Martin Graf im Chat: "Mensuren sind zeitlos"

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Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) über Rechtsruck, Entnazifizierung und Burschenschaften: Der wegen seiner Mitgliedschaft in der Burschenschaft "Olympia" umstrittene Graf stellte sich den Fragen der DiePresse.com-User.

  • 12:02 Martin GrafHallo liebe User. Ich freue mich auf eine interessante Stunde.
  • 12:03 thomas.s.Sehr geehrter Herr Graf! Glauben Sie persönlich das die s. g. "Entnazifizierung" erfolgreich war oder sehen sie noch Aufarbeitungsbedarf?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich denke schon, dass sie erfolgreich war und ist.
  • 12:08 JimmiGlauben Sie, das der Rechtsruck in Österreich ideologisch behaftet, oder reine Populismus-Politik der FPÖ und des BZÖ ist?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Meiner Meinung nach hat bei der letzten Wahl kein Rechtsruck stattgefunden. Die parteipolitische Landschaft und auch das Wahlverhalten der Bevölkerung ist in einem großen Wandel. Kurz gesagt, Stammwähler werden deutlich weniger und das Angebot der politischen Parteien ist größer geworden. Die Grenzen der klassischen Definition zwischen rechts und links verschwinden zunehmend.
  • 12:09 E. DietlFinden Sie Mensuren heute noch zeitgemäß?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ja, Mensuren sind nach meinem Dafürhalten zeitlos.
  • 12:11 BrunhildeSie haben gesagt, dass sie nicht alles gut finden, was die Olympia macht. Umgekehrt: Was finden Sie denn gut an dieser Burschenschaft?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Das öffentliche Einstehen für die eigene Weltanschauung ist für mich das Wesentlichste.
  • 12:12 DiePresse.com.Moderator
  • 12:15 birgitS.g. Herr Dr. Graf! Wie beurteilen Sie das Ableben Jörg Haiders? Profitiert dadurch die linke Reichshälfte SPÖ und Grüne? Sind die bürgerlichen Kräfte stark genug ohne Haider Mehreiten bilden zu können?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Das unerwartete Ableben hat mich tief getroffen und geschockt. Jörg Haider war und ist für das BZÖ die Integrationsfigur schlechthin. Ob durch sein Ableben andere Parteien profitieren werden, kann heute noch nicht beurteilt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, falls es dem BZÖ nicht gelingt, ein eigenständiges Profil zu etablieren, dass die politischen Mitbewerber profitieren werden. In diesem Fall gehe ich davon aus, dass die sogenannten bürgerlichen Kräfte zulegen werden.
  • 12:17 thomas.s.Sehr geehrter Herr Graf! Sie haben sich als promovierter Jurist auch sicher mit dem s. g. "Verbotsgesetz" (s. v.a. ns Wiederbetätigung) auseinandergesetzt. Wie soll in naher Zukunft damit verfahren werden? Beibehalten oder abschaffen?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Zu diesem Thema habe ich in den letzten Wochen alles mir Wichtige bereits gesagt. Ich habe mir auch vorgenommen, im Falle meiner Wahl zum Dritten Nationalratspräsidenten hierzu bis auf Weiteres keine Stellung zu beziehen.
  • 12:19 KerstinI_IIWie ist Ihre generelle Einstellung zum Nationalsozialismus?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Absolute Ablehnung. In meiner Familie müttelicher- und väterlicherseits hat es in der Zeit vor 1945 kein einziges NSDAP-Mitglied gegeben. Leider können das nur ganz wenige Österreicher von sich sagen.
  • 12:20 nicephorUnzweifelhaft ist der deutsche Sänger Frank Rennicke Gast der Olympia gewesen. Und ebenso unzweifelhaft verherrlicht Rennicke den Nationalsozialismus. Was Gründe waren Ihrer Meinung nach ausschlaggebend für die Einladung von Rennicke und wie hoch schätzen Sie in Ihrem Lebensbund Olympia den Anteil derjenigen, die mit Rennickes Liedinhalten sympathisieren?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich muss offen gestehen, ich kenne kein einziges Lied von Herrn Rennicke und bin daher nicht in der Lage, Ihre Frage seriös zu beantworten.
  • 12:21 grumpelAnschlussfrage an Brunhilde: Was finden Sie denn nicht gut an "Olympia"?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Über Vereinsinternes beziehe ich öffentlich keine Stellung.
  • 12:23 kripaleSehr geehrter Herr Dr. Graf, wieso gehören Sie eigentlich der FPÖ an? Wenn Sie Ihre politische Laufbahn von vorne starten könnten, würden Sie es mit ihrem heutigen Wissensstand lieber in der ÖVP versuchen?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich bin aus tiefer Überzeugung der FPÖ beigetreten und seit meiner Schülerzeit fasziniert mich die Bewegung, die aus der Revolution von 1848 entstanden ist. Mit dem eigenen Leben wurden zu dieser Zeit die Grund- und Freiheitsrechte sowie die Demokratie erkämpft. Ich habe keine Minute in meinem Leben daran gedacht, einer anderen Partei beizutreten.
