Grüne überlassen Ausländerpolitik den Rechten

Christoph Chorherr
Christoph Chorherr(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Querdenker Christoph Chorherr wünscht sich im Interview mit der "Presse" eine neue grüne Integrationspolitik.

Die Presse: Hat die Wirtschaftskrise für die Grünen nicht etwas Positives? Es wird weniger Auto gefahren.

Christoph Chorherr: Würden wir es darauf reduzieren, wären wir in der Tat erbärmlich. Ich sehe die Krise als Chance, drei Begriffe zu verbinden: Finanzkrise, Energiekrise, Klimakrise. Unsere Aufgabe ist es, ein grünes, keynesianisches Paket zu schnüren.

Wenn der Arbeitsmarkt zusammenbricht, ist Klimapolitik bisher immer in den Hintergrund getreten.

Chorherr: Das droht, ist aber ein verheerender Irrtum. Jetzt muss es Sonderprogramme für Haussanierungen oder den Ausbau von Kindergärten, Schulen und Universitäten geben. Der Ölpreis ist jetzt unten, aber in ein, zwei Jahren ist er wieder ganz oben.

Da stellen sicher viele die Frage nach der Leistbarkeit.

Chorherr: Dieses Argument möchte ich die nächsten 50 Jahre nicht mehr hören, nachdem man den Banken, die Abermillionen verzockt haben, in unfassbarem Maße das Geld hineinstopft. Da geht es um 100 Milliarden Euro, und dann diskutieren wir, dass wir uns 200 Millionen für die Universitäten nicht leisten können?

Womit sollen die Grünen abseits des Umweltthemas punkten?

Chorherr: Wir müssen einen behutsamen, aber eindeutigen Wandel beim Integrationsthema vornehmen. Man wirft uns tief in die eigene Klientel hinein vor, die Probleme mit Ausländern wegzuleugnen. Ob das nun stimmt oder nicht: Wir überlassen es den Rechten, die Probleme zu benennen und inferiore Antworten zu geben.

Kritiker an der Ausländerpolitik finden sich nicht mehr nur unter FPÖ-Stammwählern?

Chorherr: So ist es. Und das wollte man nicht wahrhaben. Wenn eine Volksschullehrerin ihren Kindern Mitteilungen schickt und die erziehungsberechtigte Mutter das nicht einmal lesen kann, obwohl sie seit zehn Jahren in Österreich lebt, ist das ein Problem. Und wenn 15, 20, 25 Prozent der Kinder kaum oder schlecht Deutsch sprechen auch. Da muss man was tun.

Vor ein paar Jahren war es für Grüne nicht einmal legitim, verpflichtende Deutschkurse einzuführen.

Chorherr: Der Aufschrei betraf die Sanktionen.

Ohne Zwang tut sich offenbar nichts.

Chorherr: Zuerst müssten einmal die Angebote ausgeweitet werden. Nehmen signifikant große Gruppen diese Angebote nicht an, dann sollten auch die Grünen nicht davor zurückschrecken, eine Verpflichtung zu unterstützen.

Bei der Kindergartenpflicht gab es zum Beispiel Diskussionen über eine Kürzung der Familienbeihilfe.

Chorherr: Das ist genauso zu handhaben wie die Schulpflicht. Wer sich einbildet, sein Kind nicht unterrichten zu lassen, hat mit Sanktionen zu rechnen. Wenn man Pisa intelligent liest, zeigt sich, dass die, die nicht im Kindergarten waren, am schlechtesten abschneiden. Das betrifft Migranten, aber auch Menschen aus unteren Schichten. Armut ist vererbbar, das ist der größte Fehler der Schule.

Bildungsverweigerung hat oft auch etwas mit der Herkunft der Zuwanderer und ihren Traditionen zu tun.

Chorherr: Es gibt in allen Communitys alle sozialen Schichten. Auch bei den Türken gibt es Anwälte, Unternehmensberater, Geschäftsleute, Schriftsteller. Da hat sich Gott sei Dank in den letzten Jahren einiges getan. Trotzdem agiert eine Minderheit so wie bei uns viele in den Siebzigerjahren auf dem Land, wo berufstätige Mütter als Rabenmütter diffamiert wurden. Dieses Retro-Frauenbild reproduzieren manche türkische Jugendliche. Das regt wiederum junge Mädels auf, die ein Recht haben, mit Minirock zu gehen, ohne dass ihnen deppert nachgeschrien wird.

In manchen Gegenden leben Türken in richtigen Parallelwelten.

Chorherr: Das ist auf der ganzen Welt so, da sehe ich die Alternative nicht. Auch Auslandsösterreicher lesen die „Presse“ oder schauen ORF. Und die türkischen Geschäfte sind für Österreicher eine Chance, ihre klassischen Nahversorger zurückzubekommen, die auch am Sonntag offen haben.

Finden Sie Michael Häupls Drohung, einen Türken bei den Ohrwaschln zu ziehen, wenn er sein Kind nicht in die Schule schickt, okay?

Chorherr: Aber ja. In so einer Diskussion kann man auch einmal zornig werden.

Großes Verständnis wird Ihnen die grüne Basis nicht entgegenbringen.

Chorherr: Das habe ich noch nie gehabt, aber Rempler halten fit. Wer seine Blogs und Mails im Wahlkampf ordentlich gelesen hat, dem muss längst gedämmert sein, dass auch unsere Sympathisanten eine Weiterentwicklung der Integrationspolitik verlangen.

ZUR PERSON

Christoph Chorherr (48) ist grüner Gemeinderat in Wien. Er war Bundesparteichef 1996–1997, Klubobmann der Wiener Grünen 1997–2004. Mitinitiator des Schulprojekts „Walz“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2008)

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