Die Angst, ewiger Zweiter zu bleiben

ANALYSE. Manch schwarzem Landesparteichef steht bei einer Neuauflage der Großen Koalition ein Aufstand der Funktionäre ins Haus. Wahlen sind dann schwer zu gewinnen.

WIEN. Was gibt es Schlimmeres für einen Politiker, als ewiger Zweiter zu sein? Höchstens noch, auf den dritten Platz zurückzufallen. Ein Schicksal, das vier rote Landeschefs, derzeit vor allem aber fünf schwarze quält. Ihre strategische Ausgangsposition hängt ganz entscheidend davon ab, wie sich die Bundes-ÖVP in den nächsten Wochen positioniert. Eine neuerliche Große Koalition hat deshalb in der Steiermark, in Kärnten und im Burgenland die wenigsten Freunde. Und auch die Wiener und die Salzburger sind nicht unbedingte Rot-Schwarz-Euphoriker.

Verlust schwarzer Kernländer

Besonders dramatisch sieht es für den Kärntner Josef Martinz, den Steirer Hermann Schützenhöfer und den Salzburger Wilfried Haslauer aus. Letztere sitzen in einem einst tiefschwarzen Bundesland, das unter einer schwarz-blauen Bundesregierung an die SPÖ verloren ging. Und in Kärnten war die ÖVP ohnehin nur eine zeitlich beschränkte Lösung zwischen Rot und Blau bzw. Orange. Martinz und Haslauer stehen zudem unmittelbar vor Landtagswahlen – März 2009. Schützenhöfer hat eineinhalb Jahre länger Zeit, scheint aber dennoch der nervöseste ÖVP-Landeschef zu sein. Aus der Steiermark kommen zurzeit die lautesten Zwischenrufe, geht es um die „drohende Neuauflage“ der Großen Koalition. Alles, nur das nicht, lautet die Devise. Die vorgeschlagenen Alternativen wechseln: Derzeit setzen die Steirer auf eine Konzentrationsregierung, man war aber auch schon Feuer und Flamme für Opposition oder für Schwarz-Blau-Orange.

Einer der Gründe für die Heftigkeit der steirischen Diskussion dürfte in der Person Schützenhöfer an sich und seinem Match mit dem roten Koalitionspartner Franz Voves liegen. Der ÖVP-Landeschef hatte nach dem Abgang von Waltraud Klasnic zudem ein schweres Erbe angetreten und konnte seine Sympathiewerte als ÖAABler unter den eigenen Funktionären nur schwer erhöhen. Gegen die eigene Basis aufzutreten, die auf keinen Fall eine Große Koalition will, wäre für Schützenhöfer also glatter politischer Selbstmord. Schließlich warten der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ein Wirtschaftsbündler) und Bauernbund-Obmann Fritz Grillitsch nur auf ihre Chance, wobei Ersterer unter den steirischen Schwarzen deutlich beliebter sein soll.

Wilfried Haslauer geht es da besser. Er wird zwar immer wieder als farblos im Vergleich zu seiner schillernden roten Gegenspielerin Gabi Burgstaller beschrieben. Doch bescheinigten ihm Umfragen zuletzt, dass eine Rückeroberung des schwarzen Kernlandes nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Davon können die anderen ÖVP-Chefs, die in zweiter Reihe stehen, wohl noch lange träumen. Der Kärntner Martinz musste Umfragen zufolge sogar um den Wiedereinzug in den Landtag fürchten, bevor die Einstiegshürde von zehn auf fünf Prozent reduziert wurde.

Da hat es der Wiener ÖVP-Obmann Johannes Hahn leichter. Die FPÖ kann ihn zwar 2010 locker auf den dritten Platz verweisen. Es wäre aber nicht das erste Mal. Und als Wissenschaftsminister, der gute Chancen hat, auch in einer neuen Großen Koalition wieder dabei zu sein, ist die Sehnsucht nach Opposition nicht sehr groß. Die kostet er ohnehin in Wien in voller Härte aus – im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, wo auch die Zweiten und Dritten in Konzentrationsregierungen dabei sind.

In Koalition halbherzig umarmt

Der Burgenländer Franz Steindl kann ein Lied davon singen. Auf dem Papier wird er umarmt, in der Realität aber verstoßen. Der rote Landeshauptmann Hans Niessl vergönnt dem schwarzen Vize keinen noch so kleinen Erfolg. Wenn Steindl dann (siehe Schützenhöfer) nicht für Opposition votiert und die missmutigen kleinen Funktionäre verprellt, sieht's noch schlechter aus für die nächste Landtagswahl. So ist Steindl also wie Schützenhöfer für alles, nur nicht für rot-schwarze Verhandlungen. Motto: Die Zeit ist noch nicht reif und der Stil der SPÖ, der hat sich sicher nicht verändert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2008)

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