Kern bekommt freie Hand beim Personal, behält Asylkurs bei

Christian Kern am Freitag bei Bundespräsident Heinz Fischer (von links).
Christian Kern am Freitag bei Bundespräsident Heinz Fischer (von links).(c) APA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Michael Häupl hat sich als letzter SPÖ-Landesparteichef auf Christian Kern als neuen Bundeskanzler festgelegt.

Wien. Als entscheidende Sitzung war das Treffen der SPÖ-Landeschefs beim Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, Freitagvormittag geplant. Doch die Entscheidung war längst gefallen: Schon vorher hatten sich alle Landesparteien auf ÖBB-Generaldirektor Christian Kern als neuen SPÖ-Chef und Bundeskanzler geeinigt. So hatte Häupl vor Beginn der Sitzung noch Zeit und Muße für einen anderen Termin: Er verlieh dem Trainer der Fußballnationalmannschaft, Marcel Koller, das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien. In Fußball-EM-Stimmung ist Häupl allerdings noch nicht, wie er zugibt: „Bisher habe ich noch nicht sehr viel Zeit gehabt, EM-Fieber zu haben. Meine Fieberschübe sind woanders gelegen.“

Damit war Häupl wieder bei der SPÖ: „Die Entscheidung ist gefallen“, sagte der mächtigste Mann in der SPÖ schon vor der Sitzung mit den Landesfürsten. Dabei war gerade ihm ein Naheverhältnis zum anderen Kandidaten, zum Medienmanager Gerhard Zeiler, nachgesagt worden.

Er sei mit Zeiler wie mit Kern gut befreundet, sagte Häupl, nehme aber zur Kenntnis, dass Zeiler durch seine jobbedingten Abwesenheiten bei den Jungen nicht so gut bekannt sei. Ob er enttäuscht ist, dass es nicht Zeiler wurde? Zeiler sei ein guter Freund, es gehe aber nicht um seine eigene Befindlichkeit. Zumal Häupl auch auf ein „ausgezeichnetes, friktionsfreies“ Verhältnis zu Kern verweist. So habe man sachlich sehr gut zusammengearbeitet, etwa bei Investitionen der ÖBB in Wien.

Häupl bis 25. Juni Parteichef

Damit gibt es keine Hindernisse mehr, dass Kern am Dienstag im Präsidium der SPÖ für die Funktion des Parteichefs und Bundeskanzlers vorgeschlagen wird. Geschäftsführender Parteichef bleibt bis zum Parteitag am 25. Juni Michael Häupl, erst dann kann Kern auch formal an die Spitze der Partei. Personell hat der neue starke Mann nun freie Hand. Im Regierungsteam der SPÖ dürfte es damit in den kommenden Tagen zu Änderungen kommen. Im Gespräch ist, dass die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely und der steirische Landesrat Jörg Leichtfried in die Regierung wechseln werden. In der Partei dürfte der von Werner Faymann eingesetzte Bundesgeschäftsführer, Gerhard Schmid, abgelöst werden. Weitere Veränderungen sind wahrscheinlich.

Die Chefs der Landesparteien geben Kern dabei Rückendeckung: Selbstverständlich habe er freie Hand, sagte Häupl. Personalentscheidungen seien Chefsache, sagte der burgenländische Landeshauptmann, Hans Niessl, der derzeit mit Josef Ostermayer und Hans Peter Doskozil immerhin zwei Landsleute in der Regierung sitzen hat. Der Verbleib von Doskozil gilt als fix, der des Faymann-Vertrauten Ostermayer noch nicht.

Neben den Personalfragen sind auch inhaltliche zu klären – da vor allem der künftige Kurs in Sachen Asyl. Häupl geht davon aus, dass die Linie beibehalten wird. Immerhin seien entsprechende Beschlüsse im Nationalrat gefallen, und er „sehe zur Stunde nichts, was das ändern soll“. Dass Kern mit Doskozil und Wehsely prononcierte Vertreter beider Flügel in der Regierung haben wird, deutet aber darauf hin, dass er nach einer Linie sucht, die beide Richtungen zufriedenstellt.

Nach der Bestellung im SPÖ-Präsidium am Dienstag soll es schnell gehen: Für 17 Uhr ist die Angelobung als Bundeskanzler durch den Bundespräsidenten vorgesehen. Am Mittwoch um acht Uhr tagt der Ministerrat, danach will sich der neue Regierungschef im Parlament vorstellen.

Die Vorbesprechung zur Angelobung hat offensichtlich schon stattgefunden: Am Freitag hat Bundespräsident Heinz Fischer Kern empfangen, wie die Präsidentschaftskanzlei mitteilt. Über Verlauf und Inhalt des Treffens hat es keine Auskünfte gegeben. Dass der bisherige ÖBB-Chef vom Präsidenten freundlich aufgenommen wurde, ist allerdings anzunehmen. Fischer hat Kern zuvor schon als „tüchtig“ bezeichnet.

Offen ist noch, ob vorerst nur Kern angelobt wird, oder gleich alle neuen Regierungsmitglieder. Letzteres wäre zeitlich allerdings knapp, da diese frühestens am Dienstag in den Parteigremien vorgestellt werden und der Präsident traditionellerweise ein Antrittsgespräch mit neuen Regierungsmitgliedern führt. Wahrscheinlicher ist die Variante, dass Kern seine neuen Regierungsmitglieder erst im Lauf der kommenden Woche präsentieren wird.

Schönes Pfingstwochenende für Klug

Einer der Ablösekandidaten, Infrastrukturminister Gerald Klug, hat am Freitag eine Pressekonferenz an der steirischen Koralmbaustelle in Deutschlandsberg abgehalten, kurioserweise ausgerechnet mit seinem Parteifreund Verkehrslandesrat Leichtfried, der als sein Nachfolger gilt. Was Klug zur Regierungsumbildung sagen wollte? „Vor uns liegt ein wunderschönes Pfingstwochenende“, so der Minister, die ungünstigen meteorologischen wie politischen Prognosen ignorierend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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