Schelling: Das Gegenteil von Spindelegger

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hans Jörg Schelling hat im Finanzministerium bereits einen kleinen Kulturwandel bewirkt. Mit einer Art Zuckerbrot-und Peitsche-Methode, gespeist aus Lebenserfahrung, privatwirtschaftlichem Praxisbezug und einem Hang zur Selbstdarstellung.

Am Donnerstag war Hans Jörg Schelling zum Weltbank-Treffen nach Washington geflogen. Heute, Sonntag, kehrt er für kurze Zeit in die Heimat zurück. Am Montag nimmt er am Treffen der Euro-Gruppe im französischen Straßburg teil. Am Dienstag geht es zum Ecofin nach Luxemburg. Am Mittwoch sitzt er dann wieder in seinem Ministerium in Wien.

Der Terminkalender des neuen österreichischen Finanzministers ist derzeit mehr als voll. Zum einen sind da die üblichen Antrittsbesuche bei seinen europäischen Kollegen. Vor allem aber hat Schelling keinen Staatssekretär zur Seite, den er als Vertretung nach Brüssel oder zu den Ausschüssen in den Nationalrat schicken könnte.

Es ist nicht so, dass Schelling keinen gewollt hätte. Es gab nur keinen für ihn. Bei der vorletzten Regierungsumbildung wurde ein Staatssekretär eingespart. Und nun wurden die beiden bisherigen im Finanzressort ins Wirtschaftsministerium respektive Kanzleramt abgezogen.

So ist Schelling mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Was ihn aber nicht davon abgehalten hat, in seinem ersten Monat im Finanzministerium ein Tempo vorzulegen, das man dort lange nicht mehr erlebt hat. „Er hat eine unglaubliche Energie, lässt sich dabei aber nicht aus der Ruhe bringen“, erzählt ein Mitarbeiter.

Lachen muss sein. Schelling weiß, was er will. Und gibt das auch weiter. Bereits eine Stunde nach der Amtsübernahme von Michael Spindelegger hatte er die Sektionschefs um sich versammelt. Die erwartete „Wir lernen uns jetzt erst einmal kennen“-Runde ließ er aus. Stattdessen legte er seine eigenen Vorstellungen dar und ließ sich berichten, wie der Stand der Dinge bei der Steuer- und Verwaltungsreform sei. „Er ist ein Typ, der die Dinge lieber heute als morgen erledigt hat“, erzählt einer, der dabei war. Er habe aber auch immer ein Lachen übrig. Das Modell Zuckerbrot und Peitsche also.

Im Vergleich zu manchem Vorgänger braucht Schelling kein Briefing, um zu verstehen, was seine Führungskräfte von ihm wollen. Seine eigenen Vorstellungen sind sehr von seiner früheren Tätigkeit als Manager in der Möbelbranche, zuerst bei Leiner/Kika und später bei der Lutz-Gruppe, geprägt. Die Beseitigung von Schikanen auf Unternehmerebene ist ihm daher ein Anliegen. Auch Formulare hasst er. So hat er den Sektionschefs zu Beginn gleich einmal mitgegeben, dass er sich etwa die baldige Umsetzung der antragslosen Familienbeihilfe wünsche.

Im Vergleich zu den Problemen, mit denen Schelling sonst noch konfrontiert ist – von der Hypo und der Steuerreform abwärts – scheint das nachgerade lächerlich. Aber es ist ihm wichtig. Auch den ob der Ämterzusammenlegungen frustrierten Beamten im neuen Megafinanzamt Wien-Mitte hat der neue Finanzminister gleich in der zweiten Woche einen Besuch abgestattet. Seine joviale, offene Art kam dabei gut an.

Ob Schelling den Vorschusslorbeeren gerecht wird, wird sich erst zeigen. Er hat allerdings einen psychologischen Vorteil: Seine Vorgänger haben nicht die beste Nachrede.

Wilhelm Molterer galt als Autist, der kaum mit seinen Sektionschefs kommunizierte, auch sein Kabinett galt als eher inhaltsleer und schwach. Unter dem – ähnlich Schelling – ebenso jovialen wie offenen Josef Pröll gab es dann ein kleines Zwischenhoch. Doch dann kam Maria Fekter, die alle Entscheidungen, auch noch die kleinsten, an sich zu reißen versuchte. Womit diese vielfach dann erst recht liegen blieben. Und auch Michael Spindelegger blieb mehr oder weniger ein Fremdkörper im Finanzressort. Die Feindschaft zu Vorgängerin Fekter wirkte hier auch noch nach. Fekter-Vertraute hatten kein leichtes Leben.

Spindelegger wurde vorgeworfen, nicht auf seine Sektionschefs zu hören. „Die Fachmeinung“, sagt ein Insider, „hat bei ihm immer weniger gezählt als die politisch-ideologische.“ Aus Unsicherheit heraus sei er oft auch schlecht beraten gewesen.

„Das Um und Auf ist die Qualität der Kabinette“, meint ein hochrangiger Ministeriumsbeamter. Diese seien seit Jahren kaum noch mit Kapazundern besetzt, wie sie den Ansprüchen des Finanzministeriums entsprechen würden. Spindeleggers Kabinettschef Thomas Schmid hat Schelling nun einmal übernommen. Ob das so bleiben wird, darüber rätselt man im Ministerium. Denn es dürfte größere Finanzexperten geben als den früheren Pressesprecher von Elisabeth Gehrer, des ÖVP-Klubs und von Michael Spindelegger.

