Präsidentenwahl treibt tiefen Keil in die FPÖ

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ARCHIVBILD: URSULA STENZEL(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Zuletzt gab es massive Querschüsse gegen die erste Wahl von Parteichef Strache: Ursula Stenzel. Nun könnte doch Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer kandidieren.

Ursula Stenzel hat ein Talent zu polarisieren. Normalerweise gelingt ihr das mit launigen Interviewpassagen. Diesmal aber ist es schlicht ihre Person, die die Meinungen spaltet. Und zwar – wie die ÖVP mit Genugtuung bemerken wird – jene in ihrer zweiten politischen Heimat: in der FPÖ. Rund um ihre mögliche Nominierung als Kandidatin für die Bundespräsidentschaftswahl sind in der Partei unversehens heftige Flügelkämpfe ausgebrochen.

Bis in die Abendstunden wurden am Mittwoch auf verschiedenen Ebenen in der FPÖ noch intensive Gespräche geführt. Die zentrale Frage dabei: Kann Parteichef Heinz-Christian Strache seine erste Wahl durchsetzen? Oder muss er sich dem Druck der Basis beugen? Muss er also Stenzel fallen lassen? Und doch seinen Vizeparteichef, den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, beknien, bei der Wahl des Bundespräsidenten am 24. April für die FPÖ anzutreten.

Der gebürtige Burgenländer hatte aber mehrfach, auch öffentlich abgesagt, zuletzt in der Zeit im Bild 2 des ORF mit dem Hinweis, er sei als nicht einmal noch 44-Jähriger wohl zu jung für das höchste Amt im Staat. Hofer, der nach einem Flugunfall einen Gehstock benützen muss, gilt als konziliant, er verfügt über Gesprächskanäle in alle Fraktionen des Nationalrats und würde den anderen Parteien im Wahlkampf nicht allzu sehr weh tun. Er wäre der klassische Kompromiss-Kandidat der FPÖ.

Denn die schwarz-blaue Fraktion innerhalb der FPÖ soll im Zweifelsfall lieber dem SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer als ÖVP-Urgestein Andreas Khol, einem guten alten Bekannten aus schwarz-blauen Tagen, schaden wollen – und deshalb den Wiener Vizebügermeister Johann Gudenus als FPÖ-Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl favorisieren. Der ist trotz seiner Ausbildung in der Diplomatischen Akademie ein Scharfmacher, der in den Wiener Flächenbezirken besser ankommt als im bürgerlichen Milieu.

Demgegenüber steht ein, wie es heißt, rot-blauer Block, dem Hundstorfer in der Hofburg lieber wäre als Khol. Er macht sich daher für die ehemalige Vorsteherin des ersten Bezirks, Ursula Stenzel, als Präsidentschaftskandidatin stark. Gleichsam im letzten Moment wurden intern zum Teil aber schwere Bedenken gegen Stenzel laut – nicht nur, weil sie erst im Herbst von der ÖVP abgeworben wurde. Sondern auch, weil am Dienstag vorab aus FPÖ-Parteikreisen an Medien durchgesickert war, dass Stenzel als FPÖ-Kandidatin für die Hofburgwahl fix sei – ohne dass es auch bereits einen entsprechenden Beschluss der Parteigremien gegeben hätte.

Auf der Homepage der FPÖ und per Twitter äußerten sich am Mittwoch weitere Kritiker an Stenzel zu Wort. An der FPÖ-Basis wird ihr teilweise noch immer ihre ÖVP-Vergangenheit vorgehalten. Manchen missfällt auch, dass ausgerechnet eine frühere Chefin des ersten Wiener Bezirks bei der Präsidentschaftswahl Frontfrau einer Partei sein soll, deren Wähler eher aus der Arbeiterschaft und aus den Reihen Einkommensschwächerer kommt.

Fix ist: Stenzel würde gerne antreten

Wirklich fix war zuletzt nur, dass Stenzel selbst will. Denn sie wollte immer schon. Als vergangenes Jahr die Wiener ÖVP mit Stenzel über die Bedingungen einer friedlichen Übergabe der Bezirkspartei der Innenstadt an Markus Figl verhandelte, kam es zu folgender, nachträglich prophetischer Szene: Die Pressesprecherin des damaligen Parteichefs, Manfred Juraczka, rief bei ihrer Kollegin im Stenzel-Büro an, um mitzuteilen, dass man sich eine gute Lösung für Ursula Stenzel habe einfallen lassen. Worauf ihr Gegenüber – so wird es erzählt – zurückfragte: „Lass mich raten. Die Ursula wird ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidatin.“

Die Bundes-ÖVP hatte freilich nie vor, Ursula Stenzel von der ersten Frau im ersten Bezirk zur ersten Frau im ganzen Land zu befördern. Wie die Sache ausging, ist bekannt: Stenzel zog für die FPÖ in den Wiener Gemeinderatswahlkampf und verlor ihre politische Heimat, den ersten Bezirk. Manfred Juraczka wiederum verlor Wien und seinen Job. Trotz Farbwechsels hielt sich aber hartnäckig das Gerücht, dass Stenzel nicht ins Rathaus, sondern in die Hofburg wolle.

Vermutlich weil man sich nicht recht vorstellen konnte, dass Stenzel ihre Karriere unauffällig als eine von vielen im FPÖ-Rathausklub beschließen wolle. Das passte nicht so recht zu einer, die sich stets als „Erste“ und als „Lady“ verstand. Ob als Fernsehmoderatorin, als Leiterin der ÖVP-Delegation im EU-Parlament (auf die außenpolitische Kompetenz wird derzeit gern hingewiesen) oder Bezirkskaiserin. Stenzel hat sich dabei stets ohne eigene Hausmacht in der ÖVP durchgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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