Ferdinand Lacina: "Vermögensteuer wie damals hielte ich für völlig falsch"

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Ferdinand Lacina, SPÖ-Finanzminister von 1986 bis 1995, ist gegen eine klassische Vermögensteuer: Diese würde nur die Unternehmer treffen, Private gar nicht. Er ist aber für eine höhere Grundsteuer und eine Erbschaftssteuer.

Die Presse: Als SPÖ-Finanzminister haben Sie 1993 die Vermögensteuer abgeschafft. Wieso soll nun falsch sein, was damals richtig war?

Ferdinand Lacina: Wir hatten damals, 1989, eine große Steuerreform gemacht, bei der zum ersten Mal eine wirksame Besteuerung von Kapitalerträgen vorgenommen wurde. Zuerst mit zehn Prozent, dann mit 25. Es gab große Widerstände der ÖVP gegen diese „Sparbuchsteuer“. Aber es ist trotzdem gelungen. Die Vermögensteuer wiederum, die wir dann abgeschafft haben, war eine mit einem sehr, sehr geringen Ertrag. Und dieser kam fast ausschließlich von den Unternehmen. Das war eine reine Substanzbesteuerung. Und hat bedeutet, dass insbesondere kapitalintensive Unternehmen wie die Schwerindustrie oder die E-Wirtschaft diese Steuern gezahlt haben – und zwar unabhängig davon, ob sie Gewinn oder Verlust gemacht haben. Das war also absolut sinnlos. Es war mit der ÖVP damals aber vereinbart, andere Formen von Vermögen zu besteuern: eine Reform der Grundbesteuerung, eine Reform der Erbschaftsbesteuerung. Aber wie das mit anderen Vereinbarungen mit der ÖVP auch so war, hat es nicht gehalten.

Sind Sie heute für eine Vermögensteuer?

Eine Vermögensteuer so wie damals würde ich für völlig falsch halten. Warum soll man Unternehmen, die vielleicht keinen Gewinn oder sogar Verlust machen, noch stärker besteuern? Und die Privatpersonen hat das damals überhaupt nicht betroffen. Es hatte ja auch keinen Sinn, Finanzbeamte da hineinzuschicken, um zu schauen, ob da irgendwo ein Silberbesteck herumliegt. Und es gab auch eine Rechtsprechung, dass vieles als Hausrat anzusehen ist und somit nicht mehr der Besteuerung unterliegt.

Das heißt: Gegen eine Substanzvermögensteuer sind Sie heute eher auch noch?

Nicht nur eher. Sondern ich hielte das für einen absoluten Fehler. Die Endbesteuerung betrifft alle Finanzvermögen – also was bleibt dann übrig? Das Grundvermögen. Und sonst Vermögen, auf das ich nicht zugreifen kann. Auch nicht will.

Aber für eine Erhöhung der Grundsteuer sind Sie wahrscheinlich?

Selbstverständlich. Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit. In Wirklichkeit ist es ja so, dass diese Einheitswerte immer nur fortgeschrieben worden sind. Man geht dabei davon aus, dass sich in Salzburg-Stadt und in Eisenerz die Grundpreise gleich entwickelt haben.


Und für die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer sind Sie auch?

In einer Leistungsgesellschaft ist es richtig, wenn hinter einem Vermögen keine Leistung steckt, hier eine Steuer einzuführen.

Aber man hat für dieses Vermögen, das vererbt wird, ja schon einmal Steuern bezahlt.

Wer hat die Steuer gezahlt?

Derjenige, der vererbt.

Genau. Und der Erbe? Er hat keine Steuer bezahlt.

Die SPÖ hat sich einfach das ÖGB-Steuerkonzept zu eigen gemacht. War das klug?

Ein Steuermodell, in dem Sinn, dass es ein klares Gesetz wäre, das sofort angewendet werden könnte, ist es ja nicht. Es geht um vermögensbezogene Steuern. Und da halte ich die Ansätze Grundsteuer und Erbschaftssteuer für vernünftig. Für absolut notwendig halte ich eine umfassende Steuerreform. Es ist 15 Jahre her, dass wir ein neues Körperschaftssteuergesetz und ein neues Einkommensteuergesetz gemacht haben. Das war damals recht gut. Der Rechnungshof hat aber festgestellt, dass in der Zwischenzeit sowohl das Einkommensteuergesetz als auch das Körperschaftsteuergesetz im Umfang auf das Vierfache angewachsen ist. Jetzt können Sie dreimal raten, warum das so ist.

Sie sagen es mir gleich.

