protagonisten kroatischer Exilverbände. Auch zwei Fälle aus Österreich sind dokumentiert.

Im Februar 1975 wurde in Klagenfurt der Gemüsehändler Nikola Martinovic von einem Profikiller ermordet. Martinovic war ehemaliger Leutnant der mit Hitler-Deutschland kollaborierenden Ustascha und pflegte die Gräber kroatischer Soldaten und Zivilisten, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Raum Bleiburg von Partisanen ermordet worden waren. Für Mai 1975 hatte Martinovic einen Schweigemarsch geplant, an dem Kroaten aus aller Welt teilnehmen sollten.

1972 kidnappte ein Kommando den Exilkroaten Stjepan Crnogorac in Salzburg. Die Täter gaben vor, sie seien österreichische Polizisten, die das Opfer zur Polizeiinspektion bringen wollen. Stattdessen betäubten sie ihn und schafften ihn über die Grenze. Dort wurde Crnogorac laut Dokumenten des jugoslawischen Geheimdienstes mehrere Tage lang verhört und schließlich liquidiert.

Kärntner Slowenen

Monarchie. Südkärnten ist jahrhundertelang weitgehend slowenischsprachig. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es nationale Konflikte in dem Gebiet.

1920. Nach Zerfall der Habsburgermonarchie ist die Zugehörigkeit Südkärntens umstritten. In einer Volksabstimmung entscheidet sich eine klare Mehrheit für Österreich.

1945. In Kärnten kämpfen Partisanenverbände. Jugoslawien erhebt nach Ende des Krieges Gebietsansprüche.

1955. Der Staatsvertrag schreibt Rechte der Minderheit wie Amtssprache, Schulunterricht und Ortstafeln fest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2014)

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