Nervosität in der SP: Nachfolge-Kämpfe um Gusenbauer

(c) AP (Hans Punz)
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Ab Montag liegen die Karten auf dem Tisch: Der Kanzler und SPÖ-Chef führt ein Rückzugsgefecht. Wird Werner Faymann Parteichef und bald Bundeskanzler?

Die Quoten stünden hoch für Alfred Gusenbauer. Doch selbst in der eigenen Partei würde kaum einer mehr auf den Verbleib des Kanzlers wetten. „Das ist nicht mehr in den Griff zu kriegen und rational nicht mehr fassbar“, heißt es sogar von jenen, die seinen Abgang bisher kategorisch ausgeschlossen haben.

Am Montag bei der SPÖ-Präsidiumssitzung könnte es so weit sein: Bürgermeister Michael Häupl wird voraussichtlich Infrastrukturminister Werner Faymann als Nachfolger Alfred Gusenbauers vorschlagen: zumindest als neuen Parteichef ab Oktober. Da findet ein SPÖ-Parteitag statt. Damit wäre Gusenbauer aber auch als Kanzler ab sofort handlungsunfähig, Faymann wohl auch bald Regierungschef.

Arbeiten am Befreiungsschlag

Im Kanzleramt scheint man sich mit der neuen Lage abgefunden zu haben. In Erwägung gezogen wird dort aber noch ein Befreiungsschlag in der Montagssitzung: Der reicht von starken inhaltlichen Ansagen Gusenbauers bis hin zu einer Regierungsumbildung, gemeinsam mit der ÖVP, die ja demnächst ihren Innenminister nach Tirol schicken wird.

Dass die Tage Gusenbauers gezählt sein könnten, hat bisher aber nur der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk laut gesagt, der sich in ZiB und „Krone“ unverblümt für einen Führungswechsel ausgesprochen hat. Sozialminister Erwin Buchinger räumte im „Kurier“ lediglich ein, dass es „ungünstig läuft“. Gusenbauer soll Kanzler und Parteichef bleiben.

Werner Faymann selbst hat in einem „Standard“-Interview am Mittwoch gemeint, die SPÖ habe den Umstieg in die Regierung „nie wirklich geschafft“. Auch wenn er sich mit seinen Aussagen, oberflächlich betrachtet, für Gusenbauer einsetzt, bezieht er doch bereits seine eigene Position in einer Art Stellungskrieg. Klar ist, dass Faymann bei einem Parteitag niemals in eine offene Kampfabstimmung gegen Gusenbauer ziehen würde.

Noch stehen offiziell alle in der Partei geschlossen hinter Gusenbauer, parteiintern wurde am Donnerstag die Parole „abwarten“ ausgegeben. Andere mögliche Kandidaten sagen zu ihrem möglichen Antreten nicht: „Blödsinn“, sondern sie sagen: „Kein Kommentar“ – etwa Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer oder RTL-Boss Gerhard Zeiler. Auch das spricht Bände.

Der amtierende Kanzler kann derzeit offenbar weder die eigenen Funktionäre noch die Wähler überzeugen. Es sei ihm nicht gelungen, der Regierung ein soziales Image zu verpassen, lautet der parteiinterne Vorwurf. Manche Genossen meinen sogar, es sei nach Schwarz-Blau nicht besser, sondern sogar schlechter geworden. Eine bundespolitische Wahl mit Gusenbauer wäre ein Debakel, so die Befürchtung. Und was für viele Länderchefs noch viel schwerer wiegt: Auch ihr eigener Wahlerfolg ist mehr als nur gefährdet, eher schon unwahrscheinlich.

Häupl ist nervös

Wer entscheidet eigentlich in der SPÖ? Bürgermeister Häupl, übrigens „Erfinder“ Gusenbauers, ist der wichtigste Mann. Und er ist auch besonders nervös: Die Wiener SPÖ hat desaströse Umfrageergebnisse in der Schublade liegen, die „Absolute“ wird 2010 wohl ganz sicher Geschichte sein.

Mitreden darf auch Franz Voves, Landeshauptmann im zweitwichtigsten roten Bundesland, das ist derzeit die Steiermark. Er war noch nie ein Freund Gusenbauers.

Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ist stark geschwächt: Einerseits ist ihr Stern im Land im Sinken (gewählt wird schon im März 2009), andererseits hat sie sich durch ihren Absprung von der Bundesparteispitze am Tag der Regierungsklausur und knapp vor der Tirol-Wahl selbst ins Out geschossen. Auch wenn man ihr inhaltlich Recht gibt: Mit dieser Bundes-SPÖ will niemand etwas am Hut haben.

Aber wie wird die ÖVP auf die Neuigkeiten reagieren? Das ist ein Punkt, der in der SPÖ intensiv diskutiert wird. Dass sich die Schwarzen möglichst einen schwachen Gegner, also Alfred Gusenbauer, erhalten wollen, ist klar. Die Vizekanzlerpartei hält sich daher aus der Debatte raus, um ihn nicht noch weiter zu beschädigen. Denn eine Erneuerung an der Spitze der SPÖ (und damit wohl auch bald an der Regierung) könnte Wilhelm Molterer durchaus gefährlich werden, der seit der Nationalratswahl in Umfragen vorne liegt, aber nicht klar genug, um selbstsicher einen Urnengang anzupeilen. Sonst hätte es die Volkspartei längst getan.

Aber selbst wenn die ÖVP Platz eins erreichen würde, was dann? Noch einmal eine Große Koalition mit der dann vollkommen frustrierten SPÖ bilden? Mit den schwächelnden Grünen wird sich eine Koalition nicht ausgehen, mit den Blauen eventuell, aber das ist für keine der beiden Großparteien eine attraktive Alternative.

Wahlen als Risiko

Kommt Werner Faymann auch als Kanzler, wäre es für die ÖVP schwierig, eine vorzeitige Wahl zu erklären. Immerhin ist Faymann nicht nur Minister, sondern auch Regierungskoordinator. Seine Geschmeidigkeit ist derzeit Vorteil, könnte ihm später aber auch zum Nachteil gereichen. Weil er mit allen kann, würde ihm die SPÖ irgendwann vielleicht genauso vorwerfen, sich von der ÖVP „über den Tisch ziehen zu lassen“, eine beliebte Kritik an Gusenbauer.

Denkbar wären Wahlen im Herbst. Die SPÖ wird, um ihr soziales Image zu schärfen, „Goodies“ verteilen wollen. Das wollen Teile der ÖVP zwar auch, aber Finanzminister Molterer will das Budget nicht aus dem Ruder laufen lassen. Beste Voraussetzungen für den nächsten Koalitionskrach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2008)

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