Keine Selbstzweifel.Von Selbstzweifeln scheint Hans Jörg Schelling nicht geplagt. Und er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Bei der Regierungsklausur in Schladming einigten sich SPÖ und ÖVP auf eine Reform der Staatsholding ÖIAG. Bis Ende des Jahres wird geprüft, ob es sinnvoll ist, weitere Staatsbetriebe wie die Asfinag oder den Verbund unter das ÖIAG-Dach zu verschieben. Alle stehen zur Diskussion, nur die ÖBB wurden – auf Wunsch der SPÖ – ausgenommen.

Der Finanzminister nahm das zwar zur Kenntnis, meinte danach aber vor Journalisten: Er finde, dass kein Unternehmen schon von vornherein ausgeschlossen werden sollte, auch nicht die Bundesbahnen. Der SPÖ gefiel das gar nicht, und auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, ein gelernter Sozialpartner, soll alles andere als erfreut gewesen sein.

Schelling sei viel entscheidungsfreudiger als sein Vorgänger, heißt es in Regierungskreisen. Allerdings müsse er noch lernen, dass er nicht alles allein entscheiden könne. Er hat jetzt Chefs, den Kanzler und den Vizekanzler in der Regierung, den Parteiobmann in der ÖVP. Dazu kommt, dass Mitterlehner ein hierarchisch denkender Politiker ist: Es kann nur einen Chef geben. Nämlich ihn.

Für Schelling ist das Neuland. In seiner bisherigen Karriere war meistens er die Nummer eins gewesen, zuletzt im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Die Gesundheitsreform hat er mitentworfen. Seinen damaligen Verhandlungspartnern ist Schelling als jemand in Erinnerung geblieben, der selbstbewusstes Auftreten mit Konsequenz verbunden habe. Allerdings sei er auch „sehr, sehr eitel“ gewesen. Inszenierung spielte bei ihm stets eine Rolle, „wobei vor allem wichtig ist, dass er gut vorkommt.“

Die Mitarbeiter im Hauptverband wissen Ähnliches zu berichten. Schelling habe Manager- und Verkaufsqualitäten. Und anders als sein Vorgänger Erich Laminger habe er sich das Verkaufen nie nehmen lassen. Er, Schelling, war der Hauptverband.

Dort wurde Schellings Wechsel ins Finanzministerium durchaus mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Er sei zwar fordernd gewesen, aber auch beliebt, erzählt ein Insider. „In einer Organisation, in der einem die Mitarbeiter meistens erklären, warum etwas nicht geht, hat er einen Mentalitätswechsel bewirkt. Er hat das Beste aus den Leuten herausgeholt.“

Laut sei er dabei nie geworden, manchmal geriet er allerdings unter Arroganzverdacht. Gesprächspartnern habe er oft den Eindruck vermittelt, sie langweilten ihn. Weil er nicht zuzuhören schien, abwesend wirkte. „Aber gemerkt hat er sich alles.“

Strammer Neoliberaler. In Regierungs- und ÖVP-Kreisen hält man Hans Jörg Schelling jedenfalls zugute, authentisch zu sein. Er sei so, wie er sich gebe. Von Spindelegger hatte man diesen Eindruck nicht immer, besonders nicht im Nationalratswahlkampf. Auch ideologisch gibt es große Unterschiede zwischen den beiden. Auf Spindelegger, der aus der Arbeitnehmervertretung kam und die christlich-soziale Lehre im Zweifelsfall über die kapitalistische stellte, sei ein „strammer Neoliberaler“ gefolgt, wie es manche in der Sozialdemokratie formulieren.

Wobei man dort schon als neoliberal gilt, wenn man Vorbehalte gegen Vermögensteuern hat.

ZUR PERSON

Hans Jörg Schelling wurde am 27.Dezember 1953 in Hohenems geboren. Für das Wirtschaftsstudium ging er nach Linz, 1981 promovierte er.

Seine berufliche Laufbahn
begann Schelling im selben Jahr als Assistent der Geschäftsleitung bei Kika/Leiner. 1988 wurde er Geschäftsführer. Vier Jahre später wechselte er in derselben Funktion zum damals noch relativ unbekannten Möbel-Lutz und wurde mit zwölf Prozent am Unternehmen beteiligt. Schelling machte Lutz zum zweitgrößten Möbelhaus der Welt nach Ikea. Als er seine Anteile im Jahr 2009 verkaufte, verdiente er ein Millionenvermögen.

Politisch begann sich Schelling erst spät zu engagieren. 2001 wurde er Gemeinderat in seiner Wahlheimat St. Pölten. 2007/2008 saß er für die ÖVP im Nationalrat. Ab 2004 war er Vizepräsident der Wirtschaftskammer, ab 2009 Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. 2012 machte ihn die damalige Finanzministerin Maria Fekter zum Aufsichtsratschef in der teilverstaatlichten Volksbanken AG (ÖVAG). Am 1.September 2014 löste er Michael Spindelegger als Finanzminister ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2014)

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