  • 12:26 DiePresse.com.Moderator
  • 12:27 tottiWarum werfen sie 3 Spielerinnen aus dem Verein Hellas nur weil sie gegen sie demonstriert haben ?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich bin bei Hellas Präsident und seit 40 Jahren Spieler, Mitglied und Fan des Vereins. Als Präsident mische ich mich nicht in das operative Geschäft des Vereins ein. Der Vorstand hat zu einem Zeitpunkt, bei dem ich im Parlament in Sitzungen tätig war, eine Entscheidung gefällt, sich von drei Spielerinnen der Damenkampfmannschaft zu trennen. Die drei Spielerinnen waren zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Vereines. Es ist im Fußballsport nicht unüblich, sich von aktiven Sportlern zu trennen. Vereinsintene Beschlüsse pflege ich nicht in der Öffentlichkeit zu kommentieren.
  • 12:30 thomas.s.Sehr geehrter Herr Graf! Warum wird die Olympia, Ihrer Ansicht nach, vom DÖW als rechtsextrem eingestuft. Ist Rechtsextremismus eine vertretbare Position?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Das DÖW ist eine sehr links angesiedelte Organisation. Aus der Sicht des DÖW ist meinem Dafürhalten nach jede Position, die nicht links angesiedelt ist, bereits rechtsextrem. Insofern müsste vor Beantwortung Ihrer Frage definiert werden, was man unter Rechtsextremismus versteht, um diese seriös beantworten zu können.
  • 12:35 AlexandervLSehr geehrter Herr Dr. Graf, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch auch aus Deutschland zu Ihrer Wahl zum Dritten Nationalratspräsidenten. Meine Frage: Wie erklären Sie sich die teilweise massive Ablehnung gegen Ihre Person, vor allem in den Kreisen der Grünen und weiten Teilen der öffentlich-rechtlichen Medien? Besten Dank & beste Grüße. Alexander von Laubnitz
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Danke für die Glückwünsche! Die Ablehnung der Grünen bzw. der politischen Linke betrifft nicht ausschließlich meine Person, sondern meine Gesinnungsgemeinschaft insgesamt. In den letzten vier Wochen habe ich keine einzige Kritik erhalten betreffend meiner Tätigkeit im Parlament. Stets wurde nur meine Weltanschauung kritisiert. Insofern bin ich froh, in einem Land zu leben, das die Grund- und Freiheitsrechte und damit auch die Freiheit über die Weltanschauung schützt. Insofern muss ein Politiker auch untergriffige Anschuldigungen aushalten.
  • 12:36 nicephorWürden Sie sich eine Wiedervereinigung aus FPÖ und BZÖ wünschen?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Nein. Ich denke, dass sich das BZÖ von der FPÖ bereits so weit inhaltlich wegentwickelt hat, dass ein Zusammengehen keine Verbesserung für die FPÖ bringen würde.
  • 12:39 ReptilWie sehen sie eigentlich ihre Beziehung zu den Grünen? Immerhin hat diese Partei ein riesen Problem mit ihren Werten und hätt sie, berücksichtig man die Meldungen der letzten Tage, am liebsten raus aus dem Nationalrat. Ist eine demokratische Zusammenarbeit mit solchen Ausgrenzern überhaupt möglich?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich persönlich habe in den letzten 14 Jahren eine stets korrekte Zusammenarbeit auch mit den Grünen gepflogen. Dies wird auch künftig der Fall sein. Wer im Parlament sitzt, entscheidet der Wähler und nicht der politische Mitbewerber. Bei den Grünen hege ich oft den Verdacht, dass sie diese Grundspielregel der Demokratie noch nicht völlig verinnerlicht haben.
  • 12:40 KerstinI_IIFinden Sie, dass es Parallelen zwischen der NSDAP und der heutigen FPÖ unter H.C. Strache gibt?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Nein.
  • 12:41 dionysosWas ist in der momentanen Zusammensetzung des Parlaments Ihre Wunschregierung? Die große Koalition wurde von Ihrer Partei ja immer systematisch kritisiert. Sehen Sie eine Alternative?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Wunschregierung habe ich keine. Alternativen gibt es immer, man muss sie nur suchen wollen.
  • 12:42 DiePresse.com.Moderator
  • 12:45 kripaleEine Frage zum Parlamentarismus: Das österreichische System ist von mächtigen politischen Parteien geprägt. Personen und vor allem Inhalte treten in den Hintergrund. Wie sieht für Sie das ideale politische System aus und was können Sie in Ihrer neuen Position tun, um diesem näher zu kommen?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Mein ideales politisches System ist eine echte Demokratie. Ich bin ein Verfechter dafür, den Parteien, Kammer- und Verbändestaat möglichst auf ein Minimum zu reduzieren. Mit anderen Worten: Ein Verfechter dafür, dass die Entscheidungen im Parlament getroffen werden. Meiner Meinung nach treten Personen nicht in den Hintergrund, bei den Inhalten muss ich Ihnen leider recht geben. Mein Beitrag ist, alles in meiner Macht stehende zu unternehmen, um die parlamentarische Demokratie zu stärken.
