Das mysteriöse Veto im Ministerrat

Es steht nirgendwo: Aber in einer Allparteienregierung könnte jeder blockieren.

Wien. Aus der steirischen ÖVP kommt die Forderung nach einer Konzentrationsregierung, bei der alle Parteien vertreten sind. Auch ÖVP-Chef Josef Pröll hält sie – theoretisch – für eine Option. Sogar die Industriellenvereinigung steht der Idee „aufgeschlossen“ gegenüber. Aber: Eine Konzentrationsregierung würde für Probleme sorgen. Im Ministerrat müssen Beschlüsse einstimmig fallen, jede Partei könnte im Alleingang Regierungsbeschlüsse blockieren.

Doch wo steht eigentlich, dass Beschlüsse im Ministerrat einstimmig fallen müssen? „Das steht an sich nirgends“, erklärt Staatsrechtsexperte Theo Öhlinger. Und doch sei die Regel Verfassungsrecht. Hans Kelsen – er gilt als Vater der Verfassung – habe die Einstimmigkeit aus der Ministerverantwortlichkeit geschlossen. Ein anderer Ansatz sei, dass die Einstimmigkeit schlicht Verfassungsgewohnheitsrecht ist. Es gebe jedenfalls momentan keinen Juristen, der die Einstimmigkeit in Frage stellen würde, so Öhlinger. Man könnte diese nur mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abschaffen.

Freilich: Gesetze könnte man auch abseits des Ministerrats beschließen, indem man im Parlament Initiativanträge einbringt. Aber dann müssten sich die Parteien beliebig Mehrheiten für ihre Anträge suchen. Die Folge wäre ein Basar, wie ihn das Parlament in der letzten Sitzung vor der Wahl erlebte. Gerade Aufgabe von Regierungsparteien sei es aber, zusammenhängende Gesetze zu beschließen, warnt Öhlinger. Überdies können bestimmte Beschlüsse nur vom Ministerrat gefällt werden – etwa die Anfechtung von Landesgesetzen beim Verfassungsgerichtshof.

Keine Einstimmigkeit in Ländern

In fünf Bundesländern gibt es Proporzregierungen, in der alle Parteien ab einer gewissen Stärke vertreten sind. Hier ist für Regierungsbeschlüsse aber nur die einfache Mehrheit nötig. Ein internationales Beispiel für eine Konzentrationsregierung ist die Schweiz. Dort ist jedoch das gesamte System anders aufgebaut. Und Einstimmigkeit braucht die Schweizer Regierung auch nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2008)

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