Das sind im Wesentlichen Ausnahmen, Begünstigungen, die irgendwelche Lobbys verlangt haben. Außerdem halte ich es für absurd, dass wir in einer Zeit, in der es hier an Investitionen mangelt, österreichische Unternehmen dazu anreizen, im Ausland zu investieren. Das ist die Gruppenbesteuerung. Ich habe nichts gegen Internationalisierung, aber ich muss sie doch nicht auf diese Weise befördern. Das ist ein Ausfall, der allein schon zehn Prozent der Körperschaftseinnahmen ausmacht – rund 600 Millionen Euro. Und der zweite Unsinn: die steuerliche Begünstigung von Überstunden. Es ist mir damals nicht gelungen, diese ganz wegzubekommen, aber wir haben das auf fünf Überstunden pro Monat reduziert. In der Zwischenzeit ist es wieder verdoppelt worden.

Wie soll diese umfassende Steuerreform, von der Sie sprechen, denn aussehen? Senkung des Eingangssteuersatzes...

Man könnte sogar noch weiter gehen. Es wäre sinnvoll, sich die Gesamtbelastung aus Steuer und Sozialversicherung anzusehen. Derzeit haben wir einen sehr hohen Eingangssteuersatz – das gehört auf jeden Fall korrigiert – und die Sozialversicherung, die viel weiter unten ansetzt. Es gibt Menschen, die keine Steuern zahlen, sie zahlen aber Abgaben. Bis zur Höchstbemessungsgrundlage haben wir in Wirklichkeit also eine viel höhere Belastung. Schon bei einem mittleren Einkommen werden 50Prozent bei einer Lohnerhöhung gleich einmal weggesteuert: Sozialversicherung plus Steuer. Oberhalb der Höchstbemessungsgrundlage haben wir dann – dadurch, dass die Sozialversicherung bei der Höchstbeitragsgrundlage aufhört – in Wirklichkeit, in Euro, nicht in Prozent, eine niedrigere Belastung als bei niedrigeren Einkommen. Weil die Sozialversicherungsabgaben Abzugsposten bei der Steuer sind. Das wäre wirklich ein großer Wurf, wenn da etwas gelingen könnte. Wobei ich es falsch fand, in die Steuerreformverhandlungen nun mit einer Zahl hineinzugehen: fünf oder sechs Milliarden. Zuerst sollte man schauen, was man vorhat, dann sollte man zu rechnen beginnen.

Das 13. und 14. Monatsgehalt soll unangetastet bleiben?

Das ist eine heilige Kuh. Da ist aber auch schon einiges passiert. Was es früher gab, war besonders ungerecht: die Familienförderung über den besonders niedrigen Satz beim 13. und 14. Auch bei den hohen Einkommen wurde dann einiges gemacht.

Die SPÖ will sich ein neues, zeitgemäßeres Parteiprogramm geben. Wie soll denn Ihrer Meinung nach eine sozialdemokratische Partei der Jetztzeit aussehen?

Eine sozialdemokratische Partei wird heute nicht mehr in der Lage sein, an der Spitze zu stehen und ein Land zu gestalten, wenn sie sich nur auf ihre Kernschichten bezieht. Ich muss natürlich die Fragen der sozialen Gerechtigkeit in den Vordergrund stellen, aber ich muss auch, was Wirtschaft oder Umweltpolitik betrifft, eine gewisse Offenheit zeigen. Auch personell. Diese berühmte Einladung, ein Stück des Weges gemeinsam zu gehen, die fehlt mir derzeit in der SPÖ. Da könnte man im Zuge der Parteiprogrammreform auch Nicht-SPÖ-Mitglieder einbinden.

Wie finden Sie den neuen Finanzminister, Hans Jörg Schelling?

Ich kenne ihn nicht. Was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, ist er sicher ein Profi. Und er hat es angesichts der VorgängerInnen nicht so schwer. Ich wünsche ihm alles Gute.

Was machen Sie jetzt eigentlich?

Ziemlich viel lesen.

Was?

Ich habe zum Beispiel gerade ein Buch des deutschen Historikers Gerd Althoff fertig gelesen: „Selig sind die, die Verfolgung ausüben“. Da geht es um die Frage: Kann es sein, dass monotheistische Religionen die Gewaltbereitschaft erhöhen?

Und?

Er sagt Ja.

ZUR PERSON

Ferdinand Lacina, geboren am 31.12.1942 in Wien, studierte Welthandel, war Studentenfunktionär des VSStÖ und spielte eine Rolle in der Affäre Taras Borodajkewycz – er hielt antisemitische Zitate des Professors schriftlich fest. 1973 wurde Lacina Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer Wien. Ab 1980 war er Kabinettschef von Kanzler Bruno Kreisky. Von 1982 bis 1984 war er Staatssekretär im Kanzleramt für Wirtschaftsfragen. Von 1984 bis 1986 war Lacina Verkehrsminister, von 1986 bis 1995 Finanzminister. Nach seinem Abschied aus der Politik war er bis 1997 Generaldirektor der GiroCredit Bank AG der Sparkassen. Heute ist Lacina, verheiratet mit Gertraud Knoll, Pensionist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2014)

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