  • 12:48 thomas.s.Sehr geehrter Herr Graf! Wie sehen Sie den Islam in Österreich/der EU (unabhängig von seiner politischen Variante)? Jemand der für Meinungs- und Gesinnungsfreiheit eintritt, kann ein zunehmender Anteil an Muslimen und einer stärkere Rolle des Islams ja nicht stören, oder?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich bin auch froh, in einem Land leben zu dürfen, welches das Grundrecht auf Religionsfreiheit als Ausfluss der Revolution 1848 hochhält. Ebenso bin ich froh, dass die Trennung Kirche und Staat (Säkularisierung) vollzogen ist. Religionen und/oder Religionsführer gleich welcher Konfession, die sich fundamental politisch engagieren, lehne ich ab bzw. sehe ich als Gefahr für die Demokratie westlicher Prägung.
  • 12:50 DiePresse.com.Moderator
  • 12:52 KerstinI_IIDenken Sie nicht, dass Slogans wie "Daham statt Islam" an Hetze gegen andere Religionen (Antisemitismus) erinnern? Ist nicht auch Hitler erst durch wirtschaftliche Missstände und vielen unhaltbaren Versprechungen an die Macht gekommen?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Der Slogan ist eine marketinggerechte Zuspitzung eines zunehmenden Problems in Österreich, dem fundamentalpolitischen Islam. Insofern hat die FPÖ auf ein wachsendes Problem erfolgreich aufmerksam gemacht. Um künftig Faschismus zu verhindern, sind alle demokratischen Kräfte aufgerufen, zum Wohle Österreichs zusammenzuarbeiten.
  • 12:54 Hobby ÖkonomikusWie stehen Sie zu deutschnationalen Burschenschaften wie Wiking oder Wartburg?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Ich kenne weder eine Burschenschaft mit dem Namen Wikung noch mit dem Namen Wartburg.
  • 12:57 nicephorHalten Sie die Einführung eines Mehrheitswahlrechts (in welcher genauen Ausführung auch immer) in Österreich für sinnvoll?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Nein. In meinem Buch habe ich im Vorwort mich mit dem Mehrheitswahlrecht bzw. den Gründen dafür auseinandergesetzt und dargelegt, aus welcher meiner Meinung nach undemokratischen Haltung heraus es viele Menschen gibt, die für ein Mehrheitswahlrecht eintreten.
  • 13:00 AnatolSehr geehrter Herr Graf! Welche Einstellung haben Sie eigentlich gegenüber der Europäischen Union? Wollen Sie ebenfalls einen Austritt, so wie das von der FPÖ mehrmals angedeutet wurde?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Die FPÖ hat keine Andeutungen zu einem Austritt aus der EU gemacht. In der Diskussion haben wir uns auch mit dem Thema beschäftigt, was zu unternehmen wäre, wenn es nicht gelingt, die Interessen Österreichs in der EU nachhaltig durchzusetzen. In diesem Fall darf es kein Tabu sein, nach ergebnislosen Versuchen einen Austritt in Erwägung zu ziehen. Grundsätzlich will die FPÖ eine EU anderen Zuschnitts nach dem Vorbild De Gaulles - ein Europa der eigenständigen Vaterländer.
  • 13:05 se-michiIn einem Flugblatt, welches von der Burschenschaft Olympia ausgegeben wurde in den 90er Jahren erschien folgendes Zitat: „Bist du häßlich, fett, krank oder fremd im Lande, bist Du von Sorgenfalten, Weltschmerz oder linksliberaler Gesinnung gepeinigt, trägst Du alternative oder Schicky-Kleidung oder gar ein Flinserl im Oher, studierst du Psychologie, Politologie oder Theologie oder gar nicht, hast du den Wehrdienst verweigert oder eine Freundin mit, die weder schön noch still ist, kurz: bist Du auf irgendeine Weise abnormal oder unfröhlich, dann bleib lieber zu Hause.“ Distanzieren Sie sich von so einer Aussage oder halten sie diese für richtig?
  • ANTWORT VON Martin Graf:
    Dieses Flugblatt stammt aus den 80er-Jahren, war eher als witziger Gag gemeint, der in der Öffentlichkeit gründlich danebengegangen ist. Aus heutiger Sicht müssen wir zur Kenntnis nehmen, das die Political Correctness keinen Spaß versteht. Aus diesem Grunde empfehle ich meiner Burschenschaft, Einladungen bzw. Werbematerialien anders zu gestalten. In den letzten 23 Jahren hat sich die Burschenschaft Olympia an meinen Rat gehalten.
  • 13:06 DiePresse.com.ModeratorDanke an Martin Graf, dass er sich für den Chat Zeit genommen hat. Vielen Dank auch an unsere Leser für die vielen Fragen.
  • 13:10 Martin GrafIch bedanke mich bei allen, die mitgemacht haben, diese Stunde interessant zu gestalten.

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